Antrag: Klassenräte als demokratisches Gremium an Niedersächsischen Schulen einführen

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90 Die Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

In der Schule werden nicht nur die Lerninhalte der einzelnen Fächer vermittelt, sie ist auch ein Ort, in dem Schülerinnen und Schüler an eine demokratische Teilhabe herangeführt werden und erste Erfahrungen mit der Demokratie sammeln. In der Demokratie sind gegenseitiger Respekt, Verzicht auf Gewalt und ein fairer Umgang miteinander zentrale Voraussetzungen. Alle Kinder sind gleichberechtigte Mitglieder der Klassengemeinschaft. Niemand darf wegen seiner Herkunft, Religion und Weltanschauung, Geschlecht, sexuellen Orientierung oder Behinderung diskriminiert, ausgeschlossen oder schlechter behandelt werden als andere.

Zu unserer Demokratie gehört auch, dass junge Menschen ihre Ideen, Wünsche und Forderungen ausdrücken dürfen. Sie sollen lernen, Teil einer Gemeinschaft zu sein, die nach demokratischen Regeln funktioniert.

Neben der Wahl zur Klassensprecherin bzw. zum Klassensprecher wollen wir deshalb in allen Schulformen Klassenräte als demokratisches Gremium einführen, wie es sie bereits in anderen Bundesländern wie Hessen und Nordrhein-Westfalen gibt. Im Klassenrat können sich die Schülerinnen und Schüler mit Themen beschäftigen, die den Schulalltag und das Miteinander betreffen. Im gemeinsamen Austausch im Klassenrat können außerdem die Grundprinzipien der Mitwirkung und Mitbestimmung erlernt und geübt werden. Diese sind nicht zuletzt als Teil der Sozial- und Urteilskompetenz auch im späteren Leben wichtig. Gleichzeitig werden hier auch kommunikative Fähigkeiten geschult. Aus Schülerinnen und Schülern sollen später mündige Erwachsene werden, die ganz selbstverständlich am politischen Leben teilhaben können.

Der Landtag begrüßt aus diesem Grund ausdrücklich alle Initiativen, die die Demokratievermittlung in allen Schulformen unterstützen und fördern.

Im Zuge dessen bittet der Landtag die Landesregierung, bei der kommenden Novelle des Niedersächsischen Schulgesetzes

  1. nach dem Vorbild von Hessen und Nordrhein-Westfalen den Klassenrat als Mittel demokratischer Schulentwicklung einzuführen sowie als Gremium in allen Schulformen zu verankern,
  2. feste Regeln, die eine demokratische Wahl von Klassensprecherinnen oder Klassensprechern sicherstellen, zu definieren, die möglichst auch schon im Primarbereich und im Förderschwerpunkt „geistige Entwicklung“ der Förderschule angewendet werden können 
  3. und die Regelungen für die Wahl von Vertreterinnen und Vertretern in der Klassenkonferenz und deren Ausschuss (nach §39 Abs. 1) auf alle Jahrgangsstufen im Primarbereich und im Förderschwerpunkt „geistige Entwicklung“ der Förderschule auszuweiten.

Zudem sollen Schülerinnen und Schülern systematisch und flächendeckend über die eigenen Rechte zur Mitbestimmung in der Schule informiert werden, um sie darin zu unterstützen, diese auch aktiv wahrnehmen zu können.

Begründung

In einer Demokratie müssen in allen Bereichen des Zusammenlebens demokratische Grundsätze und Regeln gelten. Auch die Schule ist ein Ort, an dem junge Menschen sich mit diesen Grundprinzipien vertraut machen und Möglichkeiten der politischen oder gesellschaftlichen Teilhabe kennenlernen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es um Themen geht, die den direkten Schulalltag betreffen.

Das Schulleben ist dabei so zu gestalten, dass Kinder und Jugendliche Demokratie direkt erfahren können. Sie ist ein demokratischer Lern- und Lebensraum, der eine Fülle von Gelegenheiten zum demokratischen Handeln und zur Partizipation bietet. Im Klassenrat können Schülerinnen und Schüler lernen, sich an Planungs- und Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Hier erlernen sie, das Geschehen im Unterricht und im Schulleben einzuordnen, im Rahmen eines respektvollen Umganges aufeinander zu achten und Problemlösungen zu finden. Zudem können thematisch verschiedene Sichtweisen erörtert und Entscheidungen unter Berücksichtigung demokratischer Regeln getroffen werden. Die Vertreterinnen und Vertreter der Schülerschaft – zum Beispiel Klassensprecherinnen und Klassensprecher – können im Klassenrat aus den Sitzungen der Schülervertretung berichten und so auch die anderen Schülerinnen und Schüler in Entscheidungen und Beschlüsse einbeziehen.

Die Beteiligung von Schülerinnen und Schülern an schulischen Gremien ist wesentlicher Bestandteil einer demokratischen Schulkultur. Gerade auch Kinder und Jugendliche sollten in Entscheidungen eingebunden und systematisch über ihre Rechte sowie Partizipationsmöglichkeiten informiert werden. Mitbestimmungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten zeichnen die Lernkultur von Schulen aus. Die Übernahme von Verantwortung und der direkte Bezug auf den eigenen Schulalltag fördern und motivieren ein gesellschaftliches und politisches Engagement.

Wichtiger Bestandteil der Mitwirkung von Schülerinnen und Schülern ist nach dem Schulgesetz (§72 NSchG Absatz 1 Satz 1) die Wahl von Klassensprecherinnen und -sprechern. Hier wird auch die Gruppe der Wahlberechtigten festgelegt: Ab dem fünften Jahrgang werden in Niedersachsen die Klassenvertretung, die Stellvertreterinnen und Stellvertreter sowie die Vertretungen in der Klassenkonferenz und deren Ausschuss gewählt. Das Gesetz regelt weiter (§73 Satz 2), dass sowohl im Primarbereich wie auch im Förderschwerpunkt „geistige Entwicklung“ nach diesem Schema gewählt werden kann. Die Lehrkräfte sind dabei verpflichtet, die Schülerinnen und Schüler über dieses Wahl-, Mitsprache- und Gestaltungsrecht zu informieren.

Um allen Schülerinnen und Schülern bereits zu Beginn ihrer Schullaufbahn direkte Erfahrungen über demokratische Prozesse, Verantwortung und auf Gewaltverzicht beruhende Konfliktlösungsmöglichkeiten näherzubringen, sollen die derzeit geltenden Regeln für Schülerinnen und Schüler im Primarbereich sowie im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung (§73 NSchG) so ausgestaltet werden, dass sie für alle Schulen unabhängig von Schulform oder Schuljahrgang gleichermaßen greifen, ohne wie bisher eine Differenzierung vorzunehmen.

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