Antrag: Lebensmittel-Herkunftskennzeichnung verbessern - regionale Wertschöpfung stärken

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Information und Transparenz sind grundlegende Voraussetzungen für eine bewusste Kaufentscheidung der Verbraucherinnen und Verbraucher. Um diese Transparenz weiter zu erhöhen, strebt Niedersachsen in Zusammenarbeit mit dem Bund eine verbesserte Kennzeichnung von Lebensmitteln an. Dies betrifft neben den Inhaltsstoffen und der Herstellungsweise auch und insbesondere die Herkunft der Lebensmittel. 

Niedersachsen ist durch unterschiedlichste Naturräume und landwirtschaftliche Nutzungen geprägt. Die Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung regionaler und regionstypischer Lebensmittel stärkt örtliche Wertschöpfungsketten und kann darüber hinaus für eine starke Identifikation mit der jeweiligen Heimatregion sorgen. Solche typischen landschaftlichen Regionen zu identifizieren und durch eine klare und transparente Lebensmittelkennzeichnung bekannter zu machen, hilft bei der Vermarktung charakteristischer, lokaler Produkte. In diesem Zusammenhang gilt es, die in der Ernährungsstrategie festgehaltenen Empfehlungen auf ihre Umsetzbarkeit hin zu untersuchen, um die gezielte Wahl der Verbraucherinnen und Verbraucher zu erleichtern. 

Leider ist dies zurzeit noch nicht für alle niedersächsischen Produkte ohne Weiteres möglich. So ist beispielsweise nach dem Deutschen Weinbaugesetz die Rebpflanzung zur Weinerzeugung genehmigungspflichtig, und es sind keine ausgewiesenen „Weinanbaugebiete“ in Niedersachsen festgelegt. Eine regionale Kennzeichnung ist nicht ohne Weiteres möglich, sodass lokal erzeugter niedersächsischer Wein meist nur unter dem Label „Deutscher Wein“ vermarktet werden kann.

Die mit dem europäischen Green Deal angestrebten Klimaziele betreffen alle Bereiche. Tierhaltung und Feldfrüchte klimafreundlicher zu bewirtschaften, ist eine große Herausforderung. Die Möglichkeiten zur Reduzierung von klimaschädlichen Gasen im Bereich der Ernährung geht aber zu wesentlichen Teilen über den Ausstoß innerhalb der Bewirtschaftung hinaus. Eine isolierte Betrachtung innerhalb der Hofgrenzen ist deshalb, wenn auch zwingend erforderlich, nur begrenzt zielführend.

Die „Farm-to-Fork“-Strategie erkennt diesen Umstand an und bezieht daher den Konsum bzw. die Verschwendung von Lebensmitteln ein. Hier darf und kann die Betrachtung aber nicht aufhören. Auch kürzere Transportstrecken, Regionalität und Saisonalität unserer Ernährung tragen zu einer klimafreundlicheren Landwirtschaft bei. Im freien EU-Binnenmarkt und auch im Zusammenhang mit getroffenen Handelsabkommen ist hierauf nur begrenzt regulativ Einfluss zu nehmen. Leider lassen sich die Klimawirkungen von Produkten häufig schwer nachvollziehen, und bestehende Siegel unterschiedlicher Hersteller sorgen aufgrund unterschiedlichster Kriterien selten für Klarheit. Vor diesem Hintergrund begrüßt der Landtag, dass das niedersächsische Verbraucherschutzministerium auf der Verbraucherschutzministerkonferenz im Juni 2023 einen Antrag für eine einheitliche und transparente Angabe des CO2-Fußabdrucks eingebracht hat und bereits in die Förderung der universitären Forschung in diesem Bereich eingestiegen ist.

Transport, Regionalität und Saisonalität sind nicht nur aus klimatischen Gründen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen wichtig, sondern auch wesentliche Faktoren für die wirtschaftliche Stabilität und die Markt-Fairness zwischen den Erzeuger*innen. Hier müssen die Verbraucher*innen die Möglichkeit haben zumindest ihren eigenen Ansprüchen entsprechend konsumieren zu können.

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Dies erkennt der Rat der europäischen Union in seinen Schlussfolgerungen zur „Farm to Fork“-Strategie an und begrüßt „die Initiative der Kommission, für bestimmte Erzeugnisse eine bessere Ursprungs- oder Herkunftskennzeichnung anzustreben“.

Aktuelle Vorgaben zur Lebensmittel- und Herkunftskennzeichnung sind größtenteils durch Verordnungen auf europäischer Ebene geregelt, insbesondere durch die EU-Lebensmittel-Informationsverordnung 1169/2011 und die Durchführungsverordnung der Europäischen Kommission (EU) Nr. 1337/2013. In dem erstgenannten Rechtsakt ist u. a. vorgegeben, dass das Ursprungsland bei den meisten frischen Obst- und Gemüsearten, Eiern, Fisch sowie frischem, gekühltem oder gefrorenem Fleisch von Schwein, Schaf, Ziege und Geflügel angegeben werden muss.

Daneben sind hier auch Vorgaben zur Lesbarkeit der Angaben auf Verpackungen definiert. Als einer der Gründe wird angeführt, dass die Etiketten von Lebensmitteln klar und verständlich sein sollten, um Verbraucher*innen zu unterstützen, die sich auf der Grundlage besserer Informationen für bestimmte Lebensmittel und die gewünschte Ernährungsweise entscheiden möchten.

Der Landtag bittet die Landesregierung,

  1. zur Förderung der Regionalität und ökologischen Landwirtschaft in Niedersachsen, Kriterien für ein Niedersächsisches Biosiegel zu entwickeln und dieses unter Berücksichtigung finanzieller Auswirkungen bei der EU notifizieren zu lassen,
  2. die bereits in die Wege geleiteten Bestrebungen zur Entwicklung und Erprobung eines umfassenden, staatlichen Klima-Labels weiterzuverfolgen und konstruktiv zu begleiten, um Konsumentinnen und Konsumenten die Möglichkeit zu bieten, die Ernährung klimafreundlicher zu gestalten, den Landwirtinnen und Landwirten die Aussicht auf ein faireres Preisniveau zu eröffnen und zudem als Anreiz für lebensmittelverarbeitende Betriebe zu wirken,
  3. die regionale Kennzeichnung und Vermarktung für in Niedersachsen produzierte Weine zu ermöglichen.

Der Landtag bittet die Landesregierung, sich auf Bundesebene

  1. mit Nachdruck für die zeitnahe Ausweitung des kürzlich beschlossenen staatlichen TierwohlLabels auf alle Tierarten und Vermarktungswege einzusetzen,
  2. dafür stark zu machen, dass sich die Bundesregierung weiterhin auf EU-Ebene für eine Ausweitung der Vorgaben zur verpflichtenden Herkunftslandkennzeichnung auf weitere Lebensmittel, insbesondere Milch und Milchprodukte sowie Fleisch als Zutat einsetzt,
  3. für eine Evaluierung der europaweiten Vorgaben zur Mindestschriftgröße auszusprechen, sodass relevante Informationen auch unmittelbar bei der Kaufentscheidung bewusst wahrgenommen werden können,
  4. dafür einzusetzen, dass die Bundesregierung auf EU-Ebene für eine Erweiterung der verpflichtenden Vorgaben am Produkt / der Verpackung auf die Kennzeichnung im Ladenregal wirbt und hier neben dem Preis auch das Herkunftsland deutlich aufgeführt werden muss,
  5. für hohe Standards in Bezug auf Deutlichkeit und Verbreitung der Kennzeichnung bei bestehenden und kommenden bundes- oder europaweiten Kennzeichnungspflichten zu Tierwohlaspekten wie Geburts-, Aufzuchts- und Schlachtort einzusetzen,
  6. für eine klarere Kennzeichnung von Honig einzusetzen und diesbezüglich das Bundeslandwirtschaftsministerium dabei zu unterstützen, im Rahmen der geplanten Änderung der EU-Vermarktungsnormen für landwirtschaftliche Erzeugnisse eine anteilsmäßige Angabe der Herkunftsländer verpflichtend vorzuschrieben,
  7. für den Fall nationaler Umsetzungsmöglichkeiten zur deutlichen Herkunftskennzeichnung im Sinne der voranstehenden Punkte, auf eine schnellstmögliche Realisierung innerhalb bestehender Spielräume - insbesondere in Bezug auf Herkunftsregionen und Größe der Angabe - zu dringen. 

Der Landtag lobt darüber hinaus die Kennzeichnung von verarbeiteten Produkten mit dem NutriScore als einfaches und europaweites System zur Nährwertkennzeichnung und begrüßt die beschlossene Weiterentwicklung des Systems im Hinblick auf die Überarbeitung des Algorithmus.

Begründung

Die „Niedersächsische Ernährungsstrategie“ wurde in einem mehrmonatigen Prozess von fast 30 verschiedenen Institutionen gemeinsam erarbeitet und im Dezember 2021 vom niedersächsischen Landwirtschaftsministerium offiziell vorgestellt. Das zugrunde liegende Leitbild der Strategie ist „ein zukunftsfähiges Ernährungssystem, das eine gesundheitsfördernde und nachhaltigere Ernährung ermöglicht“. Um dieses umzusetzen, wurden eine Vielzahl an konkreten Handlungsfeldern und Maßnahmen identifiziert. Ein wichtiger Baustein ist dabei eine transparente Kennzeichnung, die es Konsument*innen ermöglicht, sachlich fundierte Kaufentscheidungen zu treffen.

Viele Verbraucher*innen möchten sich klimabewusst ernähren oder aus anderen Gründen regional und nachhaltig konsumieren. Die Lieferwege gehören als Teil unserer Ernährungswirtschaft selbstverständlich zum individuellen ökologischen Fußabdruck hinzu. Selbst wenn innerdeutsche bzw. innereuropäische Lieferwege klimaneutral gestaltet werden, bleibt der außereuropäische CO2-Ausstoß in den Drittländern in unserer Verantwortung und gehört zum ökologischen Fußabdruck unseres Konsums. Negativbeispiel für eine nicht aussagekräftige Kennzeichnung, die den Konsumentinnen und Konsumenten wenig Informationen bietet, ist Honig. Häufig findet sich die Herkunftsangabe „Mischung von Honig aus EU-Ländern und Nicht-EU-Ländern“ auf dem Etikett, die keinerlei Rückschlüsse auf die tatsächlichen Herkunftsländer zulässt. Aktuell wird diesbezüglich von der Europäischen Kommission an einer Überarbeitung gearbeitet.

Eine gute Möglichkeit, den Kauf von gleichsam regionalen wie ökologisch nachhaltigen Produkten zu fördern, ist die Einführung eines niedersächsischen Bio-Siegels. Regionale, bei der EU notifizierte Bio-Siegel gibt es mittlerweile in rund der Hälfte aller Flächenländer in Deutschland. Dabei stammen die Produktrohstoffe aus dem jeweiligen Bundesland und auch alle Produktionsschritte müssen dort erfolgen. Hessen startete im Jahr 2010 als erstes Land und garantiert seither mit dem Label eine nachvollziehbare regionale Herkunft über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg, und das bei Einhaltung der Standards des ökologischen Landbaus. Neben Hessen haben mittlerweile Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ein solches Siegel eingeführt. Dabei gehen die Vorgaben teilweise über die Vorschriften der EU-Bio-Verordnung hinaus und orientieren sich eher an den Standards der Anbauverbände. Hier wäre zu prüfen, welche Kriterien, wie beispielsweise eine Transportbegrenzung auf maximal vier Stunden, ein Verbot der Fütterung mit Fischmehl oder der Einsatz von Nitritpökelsalz bei verarbeiteten Produkten, in ein spezifisch niedersächsisches Siegel Eingang finden könnten. 

Da regionale Label aufgrund unterschiedlicher Zutaten und Produktionsschritte, insbesondere bei verarbeitenden Lebensmitteln, nicht immer anwendbar sind, sollte zumindest die Herkunftsregion der Hauptbestandteile auf der Ware so verzeichnet sein, dass sie die gewünschte Kaufentscheidung vereinfacht. Dabei ist zu beachten, dass die jeweiligen Informationen auch wahrgenommen werden können.

In der Erwägung der Gründe zur Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 verweisen EU-Parlament und -Rat darauf, dass Studien gezeigt haben, „dass gute Lesbarkeit eine erhebliche Rolle dabei spielt, wie stark sich die Kunden durch die Informationen auf den Etiketten beeinflussen lassen, und dass eine unleserliche Produktinformation eine der Hauptursachen der Unzufriedenheit der Verbraucher mit Lebensmitteletiketten ist“. 

Ein ganz grundsätzliches Problem stellt sich bei Herkunftskennzeichnung niedersächsischer Weine. Lange Zeit war die Neupflanzung von Weinreben zur Vermeidung von Überproduktion EU-weit verboten. Seit dem Jahr 2016 gibt es ein neues Genehmigungssystem der EU, was nunmehr auch für Niedersachsen den Weinbau erlaubt. Seither wurden knapp 40 ha Anbaufläche für Weinreben bewilligt, wobei der Schwerpunkt der Flächen im Osten Niedersachsens insbesondere in den Kreisen Göttingen, Uelzen und Gifhorn liegt, die gut ein Drittel der Anbaufläche auf sich vereinen. Da der Begriff der „Weinanbaugebiete“ gesetzlich geschützt ist und solche für Niedersachsen bisher nicht festgelegt wurden, sind regionale Bezeichnung rechtlich nicht möglich, da auch der Verweis auf regionale Erzeugung an eine EU-Zulassung geknüpft ist. Hier ist die Landesregierung aufgefordert, Möglichkeiten zu schaffen, die es heimischen Produzent*innen erleichtern, ihre Produkte auch regional zu vermarkten und entsprechend zu kennzeichnen. Gerade der Klimawandel, der für viele Bereiche der Landwirtschaft eine große Herausforderung darstellt, kann sich in Bezug auf den Weinanbau auch als Chance herausstellen, sodass dieser nicht durch hohe bürokratische Vorgaben erschwert werden sollte.

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