Antrag: Härtefallkommission einrichten!

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Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Hannover, den 12.07.04

Der Landtag wolle beschließen:
Entschließung
Der Landtag stellt fest:
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass das rechtliche Instrumentarium des Ausländergesetzes in besonderen humanitären oder persönlichen Härtefällen häufig keine menschlich befriedigenden Lösungen ermöglicht hat. Mit dem in Kraft treten des Zuwanderungsgesetz bestehen nach § 23 a Aufenthaltsgesetz nun weitergehende Möglichkeiten für die obersten Landesbehörden, einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn eine Härtefallkommission darum ersucht.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
umgehend eine Härtefallkommission nach § 23 a Aufenthaltsgesetz einzurichten.

Zur Bildung der Härtefallkommission wird eine Verordnung unter folgenden Prämissen erlassen,
- Die Härtefallkommission setzt sich aus Mitgliedern von Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Mitgliedsorganisationen, dem Innenministerium und Vertretern der Kommunen zusammen.
- Auf eine Vorprüfungsinstanz wird verzichtet.
- Unzulässig ist ein Antrag einer Person, die "untergetaucht" und deswegen zur Fahndung ausgeschrieben ist, für die eine niedersächsische Ausländerbehörde nicht zuständig ist, die sich wiederholt an die Härtefallkommission wendet, ohne das sich die zugrunde liegende Sachlage zu Gunsten der Person geändert hat oder wenn ein Petitionsverfahren beim Landtag in gleicher Angelegenheit anhängig oder bereits abgeschlossen ist.
- Zu jedem Antrag ist eine Stellungnahme des Innenministeriums einzuholen. Die Härtefallkommission ist jedoch nicht an die Empfehlung in der Stellungnahme gebunden.

Begründung
Trotz aller Appelle von Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen ist eine "Altfallregelung" zu Gunsten von lange in der Bundesrepublik lebenden, voll integrierten, aber abgelehnten AusländerInnen mit dem Zuwanderungsgesetz nicht beschlossen worden. Auf der Landesebene muss daher nun die Möglichkeit Einzelregelungen treffen zu können, geschaffen werden. Schon vor dem Zuwanderungsgesetz konnten Härtefallkommissionen gebildet werden, aber leider haben bisher nur wenige Länder hiervon Gebrauch gemacht. Nun sind durch das Aufnahmegesetz auch die gesetzlichen Möglichkeiten gegeben, wegen dringender humanitärer oder persönlicher Gründe eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Nach der gesetzlichen Regelung darf nun das Innenministerium wenn die Härtefallkommission aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen darum ersucht, eine Aufenthaltsgenehmigung erteilen.
Mit den bisher in der Bundesrepublik bestehenden Härtefallkommissionen konnten durchweg gute Erfahrungen gemacht werden. Die Arbeit eines solchen Gremiums ist weder spektakulär, noch politisch brisant, noch eröffnet sie einen neuen Rechtsweg für die Antragsteller. Sie besteht im Wesentlichen darin, die Gründe für das Aufenthaltsbegehren aufzuarbeiten und die entscheidende Behörde aufzufordern, von den vorhandenen Ermessensspielräumen Gebrauch zu machen.
Ein wesentlicher Faktor hierzu ist die intensive Vorbereitung und Würdigung des Einzelfalles, der Sachverstand, die Dialog- und Konfliktbereitschaft der Mitglieder und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Die Antragsteller müssen darauf vertrauen können, dass nicht "nach Aktenlage" Empfehlungen gegeben werden. Deshalb ist es auch wichtig, dass bei den zur Beratung angemeldeten und angenommenen Fällen sichergestellt wird, dass, vor Abschluss der Beratung, keine Abschiebungen durchgeführt werden. Die Ausländerbehörden sollen gebeten werden in anhängigen Fällen bis zur Entscheidung der Kommission von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen.
Eine offizielle Statistik über die Tätigkeiten der bisher bestehenden Härtefallkommissionen gibt es nicht. Allerdings zeigen die Berichte aus den Ländern, in denen Kommissionen schon eingerichtet wurden, dass offensichtlich – auch unabhängig von bestehenden Petitionsausschüssen – ein Bedürfnis und die Notwendigkeit für die Einrichtung besteht. Beispielhaft sei die seit mehr als 10 Jahren bestehende Kommission in Berlin genannt. In zehn Jahren fanden ca. 100 Sitzungen statt, in denen je 10 bis 12 Anträge, die im Durchschnitt je drei Personen betrafen, behandelt wurden. Ungefähr 70% der Fälle konnten im Sinne der Antragsteller abgeschlossen werden. Das bedeutet, dass in zehn Jahren etwa 2000 Menschen aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsgenehmigung für Berlin erhalten konnten. Demgegenüber werden pro Jahr annähernd 4000 Menschen zwangsweise aus Berlin abgeschoben. Allein die Arbeit des Berliner Gremiums hat über die Landesgrenzen hinaus Anerkennung gefunden und führte in einigen Bundesländern zur Einrichtung ähnlicher Gremien.
Die Einrichtung einer Härtefallkommission in Niedersachsen steht nicht "in Konkurrenz" zum Petitionsausschuss, sondern stellt lediglich eine Ergänzung, aber auch eine Entlastung für den verfassungsrechtlich verankerten Petitionsausschuss dar. Sie kann keinesfalls als eine "Quasi-Petitionsinstanz" gesehen werden, sondern ist unabhängig von dem Petitionsausschuss eine durch das Aufnahmegesetz zugelassene Einrichtung. Da Anträge an die Härtefallkommission nicht gestellt werden können, wenn ein Petitionsverfahren beim Landtag in gleicher Angelegenheit anhängig oder bereits abgeschlossen ist, wird weiterhin die besondere Bedeutung und Stellung des Petitionsausschusses gewahrt.
Um die Arbeit der Härtefallkommission effektiv im Sinne des Aufnahmegesetzes zu gestalten, muss die Verordnung zur Einrichtung einer Härtefallkommission wichtige Voraussetzungen erfüllen. Hierzu gehören die Zusammensetzung aus Vertretern unterschiedlicher Institutionen, die Unabhängigkeit der Kommission gegenüber dem Land und der Verzicht auf eine Vorprüfungsinstanz.

Fraktionsvorsitzender

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