Antrag: Missstände in Schlachthöfen: Systemfehler beheben

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Fraktion der FDP

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

In deutschen Schlachthöfen werden jährlich 755 Millionen Tiere, davon ca. 65 Millionen Säugetiere und ca. 690 Millionen Geflügel, geschlachtet. Nicht nur bei der Haltung von Nutztieren sondern gerade auch auf Schlachthöfen muss der Tierschutz eine besondere Rolle spielen, damit diesen Tieren bis zu ihrem Lebensende jegliches vermeidbare Leid erspart bleibt. Dies erfordert einen erheblich höheren Zeitaufwand als bisher, der entsprechend entlohnt werden muss.

Die in jüngster Vergangenheit bekannt gewordene Missstände haben aufgezeigt, dass in den besonders tierschutzrelevanten Bereichen in den betroffenen Schlachthöfen Handlungsbedarf und Verbesserungspotential besteht. So kann zum Beispiel der routinemäßige Einsatz von elektrischen Treibern nicht hingenommen werden. Auch muss es das Ziel sein, die Rate an Fehlbetäubungen vor dem Töten und Schlachten auf Null zu reduzieren. Entlang der Prozesskette sind manchmal durch kleine Veränderungen schon große Fortschritte für das Tierwohl zu erreichen. Für die Einhaltung vorgeschriebener Tierschutzanforderungen sind die staatlichen Kontrollbehörden verantwortlich. Ein Versagen der Kontrollinstanzen ist nicht entschuldbar.

Es gilt die kleineren und mittleren Schlachthöfe zu erhalten, um auch auf diesem Wege, durch das Vermeiden unnötiger Tiertransporte und die Verringerung der Transportwege, eine Tierwohlverbesserung zu gewährleisten.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf sicherzustellen,

  1. dass in Schlachthöfen deutlich verbesserte Arbeitsbedingungen mit angemessenen Zeitabläufen ohne Akkordarbeit geschaffen werden,
  2. dass verpflichtende Schulungen im Bereich des Tierschutzes und des Umgangs mit den Tieren für die Schlachthofmitarbeiter, die entlang der Schlachtkette arbeiten, eingeführt werden,
  3. dass das Töten stets nur bei vollständig betäubten Tieren stattfindet,
  4. dass eine ausreichende Mindestwartezeit zwischen dem Entblutungsschnitt und der Weiterverarbeitung festgelegt und eingehalten wird,
  5. dass flächendeckende standardisierte Schlachthofüberprüfungen eingeführt werden,
  6. dass eine Rückübertragung der Aufgabenwahrnehmung der Überwachung von den Kommunen an das Land geprüft wird,
  7. dass amtliche Tierärztinnen und Tierärzte zur Überwachung landkreisübergreifend rotierend eingesetzt werden,
  8. dass bei festgestellten Tierschutzverstößen unverzüglich und konsequent gehandelt wird,
  9. dass Sanktionen für Tierschutzvergehen so ausgestaltet werden, dass eine Abschreckungswirkung erzielt wird,
  10. dass eine standardisierte und verpflichtende Zulassung und Kontrolle von Betäubungsgeräten eingeführt wird,
  11. dass eine Bündelung der gesamten relevanten Tier- und Halterdaten organisiert wird, um zielgerichtet, schnell und unbürokratisch einen Austausch wichtiger Informationen zu gewährleisten,
  12. dass bei der Genehmigung neuer Schlachthöfe die Betreiber angewiesen werden, eine den Tieren angepasste Gebäudeführung und Beleuchtungskonzeption einzuhalten,
  13. dass eine Förderung angeboten wird, mit deren Hilfe diese Ziele auch bei Bestandsgebäuden umzusetzen sind,
  14. dass der Erhalt auch kleiner und mittlerer Schlachtbetriebe möglich ist, um unnötige Transportwege für die Tiere zu vermeiden,
  15. dass unter Einhaltung des Datenschutzes gezielt Videoüberwachung durch die Kontrollbehörden eingesetzt wird.

Des Weiteren fordert der Landtag die Landesregierung auf, sich mit einer Bundesratsinitiative dafür einzusetzen, dass künftig Alternativen zur CO2- Betäubung wissenschaftlich untersucht und weiterentwickelt werden, und bei vorliegenden Alternativmethoden konkrete Schritte eingeleitet werden, die zu einem Umstieg auf diese Methoden führen, wie dies das EU-Recht bereits vorsieht.

Begründung

Die aufgedeckten Tierschutzverstöße in niedersächsischen Schlachthöfen im Herbst 2018 haben systematische Fehler sowohl bei der Behandlung der Tiere durch Mitarbeitende der Schlachthöfe selbst, als auch in der Überwachung der Abläufe im Rahmen amtlicher Kontrollen, aufgedeckt. Diese Einschätzung hat sich in den folgenden Beratungen des niedersächsischen Landtags bestätigt und dringenden Handlungsbedarf offenbart. Ausdruck fand dies insbesondere in der Anhörung des Agrarausschusses in der Sitzung vom 21.11.2018. Aufbauend auf die Ergebnisse dieser Anhörung wurde der Ursprungsantrag um eine Reihe von weiteren Punkten ergänzt.

Aspekte, wie die Wahrung des Tierschutzes, stressfreie Abläufe, qualifizierte Mitarbeiter, deutlich verbesserte Arbeitsbedingungen und eine wirkungsvolle Überwachung müssen eine stärkere Beachtung finden. Zudem bedarf es einer eindeutigen Rechtsgrundlage nach der die amtlichen Tierärzte nicht nur für die Lebensmittelsicherheit, sondern auch für die Einhaltung des Tierschutzes zuständig sind. Die Arbeit in den Schlachtbetrieben muss ständig unter dem Aspekt des Tierwohls und nach dem aktuellsten Stand der Forschung in technischer Hinsicht weiterentwickelt werden. Besonders in der Schlachtung handelt es sich um anspruchsvolle und verantwortungsvolle Aufgaben die entsprechend entlohnt werden müssen. Verpflichtende Schulungen für Mitarbeiter können durch die entstandenen Videoaufnahmen unterstützt werden. Die geforderte Videoüberwachung darf jedoch nicht zu einer Totalüberwachung führen und die Arbeitsbedingung in den Schlachthöfen noch verschärfen. In den verpflichtenden Schulungen muss auch über den korrekten Umgang mit dem elektrischen Treiber unterrichtet werden. Es muss genau definiert werden, ab wann der elektrische Treiber Anwendung findet. Während der Fortbildung muss u.a. ein Fokus auf praktikable, tiergerechte und für die Tiere stressfreie Alternativen zum Treiben gelegt werden. Eine einwandfreie Betäubung der Tiere muss gewährleistet sein. Zur Sicherstellung des Todes fällt darunter auch eine verpflichtende Mindestwartezeit nach dem Entblutungsschnitt, bevor das Schwein der Brühanlage zugeführt wird.

Durch die Bündelung von relevanten Informationen, kann ein zielgerichteter, schneller und unbürokratischer Austausch wesentlicher Informationen erfolgen und würde zu einer wirkungsvollen Unterstützung der Amtstierärzte führen. Eine Vereinheitlichung der durchgeführten Kontrollen und eine höhere Kontrolldichte zur lückenlosen Überprüfung von Schlachthöfen sind nur durch flächendeckende standardisierte Überprüfungen zu gewährleisten.

Wenn die Gebäudeführung der Schlachthöfe an den Instinkt der Tiere angepasst ist, ist ein möglichst langer Verbleib in der Herde sichergestellt. Dadurch werden die Tiere animiert sich zu bewegen und der direkte Einsatz von den Mitarbeitern wird reduziert. Durch den Erhalt kleinerer und mittlerer Schlachthöfe ist eine weitere Verbesserung des Tierwohls gewährleistet. Unnötige Tiertransporte würden so vermieden und Transportwege kurz gehalten werden.

Zurück zum Pressearchiv