Antrag: Mehr Sachlichkeit beim Umgang mit dem Wolf – Weidetierhaltung wirksam fördern und unterstützen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Wolf war in Folge von Bejagung jahrzehntelang ausgestorben. Mittlerweile ist der Wolf zurück in Niedersachsen: Erste Einzeltiere wanderten aus Osteuropa zu, im Jahr 2012 wurden auf dem Truppenübungsplatz Munster erstmals Wolfswelpen geboren.

Die Rückkehr des Wolfs ist ein Erfolg für den Artenschutz. Der Wolf gilt zudem als „Gesundheitspolizei“ des Waldes. Das Wildtier verursacht aber auch erhebliche Konflikte mit der Weidetierhaltung. Die Sicherheit des Menschen steht immer an erster Stelle. Alle Hinweise auf Gefährdung von Menschen und auf Risse von Nutztieren sind schnellstmöglich aufzuklären.

Das Land muss die naturverträgliche und tierfreundliche Weidetierhaltung in Niedersachsen fördern und erhalten. Betriebe mit Weidetierhaltung befinden sich aufgrund der einseitig ausgerichteten Agrarförderung in einer wirtschaftlich schwierigen Situation, da der Mehraufwand der Weidehaltung derzeit weder durch den Markt noch durch öffentliche Mittel angemessen honoriert wird. Nach der ersatzlosen Streichung der Grünlandprämie und den Verzicht auf eine Weideprämie für Schafe, Ziegen und Rinder durch Ministerin Barbara Otte-Kinast hat sich die Situation der Weidetierhaltenden unabhängig vom Wolf deutlich verschärft. Zusätzliche Kosten für Herdenschutz und Verluste durch Wolfsrisse müssen daher vom Land vollständig übernommen werden, wie es die EU jetzt auch erlaubt. Bei den überwiegend kleinen und familiengeführten Betrieben wiegt jeder Wolfsriss ökonomisch und emotional schwer und kann ohne Hilfe zur existenzbedrohenden Frage werden. Die Rückkehr des Wolfes erfordert einen flächendeckenden und standortangepassten Herdenschutz, um die Weidetierhaltung zu sichern. Die Europäische Kommission hat im November 2018 entschieden, dass Investitionen in Vorsorgemaßnahmen zum Schutz von Weidetieren zu 100 Prozent durch die Länder finanziert werden können, ohne dass dies als unzulässige Beihilfe gilt. Auch Kosten, die Weidetierhaltern und -halterinnen in Folge von Wolfsrissen entstehen, können künftig zu 100 Prozent erstatten werden. Dies gilt beispielsweise für Tierarztkosten und Arbeitskosten. Dies ist für Niedersachsen unverzüglich umzusetzen. Für die Küsten- und Deichregionen sind geeignete Herdenschutz-Modelle weiter zu erproben und zu entwickeln.

Umwelt- und Landwirtschaftsministerium müssen sich auf eine gemeinsame Linie für den Umgang mit dem Wolf verständigen. Es ist zwingend notwendig, dass die entscheidenden Maßnahmen im Land umgesetzt und nicht durch Appelle an den Bund aufgeschoben werden.

Der Landtag lehnt eine Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht als nicht zielführend ab und stellt fest, dass wolfsfreie Zonen ebenso wie die Forderung nach einer Bestandsregulierung dem geltenden Naturschutzrecht widersprechen

Um den Schutz der Weidetierhaltung und einen möglichst konfliktarmen Umgang mit dem Wolf zu erreichen müssen Probleme ernst genommen und zeitnah einer Lösung zugeführt werden. Statt Populismus ist mehr Sachlichkeit von allen Seiten dringend geboten.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, folgende Verbesserungen zur Unterstützung der Weidetierhalterinnen und Weidetierhalter zu ergreifen:

  1. Die ökologisch wertvolle Weidetierhaltung mit einer Weideprämie zu fördern und dafür jährlich 30 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen,
  2. Die Förderung von wolfssicheren Zäunen auch für Hobbyhalter und Hobbyhalterinnen unverzüglich auf 100 Prozent zu erhöhen und die Unterhaltskosten für Herdenschutzhunde und -esel zu bezuschussen,
  3. Folgekosten von Nutztierrissen sind den betroffenen Halterinnern und Haltern zu 100 Prozent zu erstatten. Dabei sind Entschädigungszahlungen mit Augenmaß umzusetzen: Sind Hobbyhalter und Hobbyhalterinnen erstmals von Wolfsrissen betroffen, ist eine pauschale Entschädigung zu zahlen, auch wenn noch kein wolfsabweisender Schutz vorhanden war. Bei der weiteren Umsetzung der Schutzmaßnahmen muss eine enge Beratung insbesondere durch landwirtschaftlichen Sachverstand erfolgen.
  4. Das Entschädigungsverfahren bei Nutztierrissen zu beschleunigen. Eine Billigkeitsleistung ist in Zweifelsfällen auch dann zu zahlen, wenn der Wolf als Verursacher eines Risses nicht ausgeschlossen werden kann.
  5. Weidetierhalterinnen und -halter dürfen in Folge von Wolfsrissen auch in Zukunft nicht durch Cross-Compliance-Sanktionen zusätzlich belastet werden, die Regelungen des rot-grünen Erlasses von 2017 sind diesbezüglich beizubehalten.
  6. Die Beratung der Herdenschutzmaßnahmen und die Abwicklung der Fördermaßnahmen auf die Landwirtschaftskammer zu übertragen.
  7. Das angekündigte Herdenschutzteam weiter auszubauen, um Tierhalterinnen und Tierhalter bei Präventionsmaßnahmen von Wolfsrissen besser und schneller unterstützen zu können.
  8. Die Pilotprojekte für den Herdenschutz am Deich weiter voranzutreiben, um geeignete Schutzmaßnahmen und Schutzsysteme für die Küstenregionen zu erproben und umzusetzen.

Der Landtag fordert die Landesregierung zudem auf, das Wolfsmanagement an die aktuellen Anforderungen weiterzuentwickeln:

  1. Die Verwaltungsabläufe zu optimieren, um schnell reagieren zu können, wenn auffällige Wölfe durch wiederholte Annäherung an den Menschen oder eine wiederholte Überwindung von wolfssicheren Zäunen eine Gefahr darstellen.
  2. Die Grundlagen des Wolfsmanagements des Landes sind in einem Wolfskonzept darzustellen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
  3. Im Rahmen des Wolfsmonitorings auch transparent darzustellen, in welchen Regionen Wolfsrudel durch illegale Abschüsse, Verkehrsunfälle oder Abwanderung wieder verschwunden sind.
  4. Eine realistische Prognose und Berichterstattung zur Entwicklung der Wolfszahlen nach dem Vorbild Sachsen-Anhalts zu erstellen, die auch häufige Todesursachen wie Verkehrsunfälle einbezieht
  5. Mindestens 30 Stellen für ein Freiwilliges Ökologisches Jahr im Bereich Herdenschutz zu schaffen, um Weidehaltung und Naturschutz zu fördern.

Begründung

Der Wolf ist eine naturschutzfachlich streng geschützte Art. Nach allen vorliegenden Einschätzungen von Bund und EU ist der Erhaltungszustand des Wolfes trotz der positiven Entwicklungen der letzten Jahre weiterhin als ungünstig einzuschätzen. Allein in Niedersachsen sind seit 2015 42 Wölfe durch illegale Abschüsse oder Verkehrsunfälle ums Leben gekommen.

Eine Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht bietet keinen erkennbaren Nutzen für den Umgang mit dem Wolf. Als naturschutzfachlich streng geschützte Art müsste der Wolf einer ganzjährigen Schonzeit unterliegen, gleichzeitig würde die Entnahme problematischer Wölfe durch zusätzliche, jagdrechtliche Hürden und bürokratische Abläufe erschwert.

Das Errichten eines wolfssicheren Schutzes stellt insbesondere für Hobbyhalter eine große Herausforderung dar. Anstatt Weidetierhalterinnen und Tierhalter für das Fehlen eines solchen Schutzes einfach nur zu sanktionieren, müssen Tierhalter beim Herdenschutz bestmöglich unterstützt und beraten werden.

Mit dem Runderlass „Tierschutz und Cross Compliance, Schutz von Nutztieren vor Raubtieren“, hat die rot-grüne Landesregierung am 9.1.2017 klargestellt, dass ein wolfssicherer Schutz, wie in der „Richtlinie Wolf“ beschrieben, nicht die (Mindest-)Anforderungen zur Einhaltung der tierschutzrechtlichen Erfordernisse darstellt. Das Fehlen eines wolfssicheren Schutzes gilt also nicht unmittelbar als CC-Verstoß.

Nach Angaben des Wolfsmonitorings der Landesjägerschaft sind in Niedersachsen derzeit 20 Wolfsrudel nachgewiesen. Auf der Website www.wolfsmonitoring.com sind zu jedem der aufgeführten Rudel weitergehende Informationen dokumentiert. Zu Cuxhaven ist nachzulesen, dass aktuell nur ein einzelner Wolf im Territorium bestätigt ist: „Rudel mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr existent“. Dennoch wird das Cuxhavener Rudel weiter als eines von 20 Rudeln aufgeführt. Auch das Rudel Munster/Bispingen wird weiterhin aufgeführt, obwohl das Wolfsmonitoring dokumentiert, dass die nachgewiesene Fähe 2017 im Straßenverkehr ums Leben kam. Die beiden Welpen, die von der Mutter noch gesäugt wurden, wurden wenige Tage später tot aufgefunden.

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