Antrag: Haushalt im Nebel: Landesregierung umgeht Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten des Landtages bei neuen Formen der Haushaltsgestaltung Drs. 15/705

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Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Hannover, den 14.01.2004


Der Landtag wolle beschließen:
Entschließung
- Der Landtag stellt fest, dass die von der Landesregierung im Landeshaushalt 2004 praktizierte Budgetierung die Budgethoheit des Parlaments verletzt.
- Der Landtag stellt fest, dass die Umsetzung von budgetierten Teilhaushalten im Landeshaushalt 2004 in vielen Bereichen völlig intransparent ist, die neuen Steuerungselemente nur in Ansätzen erkennbar sind und die Eckpunkte der "Enquete-Kommission zur künftigen Arbeit des Niedersächsischen Landtages am Beginn des 21. Jahrhunderts" für diesen Bereich nicht umgesetzt wurden.
- Der Landtag fordert die Landesregierung auf, unverzüglich die Budgethoheit des Landtages herzustellen. Dabei sind fehlende Zielvereinbarungen vorzulegen, quartalsmäßig Bericht zu erstatten und Qualitäts- bzw. Leistungskriterien festzulegen. Die Eckpunkte des Berichts der Enquete-Kommission sind vollständig umzusetzen.

Begründung
Traditionell wurden öffentliche Haushalte nach den Grundsätzen der Kameralistik geführt. Steuerungsgrundsätze der Kameralistik sind die zeitliche und sachliche Bindung der Haushaltstitel. Dies ermöglicht eine öffentliche und interne Kontrolle der Mittelverwendung, hat aber auch viele sehr Nachteile, weil eine effektive und kostenorientierte Verwaltungsarbeit oft erschwert wird und eine Übersicht über Ressourcen und langfristige Verbindlichkeiten kaum möglich ist.
Schon seit längerer Zeit ist daher im Haushaltsrecht eine Tendenz zur Dezentralisierung von Entscheidungen über den Einsatz öffentlicher Finanzmittel erfolgt. Die Einrichtung von Deckungskreisen, die Ausgliederung von Teilen des Haushaltes in Landesbetriebe, die Veranschlagung von globalen Minderausgaben und die Bildung von Teilbudgets flexibilisieren das klassische System der Kameralistik und vergrößern zugleich die Handlungsspielräume der Exekutive. Die Enquete-Kommission des Landtages schätzt, dass sich mittlerweile mindestens 50% des Haushaltsvolumens in Budgetkreisen befinden, die eine Abkehr von den bisherigen Steuerungselementen der sachlichen und zeitlichen Bindung beinhalten.
Bereits im Jahr 2000 ist daher mit dem § 17a eine Regelung in die Landeshaushaltsordnung (LHO) aufgenommen worden, die sicherstellen sollte, dass über neue Informations- und Steuerungsinstrumente das Budgetrecht des Landtages gewahrt bleibt. § 17a LHO ermöglicht die Dezentralisierung von Entscheidungen über die Mittelverwendung, stellt aber zugleich fest, dass geeignete Informations- und Steuerungsinstrumente vorausgesetzt werden, mit denen insbesondere sichergestellt wird, dass das jeweils verfügbare Ausgabevolumen nicht überschritten wird. Art und Umfang der zu erbringenden Leistungen sind zudem durch Gesetz oder durch den Haushaltsplan festzulegen. Neue Instrumente zur Information und Steuerung der Mittelverwendung sollen dem Landtag ermöglichen, im Rahmen seines Budgetrechtes Grundsatzentscheidungen zu treffen, politische Leitlinien vorzugeben und deren Einhaltung zu kontrollieren.
Die volle Umsetzung von § 17a LHO sollte für die Haushaltsaufstellung 2004 in Kraft gesetzt werden. Dabei sollte auch deutlich werden, wie Zielvereinbarungen zu definieren sind und wie die Leistungsdarstellung künftig zu erfolgen hat. Diese Informationen sollten im Haushaltsplan abgebildet werden und damit sollte die Qualität der zur Verfügung gestellten Informationen deutlich verbessert werden.
Leider wurde der Haushaltsplan 2004 den o.g. Vorgaben nicht gerecht. Soweit weitere Teilhaushalte in die Budgetierung einbezogen worden, hat sich die Transparenz eher verschlechtert. Die Qualität der vorgelegten Informationen ließ sehr zu wünschen übrig. Im Bereich des Einzelplans 08 des Wirtschaftsministeriums wurde bspw. ein großes Teilbudgets im Bereich des Straßenbaus gebildet. Weitgehend im Dunkeln blieb aber, welche Ziele das Ministerium im Rahmen dieses Teilbudgets verfolgte. Nur auf Nachfrage wurde deutlich, dass in diesem Teilbudget wiederum eine große Zahl von Titelgruppenstellen versteckt war.
Noch schlechter war die Informationslage bspw. im Bereich der Hafenverwaltung. Angesichts der Tatsache, dass dieser Bereich bereits vor einigen Jahren quasi "modellhaft" budgetiert wurde, stößt diese Desinformation auf besonderes Unverständnis.
Zudem ist bislang nicht erkennbar wie bzw. wann die im Bericht der Enquete-Kommission genannten weiterführenden Projekte der Kosten und Leistungsrechnung, des Controllings und der Rechnungslegung in Gänze umgesetzt werden. Von Interesse ist zudem, ob die Landesregierung eine Initiative zur Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes plant, um die Einführung eines doppischen Rechnungswesens mit Ressourcenverbrauchsrechnung zu erleichtern. Bislang ist die Einführung des doppischen Rechnungswesens nur möglich, wenn sie zusätzlich zum kameralistischen Rechnungswesen geführt wird.



stellv. Fraktionsvorsitzender

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