Antrag: Natürliche Geburt stärken und fördern

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen                                                                    
Fraktion der SPD

 

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

Fast jedes dritte Kind kommt mit einem Kaiserschnitt zur Welt. Die Kaiserschnittraten haben sich auch in Niedersachsen in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt und lagen 2011 mit 32,9 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Nach Aussagen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind nur 10 bis 15 Prozent dieser Eingriffe medizinisch notwendig. Darüber hinaus kann ein Kaiserschnitt für Mutter und Kind zahlreiche körperliche und psychische Folgen haben. So geben neue Studien Hinweise auf mögliche gesundheitliche Nachteile für Kinder, die per Kaiserschnitt geboren wurden.

Die Kaiserschnittraten in Niedersachsen sind je nach Region, aber auch von Krankenhaus zu Krankenhaus sehr unterschiedlich und liegen unabhängig von Altersstruktur oder Bildungsstand der weiblichen Bevölkerung zwischen 26 und 43 Prozent.

Die Ursachen für diese Entwicklung sind vielfältig. Vieles deutet jedoch darauf hin, dass die ausgeprägten regionalen Unterschiede daher resultieren, dass je nachdem, wie ein Krankenhaus organisiert ist, der Entscheidungsspielraum unterschiedlich bewertet wird, so dass de facto bei Vorliegen einer relativen Kaiserschnitt-Indikation in manchen Krankenhäusern häufiger als in anderen ein Kaiserschnitt durchgeführt wird.

Der Landtag begrüßt in diesem Zusammenhang die bereits angelaufene Kampagne der Landesregierung zur Reduzierung der Kaiserschnittraten und zur Förderung der natürlichen Geburt. Hier wird das Verständnis für die Geburt als natürlichem Vorgang gefördert und die persönliche Entscheidungsfindung und das Vertrauen werdender Mütter in ihre Gebärfähigkeit gestärkt.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  1. diese Kampagne zielgerichtet fortzuführen, die Beratungsangebote für Frauen und werdende Eltern mit Unterstützung bspw. der MHH als deutschem Studienzentrum im Rahmen des Projekts „OptiBIRTH“ durch Öffentlichkeitsarbeit sowie mittels Initiierung eines Modellversuchs „Hebammensprechstunde“ auszuweiten, damit die Kooperation von Frauenärzten und Hebammen bei der Schwangerenbetreuung verbessert werden kann.
  2. sich für den Aufbau weiterer Hebammenkreissäle in Niedersachsen einzusetzen.
  3. in den Gesundheitsregionen Niedersachsens regionale Diskussionsforen zu Fragen der natürlichen wie auch der interventionsarmen Geburt und dem Thema Kaiserschnitt anzuregen.
  4. Initiativen zur Überarbeitung des Mutterpasses zu entwickeln, um die Kriterien für eine Risikoschwangerschaft genauer zu definieren.
  5. sich beim Bundesministerium für Gesundheit für eine gemeinsame Leitlinienentwicklung aller an der Versorgung und Betreuung von Frauen in Schwangerschaft, Geburt und Nachsorge beteiligten Fachverbände einzusetzen sowie die Leitlinie zur Indikation einer Sectio weiter zu entwickeln, um die Entscheidungssicherheit des Fachpersonals zu erhöhen.
  6. in den medizinischen Ausbildungsgängen dafür Sorge zu tragen, den Wissens- und Kompetenzverlust rund um die natürliche Geburt aufzuhalten.
  7. die niedersächsischen Krankenhäuser zu veranlassen, die beim strukturierten Dialog zwischen den Geburtskliniken und dem Sozialministerium genannten Zahlen zu Kaiserschnittraten regelmäßig zu veröffentlichen.
  8. sich auf Bundesebene für Maßnahmen einzusetzen, die der betriebswirtschaftlichen Attraktivität von Kaiserschnittentbindungen gegenüber Vaginalgeburten entgegenwirken.

 Begründung

Schwangerschaft und Geburt sind natürlicher Bestandteil des Lebens. Dennoch wird vor allem der Geburtsvorgang zunehmend als Risiko begriffen, der Anteil natürlicher Geburten sinkt. Die Kaiserschnittraten in Niedersachsen haben sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt. Nahezu jede dritte schwangere Frau lässt ihr Kind durch einen Kaiserschnitt entbinden. Während dieser in früheren Jahren nur im Notfall bei z. B. Beckenendlagen oder Mehrlingsgeburten durchgeführt wurde, scheint heutzutage die Angst vor dem natürlichen Geburtsvorgang zuzunehmen.

Faktoren für diese Entwicklung sind u. a. die verstärkte Wahrnehmung und veränderte Bewertung von medizinischen Risiken, eine veränderte Versorgungsstruktur und -organisation sowie ein auf beiden Seiten gestiegenes Sicherheitsbedürfnis.. Kaiserschnitte führen betriebswirtschaftlich nicht automatisch zu Mehreinnahmen, allerdings sorgen insbesondere geplante Kaiserschnitte aus Sicht der Klinik für einen nahezu optimal möglichen Ressourcen- und Personaleinsatz.

Hier darf aber auch das mit der Verbesserung der beruflichen Situation der Hebammen einhergehende Ziel, die natürliche Geburt besser zu vergüten, nicht aus dem Blickwinkel geraten. Die europaweite Studie OptiBIRTH richtet sich an Frauen, die nach einer ersten Kaiserschnittgeburt das zweite Kind natürlich gebären möchten.

Ein Kaiserschnitt stellt nach wie vor einen erheblichen operativen Eingriff dar, der keineswegs ohne Risiken ist. Nicht selten spielen Verunsicherung, Angst und die Sorge um die Gesundheit des Kindes bei der Entscheidung gegen eine natürliche Geburt eine entscheidende Rolle. Dem sollte mittels Information, Aufklärung, Beratung und Unterstützung entgegengewirkt werden. Alle hier relevanten Akteure sind aufgefordert, ihre Kompetenzen in enger Kooperation zu bündeln. Eine ausgewogene Aufklärung und Beratung der werdenden Mütter und Eltern sind unerlässlich, um eine selbstbestimmte Entscheidung pro oder contra Natürliche Geburt oder Kaiserschnitt zu unterstützen.

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