Antrag: Rahmenkonzept zur Weiterentwicklung der inklusiven Schule

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Die Umsetzung der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist eine der ambitioniertesten Herausforderungen für unser Land. Sie stellt die gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft in den Mittelpunkt und geht von dem Kerngedanken aus, dass nicht die Menschen sich in einen bestehenden Rahmen integrieren müssen, sondern dass die Rahmenbedingungen in der Gesellschaft so zu entwickeln sind, dass alle Menschen in ihrer Verschiedenheit teilhaben können. Der gleichberechtigte und barrierefreie Zugang von Schülerinnen und Schülern, die einen Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung haben, ist Teil eines umfassenden Konzeptes einer inklusiven Schule. Erst wenn alle Menschen in ihrer sozialen und kulturellen Unterschiedlichkeit teilhaben können und anerkannt werden, kann sich die Vielfalt der Begabungen entwickeln und allen Kindern und Jugendlichen erfolgreiches Lernen ermöglicht werden. Dabei ist der Blick auf die Entwicklungschancen eines jeden Kindes das zentrale Element einer Pädagogik der Vielfalt und Ermutigung.

Mit der Verabschiedung des Schulgesetzes von 2012 wurde ein wichtiger Schritt zur Umsetzung des Artikels 24 der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vollzogen. Mit dem Grundsatz, dass alle Schulen inklusive Schulen sind, wird ein umfassender Entwicklungsprozess zur Verwirklichung inklusiver Bildung fortgesetzt. Mit der Novellierung des Schulgesetzes, die zum 01.08.2015 in Kraft getreten ist, wurde die gesetzliche Grundlage für die schulische Inklusion fortentwickelt.

Auf dieser Grundlage soll die Weiterentwicklung der inklusiven Schule gestaltet werden. Diese Umsetzung kann nur gelingen, wenn sie als ein für alle Beteiligten transparenter Prozess gestaltet wird, in den sich alle einbringen können und möglichst alle Akteure mitgenommen werden.

Der Landtag begrüßt die großen Anstrengungen, die die Landesregierung zur Verwirklichung der inklusiven Schule bereits unternommen hat, insbesondere:

  1. das Bewusstsein dafür zu schaffen und zu schärfen, dass es sich auf dem Weg zur inklusiven Gesellschaft um eine umfassende Aufgabe handelt, die nicht allein durch den Einsatz finanzieller Ressourcen bewältigt werden kann,
  2.  die Bereitstellung von insgesamt rund 1,7 Milliarden Euro im Zeitraum von 2016 bis 2020 für die Aufgaben der inklusiven Schule insbesondere durch die Erhöhung der Planstellenansätze seit 2013,
  3. die Bereitstellung zusätzlicher Mittel für die Qualifizierung der Lehrkräfte für die Umsetzung der Inklusion, die jährlich 1,6 Mio. Euro betragen und im MiPla-Zeitraum insgesamt 8 Mio. Euro,
  4. die Erarbeitung von Eckpunkten für die Einrichtung von Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren Inklusive Schule (RZI), die den schrittweisen Aufbau eines landesweit flächendeckenden Netzes von regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren vorsehen und dabei durch regionale Planungsgruppen die Berücksichtigung der regionalen Gegebenheiten ermöglichen,
  5. die Ausweitung der Kapazitäten zur Ausbildung von Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen:
    Seit dem Jahr 2013 wird eine berufsbegleitende Qualifizierung für Lehrkräfte angeboten, die in der sonderpädagogischen Förderung tätig sind und nicht über die Lehrbefähigung für das Lehramt für Sonderpädagogik verfügen.
    Durch die Verdoppelung der Studienplatzkapazitäten in den Masterstudiengängen für das Lehramt für Sonderpädagogik werden ab dem Studienjahr 2017/18 jährlich 460 Studierende ein Studium in Niedersachsen aufnehmen können.
  6. die Entlastung der Schulleiterinnen und Schulleiter an Förderschulen:
    Die Unterrichtsverpflichtung von Schulleiterinnen und Schulleitern an Förderschulen wurde für die Wahrnehmung der Aufgaben eines Förderzentrums ab dem Schuljahr 2014/2015 um drei Unterrichtsstunden ermäßigt.
  7.  das Gesetz über finanzielle Leistungen des Landes wegen der Einführung der inklusiven Schule, das auf eine Einigung mit den Kommunalen Spitzenverbänden über die Inklusionsfolgekosten zurückgeht. Ab 2016 unterstützt das Land die Kommunen mit 30 Mio. Euro.
  8.  den Start einer Studie zur wissenschaftlichen Begleitung der Einführung der Inklusion:
    Mit einer im Jahr 2015 begonnenen Forschungsstudie sollen Gelingensbedingungen, bestehende Herausforderungen und Perspektiven für die Weiterentwicklung der inklusiven Schule ermittelt werden.

Die Verwirklichung der Inklusion in der Schule ist ein kontinuierlicher und langfristiger Prozess. Zur Weiterentwicklung sind insbesondere die folgenden Aufgaben zu bewältigen:

  1. die weitere Klärung des Ziels der inklusiven Schule unter breiter Beteiligung aller AkteurInnen,
  2. die Zusammenarbeit von Regelschullehrkräften, Förderschullehrkräften und den übrigen pädagogischen Fachkräften zu definieren und zu verbessern,
  3. die Klärung der Zukunftsperspektiven für die Leitungen der Förderschulen, deren Schulen auslaufen,
  4. die Weiterentwicklung der Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte und der übrigen pädagogischen Fachkräfte in der inklusiven Schule,
  5. die Weiterentwicklung eines Beratungs- und Unterstützungsangebotes für die Unterrichts- und Schulentwicklung der inklusiven Schule,
  6. die Weiterentwicklung der Verfahren der Ressourcenzuteilung hin zu einer systembezogenen Ressourcenzuteilung.

Der Landtag fordert deshalb die Landesregierung auf, im ersten Quartal 2017 auf der Grundlage der derzeitigen Bestandsaufnahme ein Rahmenkonzept Inklusive Schule zu erstellen und mit einem Zeitplan zu hinterlegen. Das Rahmenkonzept soll ein Zielkonzept für die Arbeit der inklusiven Schule entwerfen, das deutlich macht, wie eine gute Förderung aller Kinder mit ihren jeweils unterschiedlichen Unterstützungsbedarfen gelingen kann. Mit diesem Zielkonzept soll dargestellt werden, welche Bedingungen für dieses Gelingen gegeben sein müssen, und es soll die Rollen und Aufgaben der verschiedenen Beteiligten klären.

Im Rahmenkonzept sollen folgende Bausteine berücksichtigt werden:

Für den Personaleinsatz

  • die Zusammenarbeit von Förderschullehrkräften und Regelschullehrkräften durch eine Dienstvereinbarung zu definieren und zu verbessern,
  • Strategien für die Gewinnung und Qualifizierung des erforderlichen Personals,
  • für die angemessene Entlastung für die Leiterinnen und Leiter von Förderschulen, deren Schülerzahlen zurückgehen, und für angemessene Perspektiven von Leiterinnen und Leiter von aufgelösten Förderschulen zu sorgen,
  • die transparente und bedarfsgerechte Zuteilung und Verwendung der erforderlichen Ressourcen durch Personalentwicklung und Steuerung zu entwickeln.

Für die Schulentwicklung und den Unterricht

  •  die Entwicklung eines Grundsatzerlasses für die Arbeit der inklusiven Schule, der benennt, wie die bedarfsgerechte Förderung aller Schülerinnen und Schüler mit ihren jeweils unterschiedlichen Unterstützungsbedarfen gelingen kann. Dazu gehören auch Regelungen zum Nachteilsausgleich.
  • die Unterstützung der Schulen bei der Einführung der inklusiven Schule durch Handreichungen für die unterschiedlichen Förderschwerpunkte.

Für die Ressourcen

  •  das Verfahren zur Feststellung des Bedarfs an sonderpädagogischer Unterstützung zu entwickeln,
  • eine systembezogene Zuweisung von Ressourcen für die sonderpädagogische Unterstützung an Schulen des Sekundarbereichs 1 zu entwickeln,
  • Möglichkeiten für den schulbezogenen Einsatz von InklusionsassistentInnen in den inklusiven Schulen zu prüfen und zu entwickeln und landesweit verbindliche Qualitätsstandards für den Einsatz von InklusionsassistentInnen zu entwickeln.

Für die Regionalen Strukturen

  • ein Gesamtkonzept für ein innovatives und bedarfsgerechtes Beratungs- und Unterstützungssystem für die inklusiven Schulen zu entwickeln und unter anderem die Einrichtung von regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren auf den Weg zu bringen. Dabei soll auch die Entwicklung regionaler Inklusionskonzepte Berücksichtigung finden.
  • den Mobilen Dienst zu verbessern und weiterzuentwickeln, auch unter Berücksichtigung der Landesbildungszentren.

Für die Fortbildung und Beratung

  • die Qualifizierungsoffensive zur inklusiven Schule weiterzuentwickeln,
  • die an den Erfordernissen der inklusiven Schulen orientierte Weiterentwicklung der Lehreraus- und -fortbildung fortzusetzen.

Für die Rechtlichen Vorgaben

  • die Rolle der Schulen in freier Trägerschaft im inklusiven Schulsystem anzupassen.

Begründung

Die Verwirklichung der Inklusion in der Schule ist eine der größten Herausforderungen der Bildungspolitik. Mit der Schulgesetznovelle von 2012 ist hierfür bereits eine wichtige Grundlage gelegt, die mit der Schulgesetznovelle, die zum 01.08.2015 in Kraft getreten ist, fortentwickelt wurde. Entsprechend der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen haben die Eltern einen Anspruch für ihre Kinder auf Besuch einer inklusiven Schule, und alle Schulen den Auftrag, die Schülerinnen und Schüler inklusiv zu erziehen und zu unterrichten.

Die Umsetzung der Inklusion in der Schule ist jedoch ein langwieriger Prozess. Dieser Prozess kann nur gelingen, wenn er so gestaltet wird, dass für alle Beteiligten optimale Transparenz und Beteiligung gewährleistet ist und wenn Klarheit über die Zielsetzung besteht.

Deshalb ist ein Rahmenkonzept zur Strukturierung dieses Prozesses erforderlich. Dieses Rahmenkonzept muss auf einer Bestandserhebung zum erreichten Stand der Inklusion in der Schule aufbauen.

Dies ist auch erforderlich, um bei den Lehrkräften und den Eltern die Akzeptanz für die inklusive Schule zu stärken. Das Rahmenkonzept soll zugleich deutlich machen, wie die verschiedenen Akteure am Prozess der Umsetzung der Inklusion mitwirken werden.

Das Rahmenkonzept soll die nächsten wichtigen Schritte zur Umsetzung der Inklusion in der Schule beschreiben. Dazu gehören die Entwicklung eines Rahmens für regionale Inklusionskonzepte, mit denen die Schulträger in die Weiterentwicklung der schulischen Inklusion eingebunden werden, die Weiterentwicklung der Struktur der Beratungs- und Unterstützungsangebote für die inklusiven Schulen, die Weiterentwicklung des Steuerungskonzepts für die bedarfsgerechte Zuteilung der erforderlichen Ressourcen und Strategien für die Gewinnung und Qualifizierung des erforderlichen Personals.

Der Prozess der Umsetzung der Inklusion in der Schule muss immer wieder überprüft und nachgesteuert werden.

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