Antrag: Rechtsextremismus auf allen Ebenen bekämpfen – NPD-Verbotsverfahren konsequent vorantreiben

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

 Entschließung

  1. Der Landtag ist der Auffassung, dass die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) eine menschenverachtende und nazistische Partei ist. Für den Landtag steht es außer Frage, dass diese Partei offen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes wirkt. Die NPD ist heute parlamentarischer Arm derer, die die Demokratie überwinden und Menschenwürde und Grundrechte durch ein rassistisches System ersetzen wollen. Diese Bestrebungen müssen bekämpft und die NPD verboten werden.
  2. Der Landtag unterstützt und begrüßt das Verbotsverfahren des Bundesrates und die Beteiligung des Landes Niedersachsen daran.
  3. Der Landtag ist sich bewusst, dass ein Verbot der NPD nur ein Baustein ist, um menschenverachtendes Gedankengut in unserer Gesellschaft zu bekämpfen. Deswegen ist es von großer Bedeutung, dass die Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und für Demokratie und Menschenrechte in einem niedersächsischen Landesprogramm aufeinander abgestimmt, ergänzt und verstetigt werden. Besonderer Wert ist auf die Schaffung von Nachfolgestrukturen für die in Niedersachsen fehlende Landeszentrale für Politische Bildung und auf die Unterstützung des zivilgesellschaftlichen Engagements für Demokratie und Menschenrechte auf allen Ebenen zu legen. Der Landtag ruft die Bundesregierung in diesem Zusammenhang auf, die sogenannte „Extremismusklausel“, die insbesondere das Engagement gegen Rechtsextremismus schwächt und erschwert, abzuschaffen.
  4. Der Landtag sieht keine geeignete Alternative zu einem Verbot der NPD. Wer darauf vertraut, die NPD werde sich aufgrund ihrer Finanzprobleme und ihrer Zerstrittenheit selbst ins politische Aus manövrieren, verschließt die Augen vor den von dieser Partei ausgehenden Gefahren. Eine Partei, die in zwei Landtagen und zahlreichen kommunalen Gremien vertreten ist, wird nicht einfach so verschwinden.
  5. Der Landtag lehnt sämtliche Vorschläge durch die Veränderung der staatlichen Parteienfinanzierung die Finanzen der NPD weiter zu schwächen, entschieden ab. Letztlich wird dabei die Klärung der Frage, ob eine Partei verfassungsfeindliche Ziele vertritt vom Bundesverfassungsgericht auf den Bundestagspräsidenten verlagert. Zudem würden der NPD weder Mandate noch Fraktionsmittel entzogen, sie behielte Vermögen und andere Möglichkeiten aus dem Parteienprivileg. Vor allem aber würde dafür eine Grundgesetzänderung notwendig sein. Eine Grundgesetzänderung zur Bekämpfung einer einzigen Partei ist ein verfassungspolitisch höchst fragwürdiges Unterfangen, zumal das Grundgesetz mit dem Parteiverbotsverfahren bereits jetzt einen Weg zur Bekämpfung verfassungsfeindlicher Parteien ermöglicht. Deswegen ist dieser Ansatz für den Landtag keine Alternative zum Verbot der NPD.

 Begründung

 Ideologie und Praxis der NPD bringen das Bestreben, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu bekämpfen, offen zum Ausdruck. Die NPD ist in ihren Forderungen menschenverachtend. Mit ihrer extensiven fremdenfeindlichen und rassistischen Agitation fördert sie ein Klima rechtsextremer Gewalt. Die Auftritte ihrer Rednerinnen und Redner zeigen in aller Deutlichkeit: Die NPD steht in der ideologischen Tradition der NSDAP. Ebenso bestanden direkte oder mittelbare Kontakte von NDP-Funktionären zu den Terroristen des „Nationalsozialistischen Untergrund“. Hetzreden führender NPD-Funktionäre wie Pastörs und Voigt waren von der gleichen ideologischen Basis getragen wie die Verbrechen des NSU. Auch wenn dessen Mord- und Terrortaten der NPD wohl nicht direkt zugeordnet werden können, verdeutlichen diese Parallelen doch die menschenverachtende Ideologie der NPD. Die NPD ist damit verfassungsfeindlich. Genau für diese Situation haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes die Möglichkeit des Parteienverbots durch das Bundesverfassungsgericht geschaffen. Von diesem Instrumentarium muss Gebrauch gemacht werden.

Das Scheitern des ersten Verbotsantrages war in der Logik eines Rechtstaates folgerichtig. Hieraus sind die erforderlichen Konsequenzen gezogen worden. Die ungeordnete nachrichtendienstliche Tätigkeit in den Gremien der NPD gehört der Vergangenheit an. Die Zusammenarbeit mit V-Leuten in Führungsgremien der Partei und ihrer Nebenorganisationen wurde beendet. Unter diesen Voraussetzungen hat eine von den Landesinnenministern beauftragte Bund-Länder-Arbeitsgruppe öffentlich zugängliche Materialien zusammengetragen und so verdichtet, dass ein Verbotsverfahren gute Aussichten auf Erfolg hat. Dieser Vorbereitung kann vertraut werden. Der Antrag kommt, anders als der erste Verbotsantrag, ohne V-Leute aus.

Das Grundgesetz legt zu Recht höchste Hürden für das Verbot von Parteien an. Ob diese Hürden zu überwinden sind, ist eine komplexe juristische Frage. Deswegen war es notwendig, beim zweiten Versuch des Verbots der NPD den Antrag des Bundesrates durch die Innenminister der Länder sorgsam zu prüfen. Der Landtag vertraut auf diese sorgsame Prüfung durch die Innenminister.

Die NPD ist seit nunmehr fünfzig Jahren die Konstante und Orientierungsgröße des Rechtsextremismus in Deutschland. Sie verfügt über Organisationsstrukturen in allen Bundesländern und unterhält intensive Kontakte zu neonazistischen gewaltbereiten Kameradschaften. Zwar scheint die NPD derzeit in ihrer Handlungsfähigkeit beschränkt, dieser Zustand ist aber keine Einbahnstraße, die zum Zerfall der Partei führen muss. In den östlichen Bundesländern ist es der NPD mittlerweile gelungen, sich in Teilen der Gesellschaft fest zu verankern. Die Präsenz der NPD in den Landtagen von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern ist Ausdruck dieser Entwicklung. Überdies hat die Geschichte der NPD gezeigt, dass sie in der Lage ist, ihre Organisationsstrukturen wiederzubeleben.

Der Jahresbericht des Niedersächsischen Verfassungsschutzes zeigt, dass auch das drohende Verbotsverfahren zur momentanen Schwäche der NPD beiträgt.[1] Wer also jetzt auf ein Verbot verzichtet, eröffnet der NPD die Möglichkeit, attraktiver zu werden und diesen Zustand zu überwinden. Auch ist die NPD in anderen Bundesländern deutlich besser aufgestellt. Daher ist das Verbot kein symbolischer Akt, sondern konkretes Mittel im Kampf gegen das menschenverachtende Handeln der NPD. Deswegen muss das Verbotsverfahren zu einem erfolgreichen Ende geführt werden.

Gegnerinnen und Gegner des neuen Antrags wollen heute der NPD durch eine Grundgesetzänderung die öffentliche Parteienfinanzierung entziehen. Ob dieser Weg gangbar ist, ist unter Juristinnen und Juristen umstritten. Wo der Vorteil darin liegen soll, dass zukünftig der Bundestagspräsident prüft, ob eine Partei verfassungswidrig ist, ist unklar. Auch diese Entscheidung würde gerichtlich überprüfbar sein. Zudem bleibt fraglich, ob und wie der Bundestagspräsident zu einer sachlich unangreifbaren Entscheidung kommen soll. Der Umfang dieser Prüfung ist zu Recht enorm und daher letztlich besser beim Bundesverfassungsgericht aufgehoben. Eine Grundgesetzänderung zur Bekämpfung einer einzelnen Partei ist auch verfassungspolitisch höchst fragwürdig. Der Verfassungsgesetzgeber ist gut beraten, Grundgesetzänderungen auf das erforderliche Mindestmaß zu beschränken. Das Grundgesetz gibt bereits jetzt ausreichend Möglichkeiten zur Bekämpfung verfassungsfeindlicher Parteien vor.

Auch würde diese Lösung nur ein Teil der Einnahmen der NPD betreffen. Spenden, Mitgliedsbeiträge der knapp 6.000 Mitglieder, das Vermögen und die Einnahmen der Mandatsträgerinnen und Mandatsträger insbesondere der Landtage Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen blieben davon unberührt. Auch andere Vorteile aus dem Parteienprivileg könnte die NPD weiter nutzen.

Rechtsextremes Gedankengut wirkt aber auch ohne NPD weiter. Es bedarf gesellschaftlichen Engagements aller Menschen in diesem Land. Dieses Engagement wird durch die Gesinnungsschnüffelei der Extremismusklausel untergraben. Hier müssen Staat und Gesellschaft Flagge zeigen.

Ein Schwerpunkt der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus muss die Verbesserung der politischen Bildung in Niedersachsen sein. Das Abschaffen der Landeszentrale für Politische Bildung war ein Fehler, der nun korrigiert werden muss. Ebenso muss in Schulen und Betrieben aufgeklärt werden, wie Rechtsextreme heute arbeiten und wie ihrem Hass wirksam entgegengetreten werden kann.

[1] Verfassungsschutzbericht Niedersachsen 2012 – Vorabfassung, Seite 37

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