Antrag: Für eine innovative Förderung des ländlichen Raumes statt „the same procedure as every year“!

 

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest,

nach den bisherigen Verlautbarungen und Veröffentlichungen der Landesregierung soll die künftige Förderung über den Europäischen Landwirtschaftsfond für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER) sich weitgehend an den bisherigen Maßnahmen des niedersächsischen Proland-Programms orientieren.

Diese Absicht

  • steht im Widerspruch zu der Neuausrichtung und den veränderten Zielbestimmungen der neuen EU-Förderperiode 2007 bis 2013,
  • lässt die Evaluationsergebnisse der laufenden Förderperiode unbeachtet
  • ignoriert den aktuellen Entwurf der EU für eine Verschärfung der Beihilferegelungen im Landwirtschaftssektor und
  • nimmt die veränderten Rahmenbedingungen der EU-Agrarreform nicht zur Kenntnis.

Der Landtag fordert deshalb die Landesregierung auf,

  • das niedersächsische Programm für die ländliche Entwicklungsförderung entsprechend neu auszurichten
  • die geplante Mittelverteilung zu korrigieren, da sie nicht den erforderlich Förderungsprioritäten entspricht.

Dabei sind u. a. folgende Punkte zu beachten:

Zu Achse 1 (Wettbewerbsfähigkeit):

In der Wettbewerbsachse ist die betriebliche Investitionsförderung auf Investitionen, die vorrangig dem Verbraucher- und Umweltschutz und der artgerechten Tierhaltung dienen, zu beschränken. Die Marktorientierung der EU-Agrarreform mit den entkoppelten Direktzahlungen hat der Landwirtschaft bereits eine deutliche Wettbewerbsstärkung verschafft, die realisiert werden muss. Reine Wachstumsförderung würde nur kontraproduktiv verzerrend wirken und Mitnahmeeffekte produzieren. Der Schwerpunkt der betrieblichen Förderung ist auf die Qualifizierung der Unternehmer für das ökonomische und ökologische Betriebsmanagement zu legen.

Der ländliche Wegebau ist auf die Fälle zu beschränken, die im Rahmen eines regionalen Entwicklungskonzeptes erarbeitet werden und multifunktonalen Charakter (z. B. Fahrradtourismus, Naturschutz) haben.

Die Förderung von Verarbeitung und Vermarktung ist zu beschränken auf die Entwicklung neuer Produkte und innovativer Vermarktungsstrategien in regionalem Maßstab unter besonderer Berücksichtigung der ökologisch erzeugten Produkte.

Neue Flurneuordnungsverfahren sind nicht mehr mit EU-Mitteln zu fördern.

Für die Achse 1 sind dafür 25 % der zur Verfügung stehenden Mittel (statt 45 %) vorzusehen.

Zu Achse 2 (Umwelt und Landmanagement)

Die Mittel für die Förderung des biologischen Landbaus sind zu erhöhen, um die aktuelle Beratungsqualität zu sichern und um die niedersächsische Produktion der kontinuierlich steigenden Nachfrage nach Biolebensmitteln anzupassen.

Die Förderung von Maschinen zur umweltgerechten Gülleausbringung ist in den nächsten drei Jahren schrittweise mit stark degressiv fallenden Zuschüssen einzustellen.

Der Grünlandschutz ist mit einem Programm zur Förderung der Weidehaltung zu unterstützen. Dabei ist auch ein Extensivierungszuschlag vorzusehen.

Der Schwerpunkt der Naturschutzförderung ist auf NATURA-2000-Flächen zu legen. Diese Förderung orientiert sich an den maßnahmebedingten Bewirtschaftungsnachteilen. Im Vertragsnaturschutz ist regelmäßig die ergebnisorientierte Honorierung von Naturschutzleistungen zu wählen.

Für die Achse 2 sind dafür 40 % der Mittel (statt 25 %) zu reservieren.

Zu Achse 3 (Diversifikation und Lebensqualität)

Die Maßnahmen zur Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft sind konsequent auf die Sicherung zukunftsfähiger und die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu orientieren. Innovative Produkte und Technologien rücken damit in den Mittelpunkt der Förderung. Sektoral sind hier die Entwicklung des Freizeit- und Erholungswertes (ländlicher Tourismus), die Nutzung der Bioenergie, die IuK-Technik und neue regionale Wertschöpfungskonzepte in der Lebensmittelkette besonders hervorzuheben.

Die Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität im ländlichen Raum konzentrieren sich auf die Entwicklung des Natur- und Kulturerbes sowie die investive Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie.

Eine besondere Förderung ist für zukunftsfähige Konzepte zur Sicherstellung der Grundversorgung in Regionen mit demografisch nachteiliger Entwicklung vorzusehen.

Für die Achse 3 sind dafür (einschl. LEADER) 35 % der Mittel (statt 30 %) vorzusehen.

Die Förderung des ländlichen Raumes ist mit der Strukturförderung (EFRE) zu verzahnen. Wie dort sind neue Instrumente wie Projektausschreibungen und Darlehensförderung zu erproben. Projekte aus regionalen Entwicklungskonzepten (LEADER, ILEK) sind bevorzugt zu fördern.

Begründung

Die Förderrichtlinie der EU für die ländliche Entwicklung für den Zeitraum ab 2007 und die dazu formulierten strategischen Leitlinien stellen die Sicherung und Schaffung von Beschäftigung und Einkommen im Rahmen einer nachhaltigen Regionalentwicklung und auf der Basis eines gesicherten Naturraumpotenzials in den Mittelpunkt der künftigen Förderperiode bis 2013 (Lissabon und Göteborg). Deutlich vorgezeichnet ist die Weiterentwicklung des Landwirtschaftsfonds von einem Instrument der reinen Agrarförderung zu einem Budget für die Begleitung einer integrierten Entwicklung im gesamten Spektrum des ländlichen Raumes in seiner differenzierten Ausprägung. Dem dient auch die geforderte achsenübergreifende Ausrichtung der möglichen Umweltmaßnahmen.

Die Evaluierung der laufenden Förderperiode kritisiert generell die mangelnde Abstimmung zwischen den Programmmaßnahmen und den anvisierten Zielen. So seien z. B. kaum direkte Wirkungen im Bereich Beschäftigung und Einkommen festzustellen aber viele Mitnahmeeffekte erkennbar. Gerade intensiv genutzte Standorte mit ökologischen Problemen sind durch sinnvolle Umweltmaßnahmen nur eingeschränkt erreicht worden. Empfohlen werden eine stärkere strategische Ausrichtung und eine konkretere Zielbestimmung in den Programmen. Insbesondere sollen die Beschäftigungsziele stärker gewichtet, Maßnahmen zielorientiert auf die betroffenen Gebietskulissen ausgerichtet und Synergieeffekte mit der Strukturförderung genutzt werden.

Der breite Ansatz von ELER wird auch durch die neuen Vorschläge der EU-Kommission zur Verschärfung der Beihilferegelungen im Landwirtschaftssektor unterstrichen. Im Interesse einer Harmonisierung mit dem Wirtschaftssektor möchte die EU künftig Leistungen, die sie als Betriebsbeihilfen ansieht, wie z. B. Werbemaßnahmen, Zucht- und Leistungsprüfungen, aber auch die Flurbereinigung, nicht mehr fördern.

Mit der EU-Agrarreform wurden die Direktbeihilfen der 1. Säule, auf die 90 % der Gesamtmittel entfallen, für die landwirtschaftlichen Unternehmen von der bisherigen Produktbindung entkoppelt. Damit sind die Betriebe in ihrer Produktionsentscheidung frei und können sich gezielt am Markt orientieren. Das ist die entscheidende Wettbewerbsstärkung für die künftige Entwicklung. Marktorientierung heißt aber auch, dass sich die Investitionen am Markt erwirtschaften lassen. Eine reine Wachstumsförderung führt hier zu Verzerrungen und birgt die Gefahr von Fehlinvestitionen. Es ist deshalb nicht sachgerecht, wenn die Landesregierung auch in der 2. Säule, die mit 10 % der Gesamtmittel auskommen muss, die betriebliche Agrarinvestionsförderung zum Schwerpunkt erklärt.

In den von der Landesregierung jetzt vorgelegten Handlungsempfehlungen für die EU-Förderperiode 2007 – 2013 im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik ist nicht zu erkennen, dass die veränderten Rahmenbedingungen zur Grundlage des künftigen niedersächsischen Förderprogramms gemacht werden. Erkennbar ist lediglich ein weitgehendes Beharren auf dem alten Proland-Konzept.

Während alle anderen Bundesländer erhebliche Kürzungen für die ländliche Entwicklungsförderung in Kauf nehmen müssen, werden Niedersachsen dank der Ziel-1-Förderung sogar mehr Mittel als bisher für neue Arbeitsplätze, Ökolandbau, Naturschutzmaßnahmen u. a. zur Verfügung stehen. Insgesamt können jährlich über 100 Mio. € verausgabt werden. Die Landesregierung nutzt diese Chance aber nicht. Sie handelt weitgehend nach dem Motto: "The same procedure as every year".

stellv. Fraktionsvorsitzende

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