Antrag: Niedersachsen und Europa zusammendenken - für eine Politik mit europäischem Weitblick!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

Niedersachsen braucht ein lebenswertes Europa, in dem sich alle Menschen und Staaten als vollwertige Mitglieder fühlen. Deshalb muss Europa sozialer werden, die Einheit und das Miteinander sind zu fördern und alle sind dabei mitzunehmen. Es ist höchste Zeit, die Gemeinschaft wieder zu betonen, schwächere Mitglieder zu unterstützen, Solidarität zu pflegen und so die EU zu stärken. Die Menschen in Europa und ihren Regionen, die Menschen in Niedersachsen brauchen ein lebenswertes Europa und lokale Bezüge zu diesem Europa. Die Menschen in Niedersachsen brauchen eine niedersächsische Politik, die Europa im Blick hat und beides zusammendenkt: Niedersachsen und Europa.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  1. dafür Sorge zu tragen, dass Menschen, die im Zuge der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Niedersachsen kommen, hier bei uns menschenwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen vorfinden;
  2. das angekündigte Klimaschutzgesetz für Niedersachsen vorzulegen, bis spätestens 2030 vollständig aus der Kohleverbrennung auszusteigen und sich für eine EU des Klimaschutzes einzusetzen, in der Kohle- und Atomkraft keinen Platz mehr haben,
  3. mehr in Kunst und Kultur sowie grenzüberschreitende Kulturprojekte zu investieren und kulturelle Teilhabe als zentrales Element der Demokratieförderung verstärkt in den Blick zu nehmen;
  4. landeseigene Programme zur Flüchtlingsaufnahme (wieder-)aufzulegen und sich - auch auf Europa- und Bundesebene - für einen umfassenden Familiennachzug stark zu machen, um legale Wege für Verfolgte in die EU zu eröffnen. Niedersachsen muss Zeichen für humanitäre Hilfe setzen und sich zur Aufnahme von aus Seenot Geretteten bereiterklären. Die Landesregierung soll sich zudem auf Europa- und Bundesebene für die deutliche Ausweitung von Relocation, also der Weiterverteilung von Geflüchteten innerhalb der EU, einsetzen.
  5. eine bäuerliche, standortangepasste Landwirtschaft, die regionale Wertschöpfung fördert, den ländlichen Raum als Ganzes stärkt und den gesellschaftlichen Mehrwert einer umweltgerechten Bewirtschaftung honoriert, zu unterstützen und sich für eine Umschichtung zugunsten einer ökologischen Landwirtschaft mit mehr Tierwohl und Naturschutz einsetzen, statt die EU-Mittel für eine industrielle Landwirtschaft auszugeben;
  6. sich für mehr Steuertransparenz in Niedersachsen und der EU und die europaweite Besteuerung von CO₂, Plastik und des spekulativen Handels mit Finanzprodukten einzusetzen sowie die grenzübergreifenden Möglichkeiten des Landes zur Steuerfahndung konsequent zu stärken.

Begründung

Zu 1.: Niedersachsen sollte sich stark machen für gemeinsame, europäische Arbeits- und Sozialstandards. Niedersachsen hat eine Verantwortung für Arbeitnehmer*innen aus anderen europäischen Ländern; das gilt nicht nur in der Pflege oder in niedersächsischen Schlachthöfen. Die Skandale um kranke Schlachthofmitarbeiter*innen zeigen, dass die Landesregierung ihrer Verantwortung nicht nachkommt.

Die Pflegearbeit in Niedersachsen wird zu einem erheblichen Teil durch Arbeitsmigration innerhalb der EU bewältigt. Die Abwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland darf nicht dazu führen, dass der Pflegekräftemangel in Mitgliedstaaten mit niedrigerem Lohnniveau exportiert wird. Abgeworbene Pflegekräfte und Ärzt*innen müssen vor Ausbeutung geschützt und fair entlohnt werden.

Zu 2.: Das angekündigte Klimaschutzgesetz hat die Landesregierung noch immer nicht vorgelegt. Um die Klimaerwärmung unter 2 Grad zu halten, brauchen wir eine Strom- und Wärmeversorgung, die konsequent auf Erneuerbare Quellen umgestellt ist. Ein europaweit verbindlicher und die wahren Kosten wiedergebender CO2-Preis würde hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Europa verfügt über ein großes Potential beim Ausbau der Erneuerbaren Energien, das noch deutlich besser genutzt werden kann. Gerade in Niedersachsen, dem Bundesland mit den größten Atommüll-Problemen, wird deutlich: Der EURATOM-Vertrag muss das Ende der Atomkraftnutzung zum Ziel haben – hierfür muss sich die Landesregierung verstärkt einsetzen.

Zu 3.: Investitionen in grenzüberschreitende Kulturprojekte fördern die Verständigung und die Demokratie. Es gilt, die Vielfalt der europäischen Kultur zu bewahren.

Zu 4.: Menschen suchen weiterhin mit guten Gründen in Europa und Deutschland Schutz vor Verfolgung, Gewalt und Krieg. Zum Schutz ihrer Menschenrechte muss die Landesregierung dafür eintreten, legale Zugangswege in die EU zu unterstützen, etwa über Programme zur Flüchtlingsaufnahme und einen umfassenden Familiennachzug.

Relocation ist deutlich auszuweiten. Zu diesem Zweck müssen endlich die europäischen Beschlüsse zur solidarischen Umverteilung von Geflüchteten, die Europa über sehr häufig angesteuerte Staaten wie Griechenland oder Italien erreicht haben, auf andere europäische Staaten umgesetzt werden. Es geht dabei nicht nur um Gerechtigkeit und Ausgleich zwischen den EU-Mitgliedstaaten, sondern zentral auch um den Schutz der Menschenrechte der Geflüchteten.

Hinsichtlich der Aufnahme von aus Seenot Geretteten hat Niedersachsen im Sommer 2018 im Fall der „Lifeline“ ein gutes Beispiel gegeben. Niedersachsens Kommunen stehen für solche Aufnahmen bereit. Immer mehr Kommunen erklären sich im Rahmen der Initiative Seebrücke zu sicheren Häfen und bieten aus Seenot Geretteten einen Zufluchtsort. Landes- und Bundesregierung brauchen dieses Angebot nur anzunehmen.

Zu 5.: Eine Agrarförderung, die sich in erster Linie an der Größe der landwirtschaftlichen Fläche orientiert, führt zum Höfesterben und stellt die industrielle Landwirtschaft in den Mittelpunkt. Statt dem Prinzip „Wachse oder Weiche!" zu folgen, muss sich die Landesregierung dafür einsetzen, eine bäuerliche, standortangepasste Landwirtschaft zu unterstützen, die regionale Wertschöpfung fördert und den ländlichen Raum als Ganzes stärkt. Pauschale Flächenprämien sollten im Laufe der kommenden Förderperiode vollständig auslaufen und die frei werdenden Mittel in vollem Umfang zugunsten von Kleinbetrieben, mehr Umweltschutz und mehr Tierwohl umgelenkt werden.

Zu 6.: Steuergerechtigkeit muss auch im internationalen Kontext durchgesetzt werden. Niemand darf sich seiner Verantwortung durch Steueroasen und aggressive Steuervermeidung entziehen. Daher brauchen wir Transparenz über Steuern, die Konzerne und andere vermögende Vehikel in einzelnen Ländern zahlen sowie ein global transparentes Handelsregister. Steueroasen, die illegalen Waffenhandel finanzieren, Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung ermöglichen gehören aufgelöst. Statt Steuerdumping braucht es endlich einen fairen europäischen Wettbewerb, von dem auch niedersächsische Unternehmen profitieren können: In einem ersten Schritt muss eine gemeinsame konsolidierte Bemessungsgrundlage für die Besteuerung von Unternehmen im Binnenmarkt geschaffen und im zweiten Schritt die europäische Unternehmenssteuer eingeführt werden.

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