Antrag: Paradigmenwechsel bei Corona-Tests in Niedersachsen überfällig – medizinisches und pflegerisches Personal regelmäßig präventiv testen!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

In der Bekämpfung der Corona-Epidemie hat unsere Gesellschaft zusammengehalten. Mit gelebter Solidarität und viel Rücksicht und dem Einhalten von nachvollziehbaren Regeln haben wir bei der Eindämmung des Virus Fortschritte gemacht. Die Infektionsrate, die wochenlang zum Taktgeber für unser Leben wurde, konnte durch gemeinsame Anstrengung und Entbehrungen so weit abgesenkt werden, dass eine explosive Ausbreitung, die unser Gesundheitssystem zum Kollaps hätte bringen können, bislang verhindert wurde. Und trotzdem: Über 8000 Menschen in Deutschland, davon 572 Menschen in Niedersachsen – Eltern und Großeltern, Familienangehörige und Freund*innen - haben durch Corona bisher ihr Leben verloren. Das mahnt uns auch beim Schritt in eine neue Phase vorsichtig voranzuschreiten.

Wir befinden uns keineswegs am Ende der Krise, sondern am Anfang einer Phase des Lebens mit Corona – einer neuen Normalität, während der wir mit der beständigen Bedrohung des Virus aus-kommen müssen. Ein Rückfall und eine zweite Welle müssen unbedingt verhindert werden. Dafür sind engmaschige und regional angepasste Kontrollen von ganz entscheidender Bedeutung.

Diese Kontrollen sind auch im Gesundheitssystem entscheidend. Denn nach wie vor ist das medizinische und pflegerische Personal einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt. So weist zum Beispiel der Verband der Leitenden Krankenhausärzte Deutschlands e.V. in einer aktuellen Pressemitteilung vom 26. Mai 2020 darauf hin, dass es „für Mitarbeiter im Gesundheitsdienst weiter ein signifikantes Ansteckungsrisiko gibt. Ärzte und Pflegekräfte sowie Mitarbeiter des Rettungsdienstes infizieren sich nach den Zahlen des Robert Koch Instituts (RKI) weiter überdurchschnittlich oft mit SARS-CoV-2. Aktuell sind es täglich immer noch ca. 100 Mitarbeiter bundesweit. Das entspricht ca. 15 Prozent aller Neuinfektionen.“ Der Verband stellt weiterhin fest, dass regelmäßige Testungen der Mitarbeiter*innen für einen „wirksamen Infektionsschutz“ unerlässlich sind.

Der Landtag fordert die Landesregierung vor diesem Hintergrund auf,

  1. umgehend dafür Sorge zu tragen, dass das gesamte medizinische und pflegerische Personal in Ärzt*innenpraxen, in Krankenhäusern, in stationären wie ambulanten Pflegeeinrichtungen — insbesondere auch in der Alten- und Eingliederungshilfe — sowie das Personal im Rettungsdienst im Land Niedersachsen präventiv und regelmäßig auf SARS-CoV-2 getestet wird.
  2. eine Test-Konzeption für die Umsetzung und Evaluation der so genannten Reihentestungen in Kooperation mit den Kommunen und dem Landesgesundheitsamt LGA zeitnah zu erarbeiten und umzusetzen.
  3. für die in (1) beschriebenen Reihentestungen den niedersächsischen Kommunen die dafür notwendigen finanziellen Mittel und Testkapazitäten zur Verfügung zu stellen.
  4. sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass endlich eine Regelung über die Kostenaufteilung zwischen Bund, Ländern und Krankenkassen kommt, wie schon vor einiger Zeit von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, CDU, angekündigt.

Begründung

Präventive Reihentestungen von Menschen ohne Symptome stellen grundsätzlich nur eine Moment-aufnahme dar. Es ist möglich, dass eine vermeintlich negativ getestete Person SARS-CoV-2 in sich trägt oder sich kurz nach einem durchgeführten Test mit dem Virus infiziert. Das Ergebnis bietet keine Sicherheit. Insofern sind Massentests von allen Bürger*innen der Bundesrepublik Deutschland nicht sinnvoll und ohnehin logistisch nicht umsetzbar. Weiterhin ist das Gebot der Stunde für jeden Einzelnen die Abstandsregeln und alle weiteren Vorsichts- und Hygienemaßnahmen streng zu befolgen.

Gleichzeitig gilt es aber die besondere Situation im Gesundheits- und Pflegesystem zu berücksichtigen. Medizinisches und pflegerisches Personal hat ein erhöhtes Ansteckungsrisiko. Sowohl die Mitarbeiter*innen als auch die Patient*innen bzw. Bewohner*innen in Ärzt*innenpraxen, in Krankenhäusern, in stationären wie ambulanten Pflegeeinrichtungen sowie im Rettungsdienst müssen bestmöglich geschützt werden. Reihentestungen können dazu beitragen, einen Fall frühzeitig zu erkennen und können somit einen gefährlichen Ausbruch bzw. die Entstehung eines so genannten „Corona-Hotspots“ verhindern. Sie stellen damit nicht nur ein geeignetes Mittel dar um Mitarbeitende sowie Patient*innen bzw. Bewohner*innen zu schützen, sondern können auch einen Beitrag dazu leisten, das Infektionsgeschehen weiter zu verlangsamen bzw. das Risiko einer zweiten Welle ein Stück weit zu minimieren. Auch wenn Reihentestungen nur eine Momentaufnahme darstellen und keine Sicherheit bieten, müssen in einem derart relevanten und sensiblen Bereich wie dem des Gesundheits- und Pflegesystems, uneingeschränkt alle Anstrengungen unternommen und alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden um Ausbrüche zu verhindern.

Baden-Württemberg weitete Ende April 2020 schon die Testkapazitäten deutlich aus. Minister Manne Lucha dazu: „Neu ist, dass künftig nicht nur Personen mit Corona-Symptomen getestet werden sollen, sondern auch Menschen ohne Symptome, die aber in engem Kontakt zu Infizierten stehen oder zuletzt gestanden sind. Einen deutlichen Schwerpunkt der Testungen setzen wir auf Personen, die in Krankenhäusern oder in der stationären Pflege arbeiten […] damit schützen wir auch die vulnerablen Gruppen." Die grün-schwarze Landesregierung macht in ihrer Pressemittelung vom 26.04.20 deutlich, dass damit künftig über die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) hinaus breit getestet werden soll.

Am 27. Mai veranlasste außerdem die Gesundheitsbehörde Osnabrück alle Pflegekräfte in Stadt und Landkreis Osnabrück zu testen. Dort werden rund 5.000 Mitarbeitende in 152 Alten- und Pflegeheimen einmalig getestet. Ziel der kommunalen Initiative ist es, zukünftige Strategien im Umgang mit dem Covid-19 Virus festzulegen.

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