Antrag: Klimaschutz, Bildung, Gerechtigkeit, Entschuldung: Jetzt einen Zukunftshaushalt für morgen und übermorgen beschließen!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest, dass die Niedersächsische Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen von CDU und FDP den umwelt-, bildungs-, und integrationspolitischen Anforderungen an eine zukunftsfähige Gestaltung Niedersachsens nicht ausreichend gerecht werden. Die Landesregierung hat es bislang versäumt, aus den derzeit deutlich verbesserten Rahmenbedingungen haushaltspolitisch die richtigen Konsequenzen zu ziehen.

Die offene und verdeckte Verschuldung des Landes beträgt weit über 50 Milliarden Euro. Der Landeshaushalt 2008 ist trotz Steuermehreinnahmen von 1,4 Milliarden Euro von einem hohen strukturellen Defizit gekennzeichnet. Die offizielle Nettokreditaufnahme beträgt immer noch 550 Millionen Euro. Die Absenkung der Neuverschuldung hat nicht in dem Umfang stattgefunden, wie von der Landesregierung errechnet. Über den Schattenhaushalt Landestreuhandstelle (LTS) hat die Landesregierung seit 2004 nahezu 600 Millionen Euro zusätzliche Schulden aufgenommen. Dazu sind seit 2004 mehr als 700 Millionen Euro kreditfinanziert über die Hannoversche Beteiligungsgesellschaft (HanBG) in den Landeshaushalt geflossen. Die Landesregierung musste von 2003-2007 für ca. 1,6 Milliarden Euro Vermögenswerte veräußern oder entnehmen, um die Haushalte der letzten Jahre auszugleichen. Die als Rücklagen getarnten, nicht ausgeschöpften Kreditermächtigungen vergangener Jahre, werden auch 2008 mit 275 Millionen Euro zur Haushaltsdeckung benötigt. Weitere Kredite über 120 Mio. € bei den Universitätskliniken sind nicht offen ausgewiesen.

Die Mehrausgaben, die die Landesregierung jetzt ohne landespolitische Schwerpunktsetzung einplant, sind nicht wirklich solide finanziert. Sie werden durch neue Schulden und konjunkturell bedingte Mehreinnahmen gedeckt. Das von der Landesregierung angekündigte Programm "Perspektive 2020" verschiebt notwendige Konsolidierungsmaßnahmen auf später. Mit dem Abbau der Schattenhaushalte, dem Schuldenabbau und der Absicherung der Versorgungsleistungen, die in den kommenden Jahren drastisch steigen werden, soll erst ab dem Jahr 2010 begonnen werden. Der hohe Schuldenstand Niedersachsens birgt große Risiken für die zukünftigen Haushalte. Der EZB-Leitzins hat sich in den letzten zwei Jahren deutlich erhöht und die Vertrauenskrise an den Finanzmärkten bedroht die konjunkturelle Entwicklung und damit auch die derzeit günstige Einnahmeentwicklung.

Zunächst muss es in einer Phase überdurchschnittlichen Wachstums und daraus resultierenden hohen Steuereinnahmen zu einem ausgeglichenen Haushalt kommen. Dies bedarf einer klaren und verbindlichen Zielsetzung. Dabei geht es nicht um Sparen und Kürzen als Selbstzweck, vielmehr muss ein Spielraum für zusätzliche Investitionen in den Zukunftsbereichen Umweltschutz, Bildung, Kinderbetreuung und Integration geschaffen werden. Diese notwendigen Investitionen dürfen aber keine weiteren höheren Schuldenlasten auf die kommenden Generationen abwälzen. Mehrausgaben sind daher durch Umschichtungen oder neue Prioritäten zu decken.

Zugleich müssen zusätzliche Einnahmepotenziale ausgeschöpft werden. Es  muss endlich eine gerechte und verfassungskonforme Neuregelung der Erbschafts- und Schenkungsteuer geben. Die Erbschaftsteuer ist eine Gerechtigkeitssteuer, die einen Ausgleich zwischen Arm und Reich leisten soll. Die Einnahmen daraus gehen an die Bundesländer.

Der Landtag hält es für notwendig, folgende Maßnahmen zu ergreifen um denLandeshaushalt für die Anforderungen von morgen zu wappnen:

  •  Um die Transparenz des Haushaltes zu erhöhen, den Vermögensbestand und langfristige Verbindlichkeiten sichtbar zu machen, ist ein neues Rechnungswesen auf Basis der doppelten Buchführung einzuführen. Die Haushaltseckdaten und die mittelfristige Finanzplanung sind künftig vom Landtag zu beschließen.
  • Der Investitionsbegriff ist für den Haushalt von zentraler Bedeutung und muss modernisiert werden. In einer Zeit, in der die künftige Wirtschaftsentwicklung und somit die künftige Steuerkraft nicht mehr allein von den Sachinvestitionen abhängt, sondern insbesondere von den Investitionen in Bildung und Wissen, wird das im Grundgesetz und in der niedersächsischen Verfassung verankerte Kriterium der Verfassungsmäßigkeit öffentlicher Haushalte, das allein auf die Sachinvestitionen abhebt, zunehmend obsolet. Eine Erweiterung des Kriteriums um die Bildungsinvestitionen oder um Investitionen in technologisches Wissen ist konzeptionell schwierig. Das Kriterium sollte daher ersetzt werden durch eine Regelung, die nicht auf die Sachinvestitionen, sondern auf die Finanzkraft des Landes abhebt.
  •  Der Ansatz der Generationengerechtigkeit und der Nachhaltigkeit muss als verbindliches Leitbild in der Haushalts- und Finanzpolitik umgesetzt werden. Dafür muss eine Schuldenbremse, die sich an der Finanzkraft und der Entwicklung der Steuereinnahmen orientiert, sicherstellen, dass im Konjunkturaufschwung tatsächlich konsolidiert wird. Haushalte, die die künftigen Grenzen zulässiger Kreditaufnahmen überschreiten, dürfen im Landtag nur mit Zweidrittel-Mehrheit beschlossen werden.
  • Um künftige Pensionslasten zu mindern, sind für jede Person, die auf einer Beamtenstelle von den Fachministerien neu eingestellt wird, 33% der Vergütung zusätzlich an das Finanzministerium abzuführen. Ggfls. ist das Stundenvolumen entsprechend zu reduzieren, wenn kein ausreichendes Budget zur Verfügung steht.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, ein 100-Millionen-Euro Sofortprogramm für einen schnellen Einstieg in mehr Klimaschutz und für eine umgehende Qualitätsverbesserung im Bildungsbereich aufzulegen:

  • 50 Millionen Euro sollen im Jahr 2008 für den Klimaschutz bereitgestellt werden. Davon werden 40 Millionen Euro über einen Klima-Innovations-Fonds für technische Innovationen in kleinen und mittelständischen Betrieben, Klimaforschung und für modellhafte Klimaschutzinvestitionen (denkmalgeschützte Gebäude, virtuelle Netzwerke, KWK im Gebäudebestand, Modellbauvorhaben etc.) bereitgestellt werden. Alle Fördermittel des konventionellen Wirtschaftsförderfonds werden zu Gunsten des Klima-Innovations-Fonds umgeschichtet. Die neuen Förderrichtlinien sollen gemeinsam mit Fachleuten aus den Bereichen Umwelt, Wirtschaft und Forschung erarbeitet werden und den Fachausschüssen des Landtages vorgelegt werden. Die Mittelfreigabe soll durch den Haushaltsausschuss erfolgen. Weitere 10 Millionen Euro sollen für Sofortmaßnahmen im Küstenschutz zur Absicherung gegenüber den Folgen des Klimawandels eingestellt werden.
  • Für den Bildungsbereich sollen über den Haushalt 2008 ebenfalls 50 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Diese sollen in einer Größenordnung von 27,5 Millionen Euro zum Einstieg in das Modell "Neue Schule" fließen, 5 Millionen Euro sollen die eigenverantwortlichen Schulen stärken (Fortbildung und Beratung), 2 Millionen Euro werden für eine verbesserte Sprachförderung in den Kindergärten bereitgestellt, ein Sozialfonds für Kinder soll mit 3 Millionen Euro finanziert werden und 12,5 Millionen sollen zusätzlich an die Hochschulen gehen, um mehr Studienplätze mit mehr Qualität - als bisher über den Hochschulpakt vorgesehen - zur Verfügung zu stellen.

Begründung

Der Klimawandel wird das Land künftig vor sehr große Herausforderungen stellen. Neben Anpassungs- und Vorsorgemaßnahmen im Küstenschutz, beim Hochwasserschutz, in der Land- und Forstwirtschaft, muss sichergestellt werden, dass die Energieversorgung grundlegend umgestaltet wird. Die Wettbewerbsfähigkeit der niedersächsischen Unternehmen und damit die Sicherheit der Arbeitsplätze werden künftig entscheidend davon abhängen, dass die Energieeffizienz von Produkten und Dienstleistungen gestärkt wird. Hier muss das Land endlich die richtigen Impulse für Forschung, Entwicklung und Investitionen setzen.

In Niedersachsen muss zur Erhaltung unserer Lebensgrundlagen eine nachhaltige Umwelt- und Verkehrspolitik realisiert werden. Die Finanzmittel des noch bestehenden Ökofonds und Mittel aus dem Wirtschaftsförderfonds sollen daher in einen Klima-Innovations-Fonds überführt werden.

Zur Verbesserung des Trinkwasserschutzes sollen 15 Mio. Euro eingesetzt werden, die durch eine Erhöhung der Wasserentnahmegebühr für Kraftwerke ohne Kraftwärmekopplung finanziert wird. Für den Ausbau des ökologischen Landbaus sollen ca. 12 Mio. Euro durch Umschichtung insbesondere bei den EU-Strukturfonds bereitgestellt werden. Außerdem sollen die niedersächsischen Verkehrsverbünde durch Umschichtungen mit 30 Mio. Euro zusätzlich gefördert werden. Damit werden die von der Landesregierung durchgereichten Kürzungen der Regionalisierungsmittel des Bundes ausgeglichen.

Entscheidend für die Lebenschancen von Kindern ist die Förderung der Entwicklung in den ersten Lebensjahren. Künftig muss ein gut ausgebautes Kinderbetreuungsangebot dazu führen, dass Steuer- und Beitragmehreinnahmen durch die verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf erzielt werden. Das Kinderbetreuungsprogramm 2008-2013 muss einen bedarfsgerechten Ausbau für Kinderbetreuung ab einem Jahr sicherstellen. Dabei darf die Qualität der Einrichtungen aber keinesfalls auf der Strecke bleiben. Die Kitas sollen vielmehr zu qualifizierten Bildungseinrichtungen weiterentwickelt werden, die das frühe Lernen fördern. Dazu bedarf es besonderer Maßnahmen und Initiativen.

Die bestehenden Schulen müssen schrittweise zu gemeinsamen Neuen Schulen als integrative Ganztagschulen weiterentwickelt werden, die die Schülerinnen und Schüler in der Regel nach neun Jahren abschließen werden. Sie sollen individuelle Förderkonzepte entwickeln, mit denen das Sitzen bleiben und die Abschulung entbehrlich werden. Für die Förderung wird die personelle Ausstattung in den Schulen ausgebaut. Anschließend besuchen die Schülerinnen und Schüler eine neu gestaltete gymnasiale Oberstufe, machen eine Berufsausbildung oder besuchen eine Produktionsschule. Die Neue Schule wird gegenüber der gegliederten Halbtagsschule, insbesondere bei zurückgehenden Schülerzahlen in einem großen Flächenland wie Niedersachsen, nicht nur bildungs-politisch, sondern auch finanzpolitisch langfristig vorteilhafter sein.

Um die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit Niedersachsens zu steigern, müssen die Hochschulen gestärkt und die Anzahl der Studienanfängerplätze erhöht werden. Über eine Offensive für mehr Studienplätze sollen ab dem Wintersemester 2008/2009 in einem ersten Schritt jährlich 3.000 zusätzliche Studienanfängerplätze dauerhaft an niedersächsischen Hochschulen geschaffen werden. Die mit dem Ausbau verbundenen Mehrausgaben von mittelfristig ca. 110 Millionen Euro jährlich müssen vom Land und über den Hochschulpakt hinaus bereitgestellt werden. Zusätzlich zu einem quantitativen Ausbau der Hochschulen muss es weitere Investitionen in die Qualität der Lehre und eine Erhöhung der Lehrkapazitäten um 15 Prozent geben. Zukünftig sollen die Erlöse aus Vermögensveräußerungen des Landes in einen Bildungsfonds fließen. Ein gebührenfreies Erststudium muss durch die Aufstockung der Hochschuletats durch Landesmittel ermöglicht werden.

Eine gleichberechtigte Teilhabe aller am gesellschaftlichen Leben ist die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Bildungs- und Sozialpolitik. Integrationspolitik gehört zu den wichtigsten Querschnittsaufgaben der Landespolitik. Wir wollen konsequent gegen Rechtsextremismus und Gewalt vorgehen. Dazu werden wir ein Bildungs- und Informationsprogramm gegen Rechts mit 2 Mio. Euro ausstatten und die Arbeit der Integrationslotsen mit zusätzlich 1,5 Mio. Euro finanzieren.

Der Haushalt bildet die Grundlage für eine an Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit orientierte Landespolitik. Leider hat sich der Haushalt selbst in den vergangenen Jahrzehnten als wenig zukunftsfähig erwiesen, weil die Verschuldung Jahr für Jahr anstieg und mittlerweile eine erdrückende Höhe erreicht hat. Ohne neue Regeln und Grundsätze für die Haushaltsführung wird eine nachhaltige Konsolidierung aber nicht gelingen. Deshalb muss mit dem Status quo gebrochen werden. Das Tarnen, Täuschen und Vertuschen bei Haushaltsaufstellung und Haushaltsführung muss beendet werden. Deshalb brauchen wir endlich Transparenz. Jede Bürgerin und jeder Bürger muss im Haushaltsplan ablesen können, wie es um die Finanzlage des Landes bestellt ist, wie der Vermögensbestand ist und wie es um die langfristigen Verbindlichkeiten steht. Heute erschließt sich die gesamte Dimension der Verschuldung nur Insidern. Selbstverständlich sollte künftig auch sein, dass der Haushalt im Internet zugänglich ist. Notwendig sind darüber hinaus Beteiligungsverfahren und Regeln zur Einführung von Bürgerhaushalten.

In einer Wissensgesellschaft gehören Bildungsinvestitionen zu den wichtigsten Zukunftsinvestitionen. Im klassischen Haushaltsrecht gelten sie aber nicht als Investitionen. Hingegen ist fragwürdig, ob eine zusätzliche Autobahn, die bislang als Investition zählt, tatsächlich das Volksvermögen steigert. Der klassische Investitionsbegriff hat heute ausgedient und führt zu einer einseitigen Konzentration auf Sachinvestitionen, die oft kontraproduktive Wirkung entfalten. Dabei bleiben Zukunftsinvestitionen auf der Strecke. Gerade bei Bildungsinvestitionen haben andere Länder viel stärkere Vorsorge getroffen. Wir brauchen daher eine Regel, die den klassischen Investitionsbegriff durch eine Regel ersetzt, die sich an der Finanzkraft orientiert.

Kreditaufnahmen müssen künftig durch eine Schuldenbremse begrenzt werden, die nicht auf die Investitionen, sondern vielmehr auf die Finanzkraft abhebt. Voraussetzung ist, dass im Rahmen der Föderalismusreform II ein nationaler Entschuldungsfonds eingerichtet wird. Haushalte, die die künftigen Grenzen zulässiger Kreditaufnahmen überschreiten müssen durch eine Verfassungsänderung unterbunden werden, die für solche Fälle eine Zweidrittel-Mehrheit  vorsieht.

Der Pensionsfonds der Landesregierung besteht bislang nur aus einem ungedeckten Versprechen. Das eigentliche Problem der massiv steigenden Versorgungslasten könnte – wenn der Fonds eingerichtet würde – allenfalls teilweise gemildert werden. Bislang stellt die Landesregierung in der Regel Beamte ein, weil Angestellte kurzfristig teurer wären. Gleichzeitig verspricht sie für die Zukunft Besserung. Das ist wenig glaubwürdig. Um zeitnah zu einer Entlastung zu kommen muss der Anreiz zur Einstellung von Beamten aus kurzfristigen Motiven der Haushaltsentlastung beseitigt werden. Um die Ressorts zu disziplinieren sollen künftig für jeden Beamten zusätzlich 33% der Vergütung an das Finanzministerium abgeführt werden. Ggfls. ist das Stundenvolumen entsprechend zu reduzieren, wenn kein ausreichendes Budget eingeplant wurde.

Stefan Wenzel

Fraktionsvorsitzender

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