Antrag: Gesundheitsreform: solidarisch, nachhaltig und geschlechtergerecht gestalten – statt weiterer Belastungen für die Versicherten

 

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

Die gesellschaftlichen Erwartungen an die große Koalition waren mit einer umfassenden Gesundheitsreform verbunden. Das bisher vorgelegte Ergebnis stellt aber nur eine Mogelpackung dar. Die zurzeit diskutierten Eckpunkte zur Gesundheitsreform stellen das Solidarprinzip in Frage, sind nicht nachhaltig und geschlechtergerecht und führen zu weiteren Belastungen für die Versicherten und Krankenkassen.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, für eine Neukonzeption der Eckpunkte zur Gesundheitsreform einzutreten mit der Prämisse, die Finanzierungsgrundlagen der Gesetzlichen Krankenversicherung(GKV) langfristig zu stärken, ihren Solidarcharakter zu erhalten und auszubauen und die Rahmenbedingungen für einen an Qualität und Wirtschaftlichkeit ausgerichteten Wettbewerb zu verbessern.

Wichtige Eckpunkte sind:

  • der Verzicht auf den Aufbau überflüssiger Verwaltungsstrukturen,
  • die langfristige Stärkung und Verbreiterung der Finanzierungsgrundlagen der GKV durch die regelhafte und transparente Einbeziehung der Privaten Krankenkassen (PKV) in die solidarische Finanzierung des Gesundheitswesens,
  • keine Erhöhung der Beitragssätze,
  • die Weiterentwicklung der Wettbewerbsstrukturen auf der Anbieterseite,
  • die Vermeidung einseitiger Belastungen der Versicherten
  • und die Beibehaltung der beitragsfreien Mitversicherung der Kinder.

Begründung:

Die von der großen Koalition vereinbarten Eckpunkte zur Gesundheitsreform tragen nicht zur Lösung der drängenden Probleme innerhalb unseres Gesundheitswesens bei. Diese Einsicht scheint auch mittlerweile in den Fraktionen von CDU/CSU und SPD angekommen zu sein, denn es findet ein Abrücken der großen Koalition von den gemeinsam vereinbarten Eckpunkten zur Gesundheitsreform statt. Der Kompromiss, der innerhalb der Koalition vereinbart wurde, erlaubt beiden Seiten ihr Gesicht zu wahren. Die CDU und CSU können behaupten, die Krankenversicherung ein Stück weit in Richtung sogenannter Kopfpauschale bewegt zu haben. Die SPD kann sich und ihre Anhänger damit beruhigen, dass der Beitrag eines Versicherten auch weiterhin von der Höhe seines Einkommens abhängig ist.

Die angekündigte Beitragserhöhung ist widersinnig und widerspricht allen bisherigen politischen Zielaussagen vor der Wahl zur notwendigen Senkung der Lohnnebenkosten. Sie verteuert die Arbeitskosten und belastet erneut die Versicherten.

Fatal ist an den ausgehandelten Eckpunkten, dass die private Krankenversicherung (PKV) ihre bisherigen Privilegien in vollem Ausmaß beibehält. Diese Entscheidung ist verheerend und würde auch weiterhin die einkommensstärksten und im Durchschnitt auch gesündesten zehn Prozent der Bevölkerung nicht an der Finanzierung des Solidarsystems beteiligen. Damit wird die Fähigkeit der GKV in Frage gestellt, die wachsenden Anforderungen durch den demografischen Wandel und den medizinisch-technischen Fortschritt zu bewältigen.

Durch die Einführung der Kopfprämie würden vor allem niedrige Einkommen überproportional belastet. Reicht das Geld bei steigenden Gesundheitsausgaben nicht aus, sollen die Kassen diese individuelle Prämie erhöhen. Daran wird auch der in der SPD diskutierte einkommensabhängige Zusatzbeitrag nur graduell etwas ändern. In dieselbe Richtung weist die Forderung, den Beitragssatz für die Arbeitgeberbeiträge einzufrieren. Auch hierdurch werden steigende Gesundheitsausgaben einseitig den Versicherten aufgebürdet.

Mit der von der Bundesregierung geplanten Einführung eines - nach Aussage aller Experten und Expertinnen Fond komplett überflüssigen - Gesundheitsfonds wird eine neue bürokratische Großbehörde aufgebaut, die die bisherige bewährte Struktur der Beitragseinzüge beseitigt. Die Verwaltungskosten werden steigen. Der personalintensive Fond wird bei den Krankenkassen viele Arbeitsplätze in Frage stellen.

Von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD wird gefordert, die GKV stärker über Steuern zu finanzieren, es fehlt aber ein seriöses Konzept zur Gegenfinanzierung. Die Forderung steht auch im völligen Gegensatz zur bisherigen Politik der großen Koalition. Gerade erst hat sie den mit der letzten Gesundheitsreform eingeführten Steuerzuschuss für Familienleistungen an die gesetzliche Krankenversicherung abgeschafft. Während gleichzeitig 4,2 Mrd. € Steuermittel im Bundeshaushalt gestrichen werden, sollen für die Steuerfinanzierung der Krankenversicherungsausgaben für Kinder zunächst nur 1,5 Mrd. € bereitgestellt werden.

Überzeugende Pläne für Strukturreformen, die für mehr Qualität und Wirtschaftlichkeit innerhalb unseres Gesundheitswesens sorgen könnten, sind von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD bisher nicht zu hören. Solche Reformen sind aber neben einer Finanzreform dringend erforderlich, um Versorgungsprobleme zu lösen und übermäßige Belastungen der Versicherten infolge der steigenden Anforderungen an das Gesundheitswesen zu vermeiden. Eine Schlüsselrolle hierfür hat der Ausbau der Wettbewerbsstrukturen auch unter den Anbietern von Gesundheitsleistungen. Dazu gehören die Ablösung des Kollektivvertragssystems in der ambulanten ärztlichen Versorgung, die Aufhebung des Mehrbesitzverbots für Apotheken oder auch mehr Wettbewerb zwischen den Pharmaunternehmen. Damit könnten erhebliche Wirtschaftlichkeitspotenziale freigesetzt werden, die dem Solidarsystem und den Versicherten zugute kämen. Die bisher aus den Koalitionsverhandlungen bekannt gewordenen Pläne für Reformen auf der Ausgabenseite der gesetzlichen Krankenversicherung bleiben weit hinter diesem Ziel zurück.

Durch die von der großen Koalition beschlossene Anhebung der Mehrwertsteuer und die Streichung des Bundeszuschusses für Familienleistungen der Krankenkassen klafft im kommenden Jahr ein Milliardenloch in der GKV. Zu befürchten steht deshalb eine Reform, an deren Ende die Versicherten mehr bezahlen, ohne dass auch nur eines der strukturellen Probleme der GKV gelöst wäre.

Vor diesem Hintergrund bleibt nur die Konsequenz die Eckpunkte zur Gesundheitsreform neu zu verhandeln mit dem Ziel, die Finanzierungsgrundlagen der GKV langfristig zu stärken, ihren Solidarcharakter zu erhalten und auszubauen und die Rahmenbedingungen für einen an Qualität und Wirtschaftlichkeit ausgerichteten Wettbewerb zu verbessern.

Fraktionsvorsitzender

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