Antrag: Niedersachsen mit einem Zukunftshaushalt für schwierige Zeiten fit machen – Grüne Konzepte bis 2013
Der Landtag wolle beschließen:
Entschließung
Der Landtag stellt fest:
Mit dem vorgelegten Haushaltsplanentwurf 2009 bleiben die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen von CDU und FDP die Antworten auf die drängenden Probleme unserer Zeit schuldig. Mit diesem Entwurf ist der niedersächsische Landeshaushalt weder für die Auswirkungen der Finanzmarktkrise und des Klimawandels, noch für die Verbesserung des niedersächsischen Bildungssystems, das weder gerecht noch besonders leistungsfähig ist, gerüstet. Damit wird das solidarische Zusammenleben in unserem Land gefährdet. Gerade angesichts der Finanzmarktkrise und ihren Folgen für die Realwirtschaft muss in die Bereiche investiert werden, die Menschen und Land zukunftsfähig machen. Bildung, Wissenschaft und Forschung müssen dabei ebenso im Zentrum stehen, wie die Elemente einer konsequenten Klimapolitik: Energieeinsparung, Energieeffizienz und erneuerbare Energien.
Mit den Strategien und Prioritäten von gestern, bei denen die schwarz-gelbe Landesregierung weiterhin verharrt, lässt sich die Zukunft nicht erfolgreich gestalten.
Der Landtag fordert die Landesregierung auf:
Die niedersächsische Landesregierung muss sich ihrer Verantwortung stellen und die erforderlichen Anpassungen im Landeshaushalt unverzüglich vornehmen. Als Konsequenz für die verschiedenen Handlungsebenen von Politik und Wirtschaft in Niedersachsen ist jetzt ein wirkungsvolles Krisen-Interventionsprogramm für das Land aufzustellen. Folgende Eckpunkte sind für diese Vorsorgepolitik zu beachten:
- Der Haushaltsentwurf 2009 und die dazugehörige Mittelfristige Finanzplanung 2008-2012 sind Makulatur. Daher ist eine sehr kritische, umfassende Neubewertung bisheriger Finanzierungsschwerpunkte erforderlich. Sämtliche vermeintlich oder tatsächlich unverzichtbaren Zukunftsinvestitionen im Land müssen auf den Prüfstand gestellt werden, um das tatsächlich Unverzichtbare vom Aufschiebbaren oder gar Verzichtbaren zu unterscheiden.
- Wir brauchen dringend eine klare und eindeutige Prioritätensetzung für Bildung. Dazu gehören grundlegende strukturelle Reformen und größere finanzielle Anstrengungen für Bildungsgerechtigkeit. Ohne sie können die strukturellen Probleme des niedersächsischen Bildungssystems nicht behoben werden.
Dabei geht es um einen massiven qualitativen und quantitativen Ausbau der vorschulischen Bildungs- und Betreuungsangebote, um die vollständige Umsetzung eines hochwertigen Ganztagsschulangebotes und um Verbesserungen bei der Studienfinanzierung und bei der Qualität der Hochschule. Bei der Finanzierung muss die gesamtstaatliche Verantwortung für diese Aufgabe eingefordert werden. Dafür sind u. a. Initiativen zur Umwandlung des auslaufenden Solidaritätspaktes in einen sogenannten Bildungssoli und die Abschaffung des Ehegattensplittings zugunsten von Bildungsinvestitionen notwendig. - Klimaschutz ist eine unverzichtbare Daueraufgabe jeder politischen Ebene zur Sicherung der globalen wie regionalen Zukunftsfähigkeit. Die langfristige Rentabilität dieser Investitionen ist wissenschaftlich bestätigt. Darüber hinaus bieten Investitionen in den Ausbau der erneuerbaren Energien sowie den sparsamen und effektiven Energieeinsatz bei tendenziell steigenden Energiepreisen auch kurz- und mittelfristige Amortisation. Sie passen außerdem hervorragend in die Abfederungsmaßnahmen, die durch die Banken- und Konjunkturkrise erforderlich werden.
- Für die Wirtschafts- und Arbeitsmarktförderung des Landes sind an die neue Lage angepasste Schwerpunkte festzulegen. Ein klassisches Konjunkturprogramm mit der Gießkanne ist allerdings abzulehnen. Es würde nach allen Erfahrungen auch bei einem enormen Ressourceneinsatz allenfalls Strohfeuerwirkung entfalten. Erforderlich sind nachhaltige Maßnahmen im Sinne der vorgenannten Punkte. So sind Maßnahmen der energetischen Modernisierung im Bestand wirkungsvoller und effektiver als punktuelle Neuinvestitionen. Contracting- und Partnerschaftsmodelle können die Wirkung begrenzter öffentlicher Mittel vervielfältigen. Konjunkturanreize sind konsequent mit Investitionen in Bildung und Klimaschutz zu verbinden, zielgenau auf Handwerk und Mittelstand auszurichten und durch die Entlastung niedriger Einkommen (Progressivmodell) zu fördern.
- Die im Konjunkturabschwung angespannte soziale Situation darf nicht durch Haushaltseinsparungen bei den Sozialleistungen des Landes verschärft werden. Eine Verbesserung durch eine Fokussierung der Mittel auf die bedürftigen Menschen (Armutsbekämpfung) ist anzustreben.
- Trotz der vergangenen quantitativen Kürzungen im Personalhaushalt hält der Kostendruck in diesem Bereich an, insbesondere durch die massiv steigenden Versorgungslasten. Mit der Reföderalisierung des öffentlichen Dienstrechts sind strukturelle Änderungen umzusetzen, die mittelfristig dieses Wachstum begrenzen. Dabei soll die Angleichung der Systeme von Angestellten und Beamten handlungsleitend sein.
- Um den öffentlichen Haushalten Handlungsspielraum zurückzugeben, ist ein absolutes Schuldenverbot, wie es die Landesregierung anstrebt, abzulehnen. Das Grüne Konzept der Schuldenbremse lässt den Landeshaushalt mit der wirtschaftlichen Entwicklung "atmen". Investitionen, die nachweislich das öffentliche Vermögen in der Zukunft steigern, sollen weiterhin über Kredite finanziert werden können. Wenn die Wirtschaft boomt und die Steuereinnahmen sprudeln, muss ein Teil der Einnahmen zwingend für schlechtere Zeiten zurückgelegt werden. Langfristig dürfen die Ausgaben die Einnahmen nicht übersteigen.
Begründung
Bankenkrise und Konjunktureinbruch wirken bereits unmittelbar auf die öffentlichen Haushalte. Dies ist die Folge ungebremster Spekulationen und gleichzeitig fehlender Regulierung und mangelhafter Aufsicht über die Finanzmärkte. Insbesondere Union und FDP haben jahrelang auf Deregulierung gesetzt; die Bundesregierung hat bis zuletzt behauptet, die Erschütterungen im internationalen Bankensektor würden Deutschland nicht erreichen. Eine ähnliche Argumentationslinie hat auch die niedersächsische Landesregierung verfochten. So erklärte Finanzminister Möllring noch am 09.10.08 in der Plenar-Fragestunde: "Bisher hat die internationale Finanzmarktkrise keine konkreten negativen Auswirkungen auf Niedersachsen gehabt. Bisher wurde der Landeshaushalt nicht durch Hilfen für Kreditinstitute belastet; dies ist auch nicht zu erwarten."
Die Neuverschuldung des Bundes wird wegen der Finanzkrise im kommenden Jahr mit 18,5 Milliarden Euro deutlich höher ausfallen als geplant (10,5 Milliarden Euro). Das Gutachten des Sachverständigenrates zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung liefert eine dramatische Situationsbeschreibung. Die Experten prognostizieren für das Jahr 2009 den Stillstand des Wirtschaftswachstums und sprechen von einer Rezession. Die Arbeitslosenzahlen werden wieder steigen, die Zahl der Erwerbstätigen sinken und die Inlandsnachfrage zurückgehen. Im Vergleich zu den vorangegangenen Prognosen von Bundesregierung und Wirtschaftsforschungsinstituten, die noch ein Mini-Wachstum von 0,2% vorausgesagt hatten, ist diese aktuelle Lageeinschätzung nochmals pessimistischer. Aus den korrigierten Wachstumsprognosen lassen sich Steuermindereinnahmen für Niedersachsen von über 400 Mio. € in 2009 ableiten. Beim Haushaltsentwurf 2009 treten deutliche Risiken zu Tage, die sehr zügig die Finanzplanung zum Einsturz bringen können. Die Mittelfristige Planung 2008-2012 des Finanzministers beruht auf realen bundesweiten Wachstumsraten, die nach Einschätzung aller Experten so nicht mehr zu halten sein werden. Für die Auswirkungen des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes und des Konjunkturprogrammes der Bundesregierung auf den Landeshaushalt trifft Finanzminister Möllring fahrlässigerweise keine Vorkehrungen.
Den größten Kostenfaktor des Landeshaushaltes bilden mit mehr als 10 Mrd. € die Ausgaben für das aktive Personal und die Versorgungsausgaben. Bis 2011 werden diese Ausgaben um weitere 849 Mio. € steigen. Die Landesregierung hat zwar angekündigt, 2010 einen Pensionsfonds einzurichten, um die steigenden Versorgungsausgaben in den Griff zu bekommen, macht dies aber abhängig von einer Null-Neuverschuldung. Die ist jedoch nicht erst seit der Finanzmarktkrise in weite Ferne gerückt. Wir wollen die Reföderalisierung des öffentlichen Dienstrechts dazu nutzen, die notwendigen Maßnahmen umzusetzen, die zu einer dauerhaften Begrenzung des Wachstums im Personalhaushalt führen werden. So unterstützen wir z. B. die Forderung des Landesrechnungshofes nach Abschaffung des Familienzuschlags der Stufe 1 (jährliche Einsparung ca. 117 Mio. Euro). Wir stimmen den Ausführungen des Landesrechnungshofes zu, dass dem Familienzuschlag der Stufe 1 "ein traditionelles Familienbild mit dem verheirateten Beamten als Alleinverdiener zugrunde liegt, dessen Ehefrau nicht berufstätig ist und sich ausschließlich um den Haushalt kümmert. Diese Leitbild entspricht nicht mehr der gesellschaftlichen Wirklichkeit" (Reföderalisierung des öffentlichen Dienstrechts, Nds. LRH 2008, S. 9). Ein generelles Stellenhebungsprogramm, wie es die Landesregierung vorsieht, lehnen wir ab. Um Härten für die Betroffenen abzufangen, werden wir unser Stellenhebungsprogramm auf die Besoldungsgruppen bis einschließlich A9 konzentrieren.
Die Regierungsfraktionen haben in ihrem Änderungsantrag zum Haushalt 2009 die letzten "freien" Haushaltsmittel zusammengekratzt, um ein Sammelsurium unterschiedlichster Begehrlichkeiten umzusetzen. Die Gegenfinanzierung dieser Maßnahmen beruht im Wesentlichen auf Minderausgaben beim Tiefwasserhafen (17,5 Mio. €) und beim Digitalfunk (15 Mio. €), die in den nächsten Haushaltsjahren nachfinanziert werden müssen.
Gegen diesen konzeptionslosen Vorschlag setzen wir ein Grünes Krisen-Interventionsprogramm:
Bereich Bildung: Zur Bildungsfinanzierung haben wir bereits ein Konzept vorgestellt, dass die Grundlage für deutlich höhere Investitionen in Bildung und Ausbildung in Niedersachsen für die Jahre 2009 bis 2013 bildet. Dabei werden wir auf eine gemeinsame Strategie aller Bundesländer und des Bundes setzen, um Mittel für gute Bildung bereitzustellen. Die Grünen haben mit dem Bildungssoli, der Reform der Erbschaftsteuer und der Abschaffung des Ehegatten-Splittings dazu auf Bundesebene konkrete Finanzierungsvorschläge gemacht. Mit diesen Mitteln können wir in Niedersachsen u. a. in die frühkindliche Bildung (199 Mio. Euro) investieren, den Ausbau unserer Schulen zu Ganztagsschulen voranbringen (über 90 Mio. Euro) und die Studiengebühren (75 Mio. Euro) abschaffen.
Bereiche Wirtschaft/Arbeitsmarkt und Klimaschutz: Um die Binnenkonjunktur in Niedersachsen kurzfristig durch vermehrte öffentliche und private Zukunftsinvestitionen zu stabilisieren, wollen wir u. a. auf einen Landtagsneubau verzichten. Die vorgesehenen Mittel von ca. 50 Mio. Euro sollen über eine PPP-Contracting-Gesellschaft in die Modernisierung und energetische Sanierung der landeseigenen Gebäude fließen. Statt auf die Realisierung der umstrittenen Y-Trasse im Jahr 2020 zu warten, wollen wir die dafür vorgesehenen Landesmittel von jährlich 5 Mio. Euro für die nächsten 10 Jahre in ein niedersächsisches Schienenausbau-Programm investieren, um eine schnelle Lösung für die Güterverkehrssteigerungen anzubieten. Wir fordern weiterhin die Umwandlung des Wirtschaftsförderfonds in einen Klima-Innovationsfonds, um damit vor allem Branchen im Bereich der regenerativen Energieerzeugung und Effizienzwirtschaft zu unterstützen. Damit setzen wir auch in der Wirtschaftsförderung auf den Schwerpunkt Klimaschutz. In den Fonds werden zusätzlich 15 Mio. Euro aus der Wasserentnahmegebühr eingespeist. Die Gebühr für Entnahmen aus oberirdischen Gewässern und Grundwasser für Kühlung (z. B. für Atomkraftwerke) werden wir dazu verdreifachen. Diese Mittel sollen in Projekte fließen wie z. B. die Einrichtung von 100 Bioenergiedörfern und den Ausbau von Kraft-Wärme-Kopplung.
Umsetzung: Im Gegensatz zum ambitionslosen Regierungsentwurf wollen wir ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, um der Finanzkrise und dem Klimawandel zu begegnen, in Bildung zu investieren und das solidarische Zusammenleben in unserem Land zu fördern.
Umgesetzt werden soll das durch diesen Perspektivantrag, der begleitet wird von folgenden Einzelanträgen der verschiedenen Fachbereiche:
Mehr Lehrerinnen und Lehrer für Niedersachsen - Zugänge zur Lehramtsausbildung ausbauen und zukunftsfähig gestalten (Drs. 16/418);
Kinderarmut bekämpfen - Konkretes Handeln statt Ankündigungen und unverbindlicher Bundesratsentschließungen (Drs. 16/429);
Qualität der frühkindlichen Bildung in Niedersachsen verbessern - Ausstattungsstandards für Kindertagesstätten anheben (Drs. 16/507);
Reform der Erbschaft- und Schenkungssteuer (Drs. 16/539);
Maßnahmenpaket zur Stabilisierung des Finanzmarktes nachbessern - Finanzmärkte ordnen und reformieren - besserer Verbraucherschutz für Kleinanleger (Drs. 16/596);
Diskriminierung und Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen aus Einwandererfamilien im Bildungssystem abschaffen - Alle Talente fördern und Chancen endlich nutzen! (Drs. 16/604);
Kluge Investitionen in kluge Köpfe: Mehr Geld für die Hochschulen - weniger Kosten für die Studierenden! (Drs. 16/606)
Orientierungshilfe für lebenslanges Lernen schaffen - Modellprojekte für Bildungsberatung einrichten (Drs. 16/651)
Niedersachsens wirtschaftspolitischer Interventionsplan nach der Bankenkrise
Fraktionsvorsitzender