Antrag: Für den Schutz von Klima, Umwelt und Gesundheit: Erdöl und Erdgas in der Erde lassen, Förderende einleiten, unnötige Kosten verhindern!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Erdgas wird häufig als Brücke zu Energiewende und Klimaschutz bezeichnet. Doch auch Erdgas ist ein fossiler Energieträger, dessen Förderung und Verbrennung erhebliche klimaschädliche Treibhausgasemissionen verursacht. Um den Klimawandel auf 1,5 Grad zu begrenzen, wie es das internationale Klimaabkommen von Paris vorsieht, muss das Land Niedersachsen spätestens bis zum Jahr 2040 die Klimaneutralität erreichen. Dafür sind schrittweise alle fossilen Energieträger einschließlich Öl und Gas zu ersetzen. Auch muss das Land Niedersachsen alle Hebel nutzen, um sogenannte Sunk Costs, also nicht mehr rückgängig zu machende, unnötige Kosten zu verhindern und zu vermeiden. Das bedeutet, dass ein Ausstieg aus der Erdgas- und Erdölförderung rechtzeitig vorgesehen und geplant werden muss, um Fehlinvestitionen in Infrastruktur und möglichen Entschädigungsansprüchen von Erdgas- und Erdölunternehmen vorzubeugen.

Niedersachsen ist von der Förderung von Erdöl und Erdgas besonders stark betroffen. 96 Prozent der deutschen Erdgasförderung findet in Niedersachsen statt. Bei der Erdölförderung steht Niedersachsen mit 35,5 Prozent an zweiter Stelle der förderintensivsten Länder.

Doch die Förderung in Niedersachsen ist nicht sauber, bedeutet relevante Risiken für den Wasser- und Bodenschutz und hat erhebliche Belastungen für Mensch und Umwelt zur Folge. Trotz wiederholt verschärfter Sicherheitsauflagen kommt es immer wieder zu Unfällen und Leckagen. Der massive Austritt von Lagerstättenwasser in Emlichheim (Landkreis Grafschaft Bentheim), der vier Jahre lang unbemerkt blieb und das Grundwasser verschmutzt hat, zeigt dies besonders deutlich.

Auch der Verdacht gesundheitlicher Auswirkungen durch die Öl- und Gasförderung konnte bislang nicht ausgeräumt werden. Bei einer Sonderauswertung von Daten des Epidemiologischen Krebsregisters Niedersachsen (EKN) war für die Jahre 2014 und 2015 in der Samtgemeinde Bothel im Landkreis Rotenburg (Wümme) eine erhöhte Anzahl von hämatologischen Krebserkrankungen bei Männern aufgefallen. Eine vom Landkreis durchgeführte Untersuchung in der Samtgemeinde Bothel lieferte 2017 Hinweise, dass vor allem eine wohnliche Nähe zu Bohrschlammgruben einen Zusammenhang zu hämatologischen Krebserkrankungen aufweisen könnte. Die sog. Abstandsstudie des Niedersächsischen Sozial- und Gesundheitsministeriums wiederum beschrieb ein erhöhtes Risiko einer hämatologischen Krebserkrankung für Frauen, die in der Nähe von Standorten der Erdgasförderung wohnten. Die niedersächsischen Erdgasregionen sind zudem immer wieder von Erdbeben betroffen, die durch die Erdgasförderung verursacht werden. Wegen des gravierenden Erdbebenrisikos haben die Nieder-lande kürzlich den Ausstieg aus der Erdgasförderung in der Region Groningen bekannt gegeben, da der gesellschaftliche Druck durch die Erdbebenereignisse immer größer wurde.

Für die Nutzung und die Förderung von Erdöl und Erdgas ist ein klarer Ausstiegs- und Umstiegspfad nötig, um die richtigen Weichen für die Energiewende zu stellen. Entscheidend ist, frühzeitig für alle Beteiligten Planungssicherheit zu schaffen und Investitionen zielgerichtet in Erneuerbare Technologien und Energiesparen zu lenken.

Der Landtag stellt fest, dass:

  • ein Ende der Erdöl- und Erdgasförderung in Niedersachsen rechtzeitig und konform der Klimaziele jetzt eingeleitet werden muss,
  • ein sofortiger Stopp neuer Aufsuchungs- und Fördergenehmigungen über eine Änderung des Bundesbergrechts erforderlich ist,
  • aufgrund der unkalkulierbaren Risiken für Mensch und Umwelt jede Form von Fracking dauerhaft auszuschließen ist.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  • sich auf Bundesebene für oben genannte Ziele einzusetzen und parallel dazu über einen Energiewende-Fahrplan mit bereits in den nächsten Jahren wirksamen Maßnahmen auch den Ausstieg aus der Nutzung in Niedersachsen voranzutreiben,
    • um den vollständigen Umstieg von der Nutzung von Erdöl und Erdgas auf Erneuer-bare Energien spätestens bis zum Jahr 2040 abzuschließen,
    • indem der Wärme- und Energieverbrauch in Niedersachsen u.a. durch Effizienzmaßnahmen und energetische Sanierung sowie die Mobilitätswende schnellstmöglich abgesenkt wird,
    • der verbleibende, nicht anders substituierbare Öl- und Gasbedarf aus erneuerbaren Quellen wie z.B. Biogas oder grünem Wasserstoff gedeckt wird.
  • mit Blick auf die wiederkehrenden Leckagen und dem geplanten Ausstieg
    • das Landesbergamt von einer Genehmigungs- zu einer reinen Aufsichtsbehörde weiterzuentwickeln und dazu organisatorisch dem Landesumweltministerium zu unterstellen, um den sicheren Ausstieg aus der Förderung aktiv zu begleiten. Ein ent-sprechendes Konzept, das diesem Paradigmenwechsel Rechnung trägt und das LBEG auch personell und finanziell besser ausstattet, ist dem Landtag vorzulegen,
    • die staatliche Aufsicht über die Öl- und Gasindustrie so auszugestalten, dass eine umfassende, regelmäßige und von den Firmen unabhängige Kontrolle der Sicherheit der Erdöl- und Erdgasindustrie in Niedersachsen gewährleistet wird.
  • alle Subventionen und Vergünstigungen für fossile Energien zu streichen, die Feldes- und Förderabgabe von Erdöl und Erdgas bis zum Förderende schrittweise zu erhöhen und die Mehreinnahmen in den Klimaschutz, Erneuerbare Energien und Energieeffizienz zu investieren.

Begründung

Jeder Euro, der heute noch fossile Technik finanziert, verzögert eine ambitionierte Energiewende. Es dürfen für Industrie, Gewerbe und Haushalte keine Fehlanreize gesetzt werden, in neue Infrastrukturen für Erdöl und Erdgas zu investieren. Insbesondere ist zu vermeiden, dass in den nächsten Jahren beispielsweise weiter in die Förderung fossiler Rohstoffe oder neuer Gas-Kraftwerke investiert wird. Nur eine im Rahmen der Klimaziele von Paris rechtzeitig angelegte Ausstiegsstrategie verhindert spätere Entschädigungsansprüche der Betreiber und eine damit für die Steuerzahler*innen unnötige Ver-teuerung des klimapolitisch absehbar notwendigen Ausstiegs.

2016 hat die Bundesregierung nach langen Diskussionen Umweltstandards im Bergrecht verschärft und Fracking eingeschränkt, dies wurde insbesondere von der rot-grünen Landesregierung in Nieder-sachsen im Bundesrat eingefordert. Schiefergas-Fracking hat Rot-Grün daraufhin per Erlass in Niedersachsen für unzulässig erklärt. Ein freiwilliges Moratorium für das Fracking in Sandstein (Tight Gas) in Niedersachsen hat die Industrie im Jahr 2016 jedoch aufgekündigt. Rechtlich ausgeschlossen ist Fracking bislang in Wasserschutzgebieten und Trinkwassereinzugsgebieten. In Naturschutzgebieten und Nationalparks dürfen keine Fracking-Anlagen errichtet werden. Seit 2011 wurde in Niedersachsen nicht mehr gefrackt, wohl auch, weil die Industrie um die fehlende Akzeptanz dieser Risikotechnologie in der Bevölkerung weiß. 

Konsequenter Klimaschutz erfordert, den Energieverbrauch deutlich zu senken und erneuerbare Energiequellen zu nutzen. Ein großer Erdgas- und Erdölverbrauch besteht im Gebäudesektor. Für die dringend benötigte Wärmewende muss der Heizbedarf im Gebäudebereich durch energetische Sanierung und klare Gebäudestandards gesenkt werden. Der verbleibende Wärmebedarf für Heizung und Warmwasserversorgung kann mit Solarthermie oder Wärmepumpen erzeugt werden. Der Erdölverbrauch im Mobilitätssektor ist durch eine Elektrifizierung und erneuerbare Energieversorgung, eine Stärkung des klimafreundlichen Bahn- und Busverkehrs sowie des Rad- und Fußverkehrs und eine Verringerung des motorisierten Individualverkehrs zu substituieren.

Gasförmige Energieträger aus erneuerbaren Energien sind kosten- und energieaufwendig in der Her-stellung. Grüne Gase wie Wasserstoff bzw. Methan aus Ökostrom oder Biogas aus Reststoffen sind daher vorrangig für Anwendungen bzw. Prozesse vorzusehen, bei denen andere Lösungen nicht funktionieren, also unter anderem für den Flugverkehr, den Schwerlastverkehr auf der Straße bzw. für große Containerschiffe oder auch für die Prozesswärme in der Industrie.

Bis der Ausstieg aus der Förderung von Erdöl und Erdgas in Niedersachsen abgeschlossen ist, muss die Erdöl- und Erdgasindustrie stärker und umfassender kontrolliert werden. Das zeigen die vielen Leckagen der letzten Jahre und Jahrzehnte, allen voran der vier Jahre lang unbemerkt gebliebene Aus-tritt von voraussichtlich bis zu 220.000 m³ Lagerstättenwasser in Emlichheim.

Das Landesbergamt muss daher in seiner Kontrollfunktion gestärkt werden. Statt Aufsuchungserlaub-nisse und Genehmigungen zu erteilen, besteht die Aufgabe des Landesbergamts in Zukunft in der Begleitung des Ausstiegs aus der Förderung.

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