Antrag: Landesblindengeld neu strukturieren ? Nachteilsausgleich erhalten - Leistungsrecht für sehbehinderte Menschen weiterentwickeln!

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Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Hannover, den 19.10.04
Der Landtag wolle beschließen:
Entschließung

Die Landesregierung wird aufgefordert,
1.) das Landesblindengeld als einkommensunabhängigen Nachteilsausgleich zu erhalten und nach folgenden Kriterien neu zu strukturieren:
a) den Bezieherinnen und Beziehern von Pflegeleistungen in oder außerhalb von stationären Einrichtungen nach dem Sozialgesetzbuch XI (SGB XI) wird in Zukunft das Blindengeld in Abhängigkeit von der Pflegestufe mit einem höheren Betrag angerechnet;
b) blinde Menschen ab dem 70.Lebensjahr erhalten in Zukunft ein reduziertes Blindengeld
2.) Initiativen dahingehend zu ergreifen, dass die soziale Förderung in Form des Blindengeldes, die die Länder zur Zeit in unterschiedlicher Höhe zahlen, mittelfristig in die Bestimmungen des SGB IX (§ 55 ff.: Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ) überführt wird;
3.) sich perspektivisch für eine bundeseinheitliche Lösung für Menschen mit den unterschiedlichsten Behinderungen im Sinne eines Bundesleistungsgesetzes für Behinderte einzusetzen
Begründung
Zu 1.) Auf der Basis der Beschlüsse der Landesregierung zum Haushaltsjahr 2005 hat die Niedersächsische Sozialministerin vorgeschlagen, einen erheblichen Teil der von ihrem Hause zu erbringenden Einsparsumme durch den Wegfall des Landesblindengeldes zu erwirtschaften. Dieser Vorschlag stößt verständlicherweise auf erheblichen Protest der Betroffenen, denen am Erhalt des einkommensunabhängig gewährten Landesblindengeldes gelegen ist. Der Wegfall des Landesblindengeldes und der damit verbundene Verweis auf die dann mögliche Blindenhilfe nach dem ab 1.1.2005 geltenden Sozialgesetzbuch XII verschweigt, dass viele Blinde dann jeglichen Anspruch auf Hilfsleistungen verlieren werden, da die Einkommens- und Vermögensfreigrenzen zum 1.1. nächsten Jahres gegenüber den jetzt geltenden Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes stark abgesenkt werden.
Bei der letzten, im Haushaltsjahr 2003 erfolgten 20%igen Kürzung des Landesblindengeldes wurde dem Landesverband der Blinden bedeutet, dass sie mit dieser Einsparung ihren Teil zur Haushaltskonsolidierung beigetragen hätten. Die jetzt beabsichtigte völlige Streichung des Landesblindengeldes ist für die Betroffenen auch aus diesem Grund nicht akzeptabel. Die Blinden fürchten, dass Niedersachsen mit der Streichung des Landesblindengeldes zum Vorreiter für andere Landesregierungen werden könnte. Mit ständig wechselnden Vorschlägen (Stiftung, Härtefallfonds) wurden einerseits die Betroffenen immer weiter verunsichert, andererseits deutlich, dass die Landesregierung den Nachteilsausgleich durch ein einkommens- und vermögensabhängiges Fürsorgesystem ersetzen will.
Der vorliegende Antrag enthält den Vorschlag, trotz der angespannten Haushaltslage das Landesblindengeld mit einem Stufenmodell vorerst zu erhalten. Das vorgeschlagene Stufenmodell trägt sowohl dem Ziel der Haushaltskonsolidierung Rechnung wie auch dem Anliegen der blinden Menschen, das Landesblindengeld einkommens- und vermögensunabhängig als Nachteilsausgleich zu erhalten. Dabei tragen die vorgeschlagenen Kriterien der Tatsache Rechnung, dass der Nachteilsausgleich zur Teilhabe am gesellschaftlichen- und Arbeitsleben von älteren und pflegebedürftigen blinden Menschen nicht in demselben Umfang wie bei jüngeren Menschen und nicht Pflegebedürftigen genutzt werden kann.
Zu 2. und 3.) Das Vorhandensein von verschiedenen Landesblindengesetzen und in ihrer Leistungshöhe unterschiedlichen Landesblindengeldern ist überholt. Leistungen zum Nachteilsausgleich und zur sozialen Förderung bei Behinderungen wie auch zur Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft sollten bundeseinheitlich geregelt werden. Dies ist auch weitgehend gesetzlich so geregelt. Das Blindengeld bildet hier eine nur historisch zu erklärende Ausnahme.
Inzwischen hat sich in der Behindertenpolitik nicht zuletzt auf Drängen der Betroffenen ein Paradigmenwechsel durchgesetzt, der die Stärkung des selbstständigen und eigenverantwortlichen Lebens behinderter Menschen an die vorderste Stelle sozialpolitischer Zielsetzung gerückt hat. Dies wird vor allem in dem von der Bundesregierung in der letzten Wahlperiode beschlossenen Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) deutlich. Als hervorgehobenes Instrument zur Umsetzung dieser Zielsetzung dient das in § 17 des Sozialgesetzbuches IX wie auch im § 57 des SGB XII festgeschriebene "Persönliche Budget". Nach Ansicht der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist es überfällig, die jetzigen Leistungen des Landesblindengeldes in Zukunft in den Leistungskanon des SGB IX (§ 55 ff.) zu überführen und diese Leistung als vorrangig gegenüber den Leistungen des SGB XII auszuweisen. Die Landesregierung wird aufgefordert, in diesem Sinne alle dazu erforderlichen Schritte des Bundesgesetzgebers zu unterstützen.
Darüber hinaus ist es an der Zeit, eine bundeseinheitliche gesetzliche Lösung für alle Menschen mit Behinderungen zu schaffen. Ein Bundesleistungsgesetz für behinderte Menschen muss daher dringend vorangetrieben werden.
Stellvertr. Fraktionsvorsitzende

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