Antrag: Perspektiven für eine strukturelle Entlastung des Landeshaushalts, für die Stärkung der Niedersächsischen Kommunen und für die Förderung von Bildung und Forschung

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Antrag
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Hannover, den 07.12.04

Der Landtag wolle beschließen:
Entschließung
Der Landtag stellt fest:
Der Landeshaushalt wird im Jahr 2005 erneut verfassungswidrig sein. Die Nettokreditaufnahme wird die eigenfinanzierten Investitionen des Landes erneut deutlich überschreiten, obwohl etliche verdeckte Kreditaufnahmen erfolgen. Die Neuverschuldung des Landeshaushaltes incl. des Nebenhaushaltes Hannoversche Beteiligungsgesellschaft (HanBG) steigt gegenüber dem Vorjahr. Zusätzlich müssen in erheblichem Umfang Vermögensveräußerungen zur Haushaltsdeckung erfolgen.
Steigende Pensionslasten werden die Haushalte der kommenden Jahre stark belasten. Diese zukünftigen Verpflichtungen, implizite Schulden, werden im Haushaltsplan nicht ausgewiesen. Die bisherigen Personalabbauprogramme und der jetzt im Rahmen der Verwaltungsreform erfolgende Personalabbau werden nicht ausreichen, die steigenden Pensionslasten aufzufangen.
Der Haushalt des Landes wird im Jahr 2005 auf Kosten der niedersächsischen Kommunen entlastet. Allein über die Zuweisungen des Landes im Rahmen des Kommunalen Finanzausgleichs werden den Niedersächsischen Kommunen 150 Millionen Euro entzogen.
Bildung als originäre Landesaufgabe ist unterfinanziert. Die Kürzungen bei den Hochschulen schwächen den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Niedersachen. Die Schulen haben zu wenig Personal für die Sprachförderung, den Ganztagsbereich und die individuelle Förderung. Im Kindergartenbereich gibt es noch immer kein kostenloses Bildungsjahr für die 5-Jährigen sondern weitere Einsparungen bei der Sprachförderung für 3 – 6-Jährige. Für Kinder unter 3 Jahren fehlen entweder die Betreuungsmöglichkeiten oder sie sind, da wo es sie gibt, oft mangelhaft.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
umgehend folgende Maßnahmen zu ergreifen, um Bildung und Forschung zu fördern, die Kommunen zu stärken, den Landeshaushalt strukturell zu entlasten und damit auch die wirtschaftliche Entwicklung des Landes zu sichern:
1. Investitionen in Bildung und Forschung
Die Landesregierung muss im Bundesrat auf die Abschaffung der Eigenheimzulage hinwirken und die Mehreinnahmen in Bildung und Forschung investieren.
2. Niedersächsische Kommunen stärken
Über die Erweiterung der Gewerbesteuer zu einer kommunalen Wirtschaftssteuer mit einer verbreiterten Bemessungsgrundlage soll zukünftig die Beziehung zwischen Kommune und Wirtschaft gefestigt werden. Eine Reform der Grundsteuer wird zur Stabilisierung der Gemeindefinanzen beitragen und muss auch von Niedersachsen aus befördert werden.
Die Landesregierung ist gefordert, entsprechend ihrer Kürzung des Kommunalen Finanzausgleichs, einen Aufgabenabbau für die Kommunen zu ermöglichen.
3. Reduzierung der Nettokreditaufnahme
Die Landesregierung muss im Bundesrat eine verkehrswertnahe Bewertung von Immobilien unterstützen, um eine gerechte Neuregelung der Erbschaftssteuer zu ermöglichen. Ein weitergehender Subventionsabbau ist im Bundesrat zu unterstützen. Darüber hinaus muss die Landesregierung den Steuerbetrug effektiv eindämmen.
Die Mehreinnahmen sollen zur Verringerung der Neuverschuldung, bzw. zum Schuldenabbau eingesetzt werden.
4. Den Anstieg der Personalausgaben auf Grund steigender Pensionslasten aufhalten
Um langfristig im Personalbereich einen Teil der Kosten nicht weiter in die Zukunft zu verlagern, sollen alle nicht hoheitlichen Aufgaben zukünftig von Angestellten erledigt werden. Dazu gehört auch der Bereich Schule.
Es muss einen weiteren Stellenabbau durch eine Aufgabenüberprüfung in den Verwaltungsbereichen geben, wo dies bisher nicht oder nur in geringem Umfang, wie beispielsweise im Bereich der Polizei, erfolgt ist.
Eine verstärkte gemeinsame Aufgabenerledigung im Verbund der Nordstaaten wird zu Kostenreduzierungen führen.
Frühpensionierungen im öffentlichen Dienst wegen Dienstunfähigkeit müssen eingeschränkt werden. Dabei müssen sowohl die Gesundheitsvorsorge grundlegend verbessert, als auch die bisherigen Regelungen zur Frühpensionierung überprüft und Änderungen der bundesrechtlichen Rahmenbedingungen angestrebt werden.
Die noch bestehenden Altersteilzeitreglungen sollen so nicht fortgeführt werden. Entsprechende rechtliche Änderungen müssen mit dem Ziel vorgenommen werden, die Personalkosten zu senken.

Begründung
Der Landeshaushalt wird immer stärker durch Schulden und Pensionsausgaben belastet.
Im Jahr 2005 wird die Landesregierung zur Deckung der Ausgaben offiziell 2,15 Milliarden Euro neue Kredite aufnehmen. Die Nettoneuverschuldung liegt um ca. 1,3 Milliarden Euro über den vom Land direkt finanzierten Investitionen. Der Haushalt ist damit erneut verfassungswidrig. Während im letzten Haushalt die verdeckte Kreditaufnahme durch die Umstrukturierung der Krankenhaus- und der Städtebaufinanzierung angewachsen ist, kommt jetzt mit der Verschiebung von NORD/LB-Anteilen in die HanBG ein neuer Schatten- bzw. Nebenhaushalt hinzu. Berücksichtigt man die verdeckten Kreditaufnahmen, so steigt die Verschuldung gegenüber dem Vorjahr weiter an. Von verfassungskonformen Haushalten und einem Absenken der Neuverschuldung kann bis auf weiteres nicht die Rede sein.
In seiner letzten Denkschrift stellt der Landesrechnungshof fest: "Die in der Mittelfristigen Finanzplanung des Landes und im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung vorgesehenen Maßnahmen reichen nicht aus, um den weiteren Anstieg der Versorgungsausgaben haushaltswirtschaftlich zu kompensieren." (Drs. 15/1050, S. 160). Die jährlichen Ausgaben des Landes für die Beamtenversorgung werden von zur Zeit 2,15 Milliarden Euro auf 3,64 Milliarden Euro im Jahr 2020 ansteigen.
Mit der Kürzung der Mittel für die Niedersächsischen Kommunen wird nach Aussage des Niedersächsischen Städtetages das Niveau des Kommunalen Finanzausgleichs unter das des Jahres 1992 sinken. Darüber hinaus gibt es weitere Kürzungen des Landes, wie bei der Städtebauförderung und der Sprachförderung, die zu Mehrbelastungen bei den Kommunen führen. Die Kommunen können ihre Pflichtaufgaben nur noch mit immer höheren Kassenkrediten finanzieren.
Dem Land fehlen zunehmend die finanziellen Mittel, um den Bildungsbereich, der in originärer Landesverantwortung liegt, vernünftig zu finanzieren. Die jüngste PISA-Studie zeigt erneut, wie groß der Bildungsnotstand ist. Ausgaben für Bildung stellen eine rentierliche Investition in die Zukunft dar. Es ist daher nicht zu rechtfertigen, dass die Landesregierung erhebliche Mittelkürzungen bei den Hochschulen vorgenommen hat. Im Schulbereich ist es der Landesregierung nicht gelungen ihre Wahlversprechen zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung und der -qualität tatsächlich auch zu halten. Für Sprachförderung, den Ausbau des Ganztagsschulangebotes und der individuellen Förderung von Schülerinnen und Schülern sind keine Mittel vorgesehen. Im Gegenteil: Es gibt weitere Einsparungen im Schulbudget durch die verzögerte Wiederbesetzung von Stellen. Selbst bei den Kindergärten kürzt die Landesregierung. Die Mittel für die Sprachförderung im Elementarbereich werden im Haushalt 2005 um 2,4 Millionen Euro gekürzt. Diese Maßnahmen stellen ein unverantwortliches Handeln dar.
Um den Haushalt strukturell und dauerhaft zu entlasten, Handlungsfähigkeit wiederzugewinnen und Bildung ausreichend zu finanzieren, sind daher tief greifende Veränderungen notwendig.
Zu 1
Durch die Abschaffung der Eigenheimzulage könnten mittelfristig jährlich 250 Millionen Euro Mehreinnahmen im niedersächsischen Landeshaushalt für den Bildungsbereich zur Verfügung stehen. Es ist wissenschaftlich belegt, dass die Eigenheimzulage keine sinnvolle Subvention mehr darstellt. Allerdings sollten die frei werdenden Finanzmittel erneut investiert werden. Heute fehlt jungen Familien nicht angemessener Wohnraum, sondern es fehlen angemessene Bildungschancen. Mit 250 Millionen Euro jährlich können die niedersächsischen Bildungseinrichtungen, vom Elementarbereich bis hin zu den Universitäten entsprechend den Notwendigkeiten weiter entwickelt werden.
Zu 2
Im Bundesrat haben die unionsregierten Länder die umfassenden Vorschläge zur Reform der Gewerbesteuer mit einer Verbreiterung der Bemessungsgrundlage und einem weiteren Abbau von Ausnahmeregelungen abgelehnt. Insgesamt wären mit den von der Bundesregierung vorgeschlagenen Regelungen zusätzliche Steuereinnahmen von rund 2,8 Milliarden Euro erzielt worden. Die Blockade der Unionsmehrheit hat dazu geführt, dass 2,2 Milliarden Mehreinnahmen im Bereich der Gewerbesteuer nicht realisiert werden konnten. Diese Mehreinnahmen müssen in Zukunft möglich gemacht werden.
Inzwischen gibt es erste Modelle zur Reform der Grundsteuer, die eine geeignete Diskussionsgrundlage darstellen. Der Grundsteuer soll künftig eine gewichtigere Rolle bei der Stabilisierung der Gemeindefinanzen zugemessen werden. Dabei müssen die Hebesatzrechte der Kommunen erweitert werden. Die Neuregelungen der Grundsteuer sollen Anreize für einen sparsamen Umgang mit Grund und Boden geben und einen größeren Beitrag zur Mobilisierung von brachliegendem Bauland liefern.
Von der Landesregierung muss bei einer Kürzung des Kommunalen Finanzausgleichs in einem entsprechenden Umfang ein Aufgabenabbau für die Kommunen ermöglicht werden.
Zu 3
Um die öffentlichen Haushalte dauerhaft zu entlasten ist ein über die Eigenheimzulage hinaus gehender Subventionsabbau notwendig. Sowohl die Pendlerpauschale als auch die Steuerbefreiungen für den Luftverkehr sollten in dieser Form nicht länger bestehen bleiben. Die Einnahmen gehen den öffentlichen Haushalten verloren und darüber hinaus sind diese Steuersubventionen ökologisch kontraproduktiv.
Eine stärker an den Verkehrswerten orientierte Bewertung von Vermögen als Grundlage für eine verfassungskonforme Erbschaftsteuer ist längst überfällig. Dazu liegt auch ein Urteil des Bundesfinanzhofs vor. Entsprechende Neuregelungen würden bundesweit zu Mehreinnahmen von ca. 500 Millionen Euro führen, die den Bundesländern zustehen.
Steuerhinterziehung und Steuerbetrug haben ein gigantisches Ausmaß angenommen und höhlen die Steuergerechtigkeit immer weiter aus. Sowohl durch Änderungen bundesgesetzlicher Rahmenbedingungen, als auch durch bessere Kontrollen in Niedersachsen lassen sich erhebliche Steuermehreinnahmen erzielen.
Durch diese Maßnahmen gemeinsam wird es möglich die jährliche Neuverschuldung um ca. 500 Millionen Euro abzusenken.
Zu 4
Mit der bisherigen Beamtenstruktur im öffentlichen Dienst werden die Pensionslasten in die Zukunft verschleppt. Daher ist es notwendig, soweit dies nicht einen streng abgegrenzten Bereich an wirklich hoheitlichen Aufgaben betrifft, zukünftig die Landesbeschäftigten als Angestellte einzustellen. Damit werden die Lasten für die Altersversorgung sofort fällig. Insbesondere eine Umstellung im Bereich Schule wird dazu führen, dass für einen Großteil der neu einzustellenden Landesbeschäftigten Rentenbeiträge zu zahlen sind. Diese zusätzlichen Ausgaben werden durch die unten aufgeführten Maßnahmen mehr als gedeckt.
Die Landesregierung hat für einen Teil der Landesverwaltung die Aufgaben kritisch geprüft und in der Folge Personalabbaumaßnahmen beschlossen. Insbesondere für den Bereich innere Sicherheit hat es bisher keine umfassende Aufgabenüberprüfung gegeben. Dies muss nachgeholt werden.
Die bisherigen Anstrengungen der niedersächsischen Landesregierung für eine gemeinsame Aufgabenerledigung mit den anderen norddeutschen Bundesländern sind nicht ausreichend. Immer wieder kommt die Initiative für eine intensivere Zusammenarbeit aus den anderen Landesregierungen, wie kürzlich aus Hamburg bezüglich einer engeren Kooperation der Steuerverwaltungen. Mittelfristig können durch eine gemeinsame, beziehungsweise abgestimmte Aufgabenerledigung erhebliche Kosten eingespart werden. Insbesondere auch durch einen gemeinsamen Einkauf.
In seiner Denkschrift zur Haushaltsrechnung für das Jahr 2001 hat der Landesrechnungshof am 21. Mai 2003 den Bereich Frühpensionierung aus gesundheitlichen Gründen kritisch geprüft. Die vom Landtag beschlossenen Maßnahmen wurden laut Unterrichtung der Landesregierung (Drs. 15/774) vom 2. Februar 2004 nur teilweise umgesetzt. Hier muss es zu einer besseren Ausschöpfung der Möglichkeiten des Landes kommen, um insbesondere durch Gesundheitsvorsorge und Gesundheitsmanagement die frühzeitige Dienstunfähigkeit zu vermeiden. Mit der Aufhebung der zeitlichen Befristung der Regelung der Teildienstfähigkeit (§26a Beamtenrechtsrahmengesetz) und einer entsprechenden Umsetzung im Niedersächsischen Beamtengesetz wird es zwar auch zukünftig möglich sein, Beamte bei gesundheitlichen Problemen als begrenzt dienstfähig einzustufen und damit teilweise im aktiven Dienst zu belassen. Allerdings gilt dies lediglich dann, wenn der Beamte/die Beamtin seine/ihre Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen kann. Für einzelne Bereiche kann es aber sinnvoll sein, auch dann von einer begrenzten Dienstfähigkeit auszugehen, wenn die Dienstpflicht für einen geringeren als den hälftigen Teil erfüllt werden kann. Eventuelle rechtliche Änderungen auf Bundes- und Landesebene sollten überprüft werden.
Durch die Novellierung des Niedersächsischen Beamtengesetzes im Oktober letzten Jahres wurde die Altersteilzeit neu geregelt und wird nur noch dann gewährt, wenn sie zum Abbau eines Personalüberhanges beiträgt. Nur im Schuldienst gibt es nach wie vor andere Altersteilzeitregelungen. Dazu schreibt der Landesrechnungshof in seiner jüngsten Denkschrift: "Die Fortsetzung der `voraussetzungslosen´ Altersteilzeit für Lehrkräfte verdrängt insbesondere das Rechtsinstitut der begrenzten Dienstfähigkeit und ersetzt dieses durch einen von der tatsächlichen Dienstfähigkeit unabhängigen – finanziell gut abgesicherten - gleitenden Übergang in den Ruhestand. Lehrkräfte werden hierdurch ohne sachlich nachvollziehbaren Grund gegenüber den sonstigen Beamtinnen und Beamten besser gestellt." (Drs. 15/1050, S. 168). Die Altersteilzeitregelungen insgesamt, auch im Bereich des Tarifpersonals, die tarifvertraglich geregelt sind, dürfen angesichts der steigenden Personalkosten so nicht länger bestehen bleiben.

Fraktionsvorsitzender

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