Antrag: Niedersächsisches Naturerbe bewahren - Der Schutz der niedersächsischen Moore darf nicht vernachlässigt werden
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Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Hannover, den 19.10.04
Der Landtag wolle beschließen:
Entschließung
Der Landtag stellt fest,
dass das Moorschutzprogramm Niedersachsen aus 1981 und 1986 und dessen Aktualisierung aus dem Jahre 1994 erfolgreich war, um die Reste der noch naturnahen Hochmoore einschließlich der Kleinstmoore in Niedersachsen als einmalige Lebensräume für charakteristische und gefährdete Tier- und Pflanzenarten zu bewahren.
Der Landtag stellt allerdings auch fest,
dass seit dem Regierungswechsel 2003 keine Schritte erkennbar sind, die Ziele des Moorschutzprogramms umzusetzen und den Moornaturschutz voranzubringen. Im Gegenteil, die Ausweisung von Moornaturschutzgebieten wurde gestoppt, Naturschutzziele werden zu Gunsten der Interessen der Torfindustrie zurückgenommen.
Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
- sicherzustellen, dass die Ziele des Moorschutzprogramms und der mit Kabinettsentscheidung vom 22.08.1995 festgelegte Schutz landeseigener Moorflächen weiterverfolgt werden und dass eine ausreichende Kontrolle der Umsetzung gewährleistet wird;
- die Entwicklung des Moorschutzgebietssystems "Niedersächsische Moorlandschaft" zwischen Oldenburg und Papenburg auf der Grundlage der im Landes-Raumordnungsprogramm getroffenen Festlegungen voranzubringen. Insbesondere ist durch die umgehende Ausweisung weiterer Moornaturschutzgebiete – unter Einschluss noch im Abbau befindlicher Flächen - der weiteren Zerstörung der verbliebenen Hochmoorflächen wirksam entgegenzutreten bzw. eine spätere Renaturierung abgetorfter Flächen vorzubereiten und diese Flächen dauerhaft für den Naturschutz zu sichern;
- ein Konzept zur Bestandssicherung und Entwicklung der Niedermoore in Niedersachsen vorzulegen. Wie bereits in der Entschließung vom 21.11.2002 vom Landtag gefordert, soll dieses Niedermoorkonzept insbesondere die nachgewiesene Bedeutung der Niedermoore für den Schutz von Trinkwasser, Grund- und Oberflächengewässer, Klima, Boden und Lebensgemeinschaften sowie die Förderung einer nachhaltigen Ressourcennutzung und landschaftsgebundener Erholung einbeziehen;
- ein zukunftsweisendes Konzept "Moorerleben" gemeinsam mit der Region zu entwickeln und zu fördern, um die Chancen des naturverträglichen Tourismus besser zu nutzen.
Begründung
Die Bedeutung des Naturraumes Moor in Niedersachsen ist unbestritten. Seine Einzigartigkeit, die Tatsache, dass jeder menschliche Eingriff Moorlebensräume unwiederbringlich zerstört und die Renaturierung nur den Versuch einer Wiederbelebung einer Industriebrache darstellt, haben schon sehr früh die Forderung nach einem Ausstieg aus der Abtorfung laut werden lassen.
Inzwischen sind die Weißtorfvorräte weitgehend erschöpft. In Niedersachsen wird aber immer noch auf ca. 30.000 ha überwiegend Schwarztorf abgebaut. Forderungen, die Verwendung von Torf im Gartenbau einzuschränken und Torf durch andere Substrate zu ersetzen, wurden nicht ernsthaft aufgenommen. Nirgends in der Bundesrepublik wird in vergleichbarem Umfang Torf abgebaut wie in Niedersachsen. Das Land verfügte von Natur aus über 70 % der Hochmoorflächen in der Bundesrepublik. Der Naturraum "Ostfriesisch-Oldenburgische Geest" war ursprünglich zu etwa 30 % von Hochmooren bedeckt. Weitere große Hochmoorvorkommen waren in der naturräumlichen Region "Stader Geest" vorhanden. Heute stehen nur noch Reste dieser einstigen großen Moorflächen für ein großräumiges Schutzgebietssystem zur Verfügung, das umgehend entsprechend den Festlegungen im Landes-Raumordnungsprogramm umgesetzt werden muss.
Die Bundesrepublik Deutschland ist Unterzeichnerin der Ramsar-Konvention und damit des ergänzenden Protokolls der Brisbane-Konferenz, in dem der Schutz der Moore dringend gefordert wird. Auf der Nachfolgekonferenz in Valencia (Humedales 2002) sind entsprechend die Unterzeichnerstaaten der Ramsar-Konvention zur nationalen Umsetzung eines Global Action Plan for Peatlands aufgefordert worden. Moorschutz ist Teil des Naturschutzes und damit Ländersache, in Deutschland vor allem Sache des Landes Niedersachsen. Der internationalen Verantwortung in Sachen Moorschutz ist Niedersachsen auch im Rahmen der Meldung von Natura 2000-Gebieten nur halbherzig nachgekommen. Der Moorschutz spielte bei der Meldung nicht die exponierte Rolle, die der niedersächsischen Verantwortung im Moorschutz gerecht geworden wäre.
Bereits 1981 (Teil I) bzw. 1986 (Teil II) hat die damalige Landesregierung das Niedersächsische Moorschutzprogramm beschlossen. Die Reste der intakten Hochmoore einschließlich ihrer als Grünland genutzten Randbereiche sollten nach der Zielsetzung dieses Programms als Naturschutzgebiete ausgewiesen werden, und damit vor weiterer Zerstörung durch Torfabbau bewahrt werden. Auf abgetorften Flächen sollte nicht mehr die Folgenutzung Landwirtschaft, sondern die Folgenutzung Naturschutz zur Regel werden, um hier nach Möglichkeit eine Regeneration der Moorflächen einzuleiten. Es ist festzustellen, dass die Geschwindigkeit der Moorzerstörung durch dieses Schutzprogramm gemindert, und Erfolge zu verzeichnen sind, aber bisher nur unzureichend eine systematische Entwicklung des Schutzes der niedersächsischen Moorlandschaft erfolgt ist.
Bereits ab 1990 wurde die Einrichtung eines "Moorschutzgebietssystems zwischen Oldenburg und Papenburg" diskutiert und von den Behörden des Landes inhaltlich vorbereitet. Dieser Bereich umfasst einen ca. 20 Kilometer breiten Streifen nördlich des Küstenkanals zwischen Papenburg und Oldenburg. In diesem Raum sind ca. 3000 ha als Naturschutzgebiet ausgewiesen.
Die Entwicklung der niedersächsischen Moorlandschaft, die Wiederherstellung und Wiedervernässung von abgetorften Flächen, mehr Naturschutz in der Region Nord-West muss einhergehen mit einer Regionalentwicklung, die mit Naturschutzzielen zu vereinbarende Erwerbsmöglichkeiten für die dort lebenden Menschen eröffnet. Naturschutz ist nicht nur Aufgabe von Fachleuten und den engagierten Verbänden und einzelnen Menschen. Naturschutzverbände, Kommunen und viele Einzelpersonen haben sich mit ihrem Einsatz für den Erhalt dieser einzigartigen Flora und Fauna und für die Renaturierung von Moorflächen große Verdienste erworben. Der Naturschutz braucht jedoch eine noch breitere Unterstützung, um bei der Umsetzung seiner Ziele weiter voranzukommen. Naturschutz kann nur dann als Gemeinschaftsaufgabe der Menschen in einer Region aufgenommen werden und die ihm - von niemanden bestrittene - Bedeutung erlangen, wenn die soziale und wirtschaftliche Entwicklung in der Region mit der Entwicklung im Naturschutz zusammengeführt wird. So können vertragliche Vereinbarungen zwischen Naturschutzstellen und Landwirten mit der entsprechenden Entlohnung der Landwirte, die die Pflege von Naturschutzflächen übernehmen oder bereit sind eine den Anforderungen des Naturschutzes angepasste extensive Bewirtschaftung von landwirtschaftlich genutzten Moorflächen durchzuführen, einen wichtigen Beitrag zum Erhalt von bäuerlich strukturierten landwirtschaftlichen Betrieben leisten.
Im Rahmen der regionalen Entwicklung ist ein Ziel der Ausbau eines naturverträglichen Tourismus. Die schon bestehende "Deutsche Fehnroute", die mit dem Fahrrad sowie zu großen Teilen auch mit dem Boot befahren werden kann, stellt bereits ein sehr attraktives touristisches Angebot dar, dass vorbildlich mit den Zielen des künftigen Schutzgebietssystems in Einklang steht. Die Anrainergemeinden des Vogelschutzgebietes Esterweger Dose, dessen Ausweisung als Naturschutzgebiet durch den Umweltminister persönlich verhindert wird, haben eine naturverträgliche Fahrradroute zum Thema Moor als Einstieg in einen sanften Tourismus etabliert. Projekte eines naturverbundenen und regional angepassten Fremdenverkehrs wie z.B. "Boot&Bike" sollten intensiviert werden. Damit könnte das ehemalige "Fehnprogramm" in sinnvoller und naturverträglicher Weise weitergeführt werden. Naturerleben und Umweltbildung lassen sich in diesem Raum hervorragend miteinander verbinden.
Der Torfabbau läuft, nach Genehmigungslage, ca. 2030 in Niedersachsen aus. Die wirtschaftliche Bedeutung der Torfindustrie hat in den letzten Jahren abgenommen. Die Torfabbaumengen sind zwar seit Jahren konstant hoch, aber es wurden Arbeitskräfte in erheblichem Umfang abgebaut. Landesweit sind immer weniger Menschen im Torfabbau und bei Erdenwerken beschäftigt, davon ein hoher Anteil an Saisonkräften. Die Regionalentwicklung im Weser-Ems Raum muss daher auf die Schaffung zusätzlicher dauerhafter Arbeitsplätze ausgerichtet werden. Ein Schutzgebietssystem "Niedersächsische Moorlandschaft" kann hierzu einen substanziellen Beitrag leisten.
Ohne einen nachhaltigen Schutz der Gebiete bleiben die Moore jedoch auf Dauer Spekulationsobjekte wirtschaftlicher Interessen, die nicht im Einklang mit der Natur stehen.
So fördert der eigentlich für den Schutz der Moore zuständige Minister durch sein massives Eintreten gegen Naturschutzgebietsausweisungen zunehmend längst überwunden geglaubte Begehrlichkeiten aus der Landwirtschaft und der Torfwirtschaft. Eine nachhaltige Regionalentwicklung, die auf den Charakter der Moorlandschaften aufbaut, kann aber auf den Schutz der Moore nicht verzichten.
Fraktionsvorsitzender