Antrag: Lange Tiertransporte verbieten - Sofortigen Transport-Stopp durchsetzen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Lebendtiertransporte bedeuten für die Tiere immer Stress und Anspannung, unabhängig davon, ob sie am Bestimmungsort geschlachtet, gemästet oder für die Zucht verwendet werden sollen. Dabei wächst die Belastung der Tiere mit der Länge des Transportweges. Wenn auf langen Strecken zu den ohnehin vorhandenen Faktoren auch noch Hitze, Kälte oder eine ungenügende Versorgung mit Wasser, Futter oder Auslauf hinzukommen, überschreiten solche Transporte den zulässigen Rahmen des Tierschutzgesetzes.

Der Landtag stellt daher fest:

Die deutliche Verringerung der Anzahl von Tiertransporten ist ein, im Sinne des Tierschutzes, gebotenes Ziel, welches die Anstrengung aller Beteiligten erfordert.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  1. aus Tierschutzgründen und zur Ermöglichung rechtssicherer Arbeitsbedingungen in den Veterinärbehörden bis zur Umsetzung der im Folgenden aufgeführten Punkte gewerbliche Tiertransporte auf der Straße in EU-Drittstaaten zu untersagen
  2. sich auf allen Ebenen für ein Verbot jeglicher Schlacht- oder Masttiertransporte ins Ausland, die inklusive Mautstellen und Grenzkontrollen über 8 Stunden hinausgehen, einzusetzen.
  3. verpflichtend zwei Fahrerinnen für Transporte ab 6 Stunden vorzuschreiben
  4. auf den Bund dahingehend einzuwirken, dass Transporte zu Schlacht- und Mastzwecken innerhalb Deutschlands auf 4 Stunden begrenzt werden
  5. sich für ein grundsätzliches Verbot langer Tiertransporte (über 8 Stunden) auf der Straße zum Zwecke der Zucht einzusetzen und begründete Ausnahmefälle unter Genehmigungsvorbehalt zu stellen
  6. eine klare Definition zwischen Schlacht-, Mast- und Zuchttieren herbeizuführen und die Kontrolle dieser Einstufungen sicher durchzusetzen
  7. für eine Engerfassung der in § 3 Tierschutztransportverordnung aufgeführten Ausnahmen für Straßentransporte im Inland einzutreten, indem z.B. ein Temperaturüberwachungssystem und ein Datenschreiber vorgeschrieben werden
  8. per Erlass die kommunalen Veterinärbehörden anzuweisen, alle rechtlichen Möglichkeiten zur Sicherstellung des Tierschutzes auszuschöpfen, die sich aus der rechtlichen Verpflichtung der Plausibilitätsprüfungen im Rahmen der Transporte ergeben und z.B. GPS-Daten während jeden Transports verpflichtend einzufordern und bei wiederholter Nicht-Einhaltung dem Logistikunternehmen die Transportzulassung zu entziehen
  9. eine zwingende Anwesenheit und Überwachung des Amtsveterinärs/ der Amtsveterinärin bei der Verladung von Langstreckentransporten vorzuschreiben

Begründung

Im Zusammenhang mit langen Tiertransporten in EU-Drittstaaten gibt es unter Tierschutzaspekten zwei Fragestellungen. Zum einen geht es darum, was mit den Tieren nach dem Transport im Zielland (am Zielort) passiert. Zum anderen geht es um die Transportbedingungen an sich. Die beiden Fragen sind voneinander zu trennen, wobei die Verringerung der Anzahl von Tiertransporten gleichzeitig Tierleid am Bestimmungsort reduziert.

 

Zu 1.

Die rechtliche Einschätzung des Landwirtschaftsministeriums vom 07.03.2019 zur Frage der Strafbarkeit von Amtstierärztinnen und Amtstierärzten im Zusammenhang mit der Genehmigung von Tiertransporten und späteren Tierschutzverstößen bei selbigen kommt zu einem klaren Ergebnis. Demnach ist nach der Rechtsprechung des BGH entscheidend, wie hinreichend die Indizien sind. „Halte der Hilfeleistende das Risiko der Begehung einer Straftat für so hoch, dass er mit seiner Hilfeleistung den erkennbar tatgeneigten Täter unterstütze, so könne Beihilfe [zu einem Vergehen gemäß § 17 TierSchG] bejaht werden.“ Angesicht der öffentlichen Debatte, dürfte sich kein Veterinäramt mehr darauf berufen, die Umstände nicht gekannt zu haben. Eine straffreie Abfertigung von Transporten in EU-Drittstaaten ist somit unwahrscheinlich.

Zu 2. Transporte, die vom Zeitpunkt der Verladung des ersten Tieres an gerechnet, acht Stunden überschreiten, gelten als „lange Beförderung“ gemäß Artikel 2 m) der Verordnung (EG) Nr. 1/2005. Schon heute schreibt die nationale Tierschutztransportverordnung (TierSchTrV), die der Umsetzung mehrerer EU-Richtlinien dient, in § 10 Abs. 1 Satz 1 vor, dass zusätzlich zu den unionsrechtlichen Vorschriften „innerstaatliche Transporte zu einem Schlachtbetrieb nicht länger als acht Stunden“ dauern dürfen. Dies sollte auch für Auslandstransporte gelten.

Zu 3.

Vorgeschriebene Pausen bei den Lenkzeiten führen unweigerlich zu einer zeitlichen Verlängerung des Transportes. Die Anzahl gestellter Fahrerinnen und Fahrer muss dahingehend ausreichend sein, damit während des Transportes keine Verzögerungen durch Fahrpausen entstehen. Gemäß den Sozialvorschriften können 2 Fahrerende 20 Stunden fahren, danach müssen sie mindestens 9 Stunden ruhen.

Zu 4.

Schlachttiere sind nach Möglichkeit zu einem der nächstgelegen Schlachthöfe zu transportieren. Für stundenlange Transporte, auch von Masttieren gibt es keinen vernünftigen Grund.

Diese bestehende Beschränkung von 8 Stunden für innerdeutsche Schlachttiertransporte ist auf Transporte zu Mastbetrieben auszuweiten und für beide Fälle auf 4 Stunden zu begrenzen.

Zu 5.

Im Sinne des Erwägungsgrund 5 der Verordnung 1/2005 sollen lange Zuchttiertransporte zu einer absoluten Ausnahme werden. Zurzeit werden, insbesondere bei Rindertransporten, meist trächtige Tiere befördert, was auch 2017 im Länderbericht des Landwirtschaftsministeriums nach Artikel 27 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1/2005, bemängelt wird.

Praktikable Alternativen, wie der Export von Gefriersperma oder Embryonen, müssen gefördert werden um mittelfristig zu einer tierschutzgerechten Praxis zu kommen.

Generell stellt sich die Frage, ob der Export von Hochleitungsrassen in klimatisch andere Erdteile mit gänzlich anderer und extensiverer Futtergrundlage überhaupt sinnvoll ist. Falls dieser überhaupt stattfindet, sollte er ausschließlich zur möglichen Leistungssteigerung per Einkreuzung stattfinden.  Der Aufbau und Erhalt regional angepasster Rassen ist deutlich zielführender in Hinblick auf Tiergerechtigkeit im Zusammenhang mit klimatischen Verhältnissen und angepasster Fütterung. Tiertransporte zu Zuchtzwecken über tausende Kilometer sind im gegeben Umfang überflüssig.

Zudem ist unklar, was in den Zielländern mit den als „Zuchttier“ deklarierten Rindern tatsächlich passiert.  

Zu 6.

Ministerin Otte-Kinast musste in der Plenardebatte vom 29.03.2019 einräumen, dass es keine Gewähr dafür gäbe, dass als „Zuchttiere“ deklarierte Rinder im Zielland nicht doch geschlachtet würden. Da für bestimmte EU-Drittstaaten der Export von Schlachtrindern nicht erlaubt ist, für Zuchtrinder allerdings schon, besteht der Verdacht, dass zumindest in Einzelfällen eine Umdeklaration stattfindet. Vor diesem Hintergrund braucht es klare Vorgaben, die eine rechtssichere Unterscheidung zwischen den unterschiedlichen Klassifikationen ermöglicht. Die Richtigkeit der vorgenommenen Klassifizierung ist standardmäßig zu überprüfen.

Zu 7.

Die Verordnung (EG) Nr. 1/2005 verlangt in Anhang I Kapitel VI Nr. 3.1 bezüglich der Belüftung von Straßentransporten, dass die Belüftungssysteme derart konzipiert und gewartet werden, dass jederzeit während der Transportes, also auch bei Standzeiten, die Temperaturen für alle Tiere 5 °C nicht unter- und 30 ° C nicht überschreiten. In Drucksache 18/1887 stellt die Landesregierung klar, dass der zusätzlich aufgeführte Toleranzbereich von ± 5 °C lediglich der Berücksichtigung möglicher Messungenauigkeiten dient.

Für innerstaatliche Beförderungen von Tieren sieht §3 TierSchTrV Ausnahmen vor, wonach Straßentransporte nicht zwingend über ein Temperaturüberwachungssystem und einen Datenschreiber verfügen müssen. Nicht zuletzt angesichts des Hitzesommers 2018 ist dieser Umstand aus Tierschutzgesichtspunkten nicht hinnehmbar, insbesondere sofern es sich um gewerbliche Transporte über mehrere Stunden handelt. Hier bedarf es einer Engerfassung der Ausnahmetatbestände des §3 TierSchTrV, die im weiteren Verlauf auch die Pflicht zur Benutzung von Navigationssystemen beinhalten muss. Eine Gefährdung der Tiere im Sinne des Art. 3 der VO (EG) Nr. 1/2005 ist in jedem Falle, auch bei kurzen Transporten, auszuschließen.

Zu 8.

Ob die im Vorfeld angegebene Route mit der tatsächlich gefahrenen Strecke übereinstimmt, ist nach Angaben des „Netzwerkpapiers zu Kontrollen vor der Beförderung lebender Tiere zur Ausfuhr im Straßentransport“, welches von den nationalen Kontaktstellen der Mitgliedstaaten erarbeitet wurde, einer der kritischen Punkte bei der Zulassung eines Viehtransportes. Überprüfen lässt sich dies nur durch die Auswertung von Satellitennavigationsdaten. Absatz 4 des Artikel 15 der Verordnung Nr. 1/2005 ermöglicht den zuständigen Behörden die Verwendung der mit Hilfe von Navigationssystemen erstellten Bewegungsaufzeichnungen der Transporte zu Kontrollzwecken explizit auch während des Transportes. Dafür müssen die Transportunternehmen aber auch verpflichtet werden, die Geräte auch am Ort der Abfertigung bzw. des Abganges laufen zu lassen, da sich dies nicht unmittelbar aus dem Gesetz bzw. der Verordnung ergibt. Das Landwirtschaftsministerium muss alle Landkreise anweisen, die GPS-Auswertung verpflichtend durchzuführen. Diese soll nach Möglichkeit per Live-Zugang erfolgen und nur in Ausnahmefällen nachträglich stattfinden.

Mittels Erlasses der Landesregierung (vom 26. Juli 2018), wurde bisher nur auf die Überprüfungsmöglichkeit der Aufzeichnungen der Navigationsdaten durch die Veterinärbehörden hingewiesen. Somit haben im Sommer 2018, wie sich der Drucksache 18/1887 entnehmen lässt, nur drei Landkreise davon Gebrauch gemacht, zu jedem Langzeittransport diese Daten auch anzufordern. Die Rücksendung (und nicht etwa der zulässige Zugang zu den Daten bereits während des laufenden Transportes) der Navigationssystemauszüge wurde nur in Einzelfällen als Auflage erteilt. Hier wird geltendes Recht bei weitem nicht vollständig ausgereizt, sodass es insbesondere bei den Plausibilitätsprüfungen möglich wäre, deutlich genauere Überprüfungen durchzuführen.

Aus der gleichen Drucksache geht hervor, dass „bei vielen langen Transporten in andere Mitgliedsstaaten oder Drittländer […] die Fahrtenbücher trotz mehrfacher Aufforderung nicht zurückgesendet“ wurden. Auch hier muss eine konsequentere Praxis der Nichtabfertigung nachfolgender Transporte wegen Unzuverlässigkeit erfolgen, um die rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen.

Das „Netzwerkpapier“ weist zudem darauf hin, dass die Kontrollstellen, an denen die Tiere mit Futter und Wasser versorgt werden meist ein Voranmeldesystem haben. In diesem Zusammenhang empfiehlt das Netzwerkpapier sich zusätzlich zum vorgeschlagenen Fahrtenbuch zur Sicherstellung des Artikel 3 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 die Anmeldebestätigungen der Kontrollstellen vorlegen zu lassen. Diese Empfehlung ist mittels Erlasses der Landesregierung zwingend zur Vorschrift zu machen.

Ebenso sind die zuständigen Sammelstellen aufzufordern, bei der Bewertung der zu berücksichtigenden Temperaturanforderungen bis zum Bestimmungsort restriktiv vorzugehen und Wettervorhersagen und Witterungsbedingungen zu den geplanten Transitzeiten entlang der geplanten Route im Sinne des Tierschutzes auszulegen. Dies ist durch die Veterinärämter zu überprüfen. Laut Netzwerkpapier S. 8, „sollten Tiere nicht in Länder oder Landesteile befördert werden, in denen regelmäßig Temperaturen von mehr als 35 °C erwartet werden.“ Desweiteren stellte die EU-Kommission fest, dass die Belüftungssysteme der Transportfahrzeuge die Temperaturen innerhalb der Abteile nicht unter die Außentemperatur senken können. Somit sollten keine Transporte abgefertigt werden, wenn entlang der Route Temperaturen von mehr als 30°C erwartet werden.

Für jede Abfertigung eines Transportes in ein Nicht- EU Land sollte zudem ein Notfallplan für die spezifische Route vorgelegt werden, gemäß den Vorgaben des Handbuch Tiertransporte der gemeinschaftlichen Arbeitsgruppe Tierschutz.

Zudem sind die nach den Sozialvorschriften für Fahrende erforderlichen Ruhezeiten in die Plausibilitätsprüfung miteinzubeziehen.

Zu 9.

Bei langen Beförderungen in Nicht-EU Länder sollte die Verladung stets tierärztlich überwacht werden (siehe Handbuch Tiertransporte D2). Diese Anforderung sollte auf alle Langstreckentransporte ausgeweitet werden, um tierschutzrelevante Aspekte bereits vor Transportbeginn identifizieren und beheben zu können. Dies gilt insbesondere für: das Platzangebot für die Tiere; Freiraum über den Tieren; Zugang zu Tränkanlagen für alle Tiere; genügende Einstreu; Trennwände ohne gefährliche Spalten; Futtermitnahme; Funktionsfähigkeit der Tränkanlagen, Lüftungssysteme und Temperaturüberwachungssysteme.

Der Dokumentationsbeleg zur Abfertigung eines Tiertransportes über 8 Stunden des Handbuch Tiertransporte (Anlage G 3.1) dient als hilfreiche Vereinheitlichung solcher Kontrollen und sollte für jede Abfertigung ausgefüllt werden müssen.

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