Antrag: Integration von Zugewanderten Fach- und Arbeitskräften in den Arbeitsmarkt nachhaltig und regional fokussiert stärken.
Fraktion SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Der Landtag wolle beschließen:
Entschließung
Der Fachkräfte- und Arbeitskräftebedarf ist in Deutschland quer durch alle Branchen gravierend. Bereits heute fehlen zahlreiche Arbeits- und Fachkräfte bspw. in den Energie- und Klimaberufen, IT-Berufen, im Sozial- und Gesundheitswesen, im Handwerk oder in der Logistik. Angesichts der demografischen Entwicklung wird sich dieser Trend während der kommenden Jahre verschärft fortsetzen.
Vor diesem Hintergrund besteht breiter fachlicher Konsens darüber, dass jährlich rund 400.000 Arbeitskräfte netto aus dem Ausland nach Deutschland zuwandern müssen, um Wohlstand und Sozialsysteme zu sichern.[1] Die Bundesregierung reagiert hierauf mit einer Fachkräftestrategie, die auch unterschiedliche Gesetzesnovellen umfasst. Unter anderem das am 23.06.2023 beschlossene Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das die Möglichkeiten für eine gezielte Zuwanderung und Arbeitsmarktintegration von Fach- und Arbeitskräften erleichtert.
In Niedersachsen wollen wir mit Blick auf die regional teils unterschiedlichen Bedarfe und Bedingungen gute Beratungs- und Anlaufstrukturen für Fachkräfte, Auszubildende, Mitarbeitende aus dem Ausland und Unternehmen auf- und ausbauen. Aber auch die Potenziale der bereits hier lebenden Menschen für den niedersächsischen Arbeitsmarkt zu aktivieren und zu stärken, ist ein zentraler Baustein für eine nachhaltige Fach- und Arbeitskräftegewinnung. Dazu gehört im Besonderen auch die Steigerung der Erwerbsbeteiligung von bereits zugewanderten Menschen.
In einem Flächenland wie Niedersachsen sind die einzelnen Regionen in unterschiedlichem Maße vom demografischen und wirtschaftlichen Wandel betroffen. Hier setzen regionale Initiativen aus der Fachkräfteinitiative des Landes Niedersachsen zur Beratung von Zugewanderten und Unternehmen sowie der Vernetzung mit den Arbeitsmarktakteuren an: Die bis 31.12.2023 befristet geförderten 23 regionalen Start-Guide-Projekte sowie die im Rahmen der acht regionalen Fachkräftebündnisse entstandenen fünf Welcome Center der Fachkräftebündnisse Südniedersachsen, Südostniedersachsen, Ems-Achse, Allianz für Fachkräfte Nordostniedersachsen sowie Leine-Weser.
Vor diesem Hintergrund bittet der Landtag die Landesregierung, insbesondere folgende bereits in Niedersachsen bestehende Strukturen in Niedersachsen weiterzuentwickeln:
- Die Start-Guide-Projekte im bestehenden Umfang für mindestens zwei weitere Jahre zu verlängern und zu evaluieren.
- Zu prüfen, inwieweit und in welchen Regionen weitere Start-Guide-Projekte umzusetzen sind bzw. welche der regionalen Start-Guide-Projekte in ihren räumlichen Strukturen erweitert werden sollen, um weitere Regionen abzudecken. Hierfür sind auch Möglichkeiten der Digitalisierung von Beratungsleistungen zu prüfen.
- In Abstimmung mit den Akteuren der acht regionalen Fachkräftebündnisse ein einheitliches Konzept für die Welcome Center zu erarbeiten. Das Konzept soll insbesondere einheitliche Qualitätsstandards der Beratung und Aufgabenstruktur, bedarfsgerechte Personalschlüssel sowie Weiterentwicklungsmöglichkeiten zu regionalen Fach- und Arbeitskräfteservicecentern beinhalten.
Darüber hinaus bittet der Landtag die Landesregierung, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die Maßnahmen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes zügig umgesetzt werden. Des Weiteren bittet der Landtag die Landesregierung auf die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Behörden auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene hinzuwirken.
Begründung
Die praktischen Hürden und Unterstützungsbedarfe für Zugewanderte oder zuwanderungswillige Menschen für einen Einstieg in den Arbeitsmarkt liegen oftmals auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Teilweise sind es Sprachbarrieren, Unkenntnis über hiesige Strukturen oder Verfahrensabläufe z. B. bei Bewerbungsprozessen oder Fragen zur Berufsanerkennung und Einstiegsmöglichkeiten in den Arbeitsmarkt. Zugleich bestehen auch für Unternehmen Hemmnisse und gegebenenfalls Vorbehalte ausländische Menschen bzw. Menschen mit internationaler Geschichte in ihre Personalrekrutierungs- und Personalbindungsstrategien gezielt einzubeziehen. Mit beiden Projekten, Start-Guides wie auch Welcome-Centern, haben sich Strukturen entwickelt, die beratungssuchenden Arbeits- und Fachkräften, wie auch Unternehmen zentrale Anlaufstellen sowohl zu allen relevanten Fragen der Arbeitsmarktintegration als auch zur Kontaktvermittlung zwischen Arbeitsuchenden und Arbeitgebenden bieten. Aufgabe der regionalen „Start Guide“-Projekte ist es, internationale Zuwandernde mit und ohne Fluchthintergrund in geeigneter Weise mit Betrieben zu Ausbildungen, Praktika und Beschäftigungsverhältnissen zusammenzuführen. Zudem werden beide Seiten bei der betrieblichen Integration begleitet, etwa bei Abstimmungen mit Behörden und Berufsschulen, durch Moderation von Konflikten oder Unterstützung bei der Nutzung von Fortbildungsmöglichkeiten. Die Förderung der Start-Guide-Projekte durch das Land ist bis zum 31.12.2023 begrenzt.
Ein wichtiger Anker zur Verbesserung der Fachkräftesituation in den Regionen sind zudem die acht Regionalen Fachkräftebündnisse. In diesem Rahmen verfolgen die bereits eingerichteten fünf regionalen Welcome Center das Ziel, ausländischen Fachkräften in enger Zusammenarbeit mit verschiedenen regionalen Netzwerkpartnern Angebote und Beratungsleistungen gebündelt zu vermitteln. Zudem bieten sie Unternehmen Hilfestellungen bei der Akquise und Weiterbeschäftigung von ausländischen Fachkräften an. Das erfolgreiche Anlaufen der Welcome Center soll genutzt werden, diese Struktur einerseits auf die Bedarfe der acht Regionen zugeschnitten und andererseits möglichst strukturell vereinheitlicht auf alle acht Fachkräftebündnisse auszurollen. Dabei sollen die Welcome Center ausdrücklich als Bindeglied zwischen den regionalen Arbeitsmarktakteuren und als Vernetzende verstanden werden.
Auch vor dem Hintergrund des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes ist es dringend geboten, neben bereits zugewanderten Menschen gezielt auch zuwanderungswilligen Fachkräften regional verortete Anlaufstellen für einen Erstkontakt mit Beratungsleistungen über die individuellen Möglichkeiten der Arbeitsmigration anzubieten. Dabei soll auch im Fokus stehen, den Ratsuchenden bei der Integration auch der Familienmitglieder behilflich zu sein.
Die Arbeit der Welcome Center soll wie bisher die Beratung von Unternehmen einschließen und als zentrale Anlaufstelle für Unternehmen zu Fragen der Personalrekrutierung und Bindung von zugewanderten Mitarbeitenden dienen. Besonders kleine und mittlere Unternehmen sollen hierüber Hilfestellungen für Gewinnung, Betreuung, Berufsanerkennung und Weiterqualifikation zugewanderter Mitarbeitenden erhalten können. Zugleich sollen sie dabei unterstützt werden, eine inklusive, diversitätsorientierte Willkommens- und Unternehmenskultur aufzubauen. Denn damit können Unternehmen aktiv zur Arbeits- und Fachkräftebindung sowie zur Gleichstellung von Menschen mit internationaler Geschichte beitragen.
Das Verstetigen dieser bereits etablierten Beratungsstrukturen ist angesichts steigender Migrationsbewegungen aufgrund der Klimakrise und Kriege sowie der Notwendigkeit einer steigenden Fachkräftezuwanderung in den Arbeitsmarkt für den Erhalt von Wohlstand und Sozialsystemen unbedingt anzustreben.