Antrag: Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA – Interessen Niedersachsens wahren, europäische Standards sichern

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

 

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

In einer gemeinsamen Erklärung haben der Präsident der Vereinigten Staaten, Barack Obama, der Präsident des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, und der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, am 13. Februar 2013 die Aufnahme von Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika angekündigt. Die Wirtschaftsbeziehungen sollen auf eine neue Grundlage gestellt und Verhandlungen über ein umfassendes Handels- und Investitionsabkommen aufgenommen werden. Ziel des angestrebten Freihandelsabkommens ist es, bisher nicht genutzte Potenziale des transatlantischen Marktes auszuschöpfen und einen besseren gegenseitigen Marktzugang zu ermöglichen. Langfristig wird mit dem Abschluss des Freihandelsabkommen die Sicherung und Schaffung von Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätzen auf beiden Seiten des Atlantiks und die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen unter Berücksichtigung der Verbraucherinteressen in Europa und den Vereinigten Staaten angestrebt.

Die Verhandlungen erstrecken sich auf verschiedene handelspolitische Bereiche. Im Mittelpunkt steht dabei die Erleichterung des Marktzugangs. Beim Warenhandel ist es das Ziel, Zölle im bilateralen Handel abzubauen. Im Dienstleistungshandel und bei Investitionen sollen hohe Liberalisierungs- und Schutzniveaus ausgehandelt werden. Ebenso soll der Zugang zu Beschaffungsmärkten auf allen Verwaltungsebenen verbessert werden. Ein weiterer Aspekt betrifft die Festlegung von Regeln. Hiervon betroffen sind Fragen, die das Recht auf geistiges Eigentum betreffen, aber auch arbeits- und umweltrechtliche und Nachhaltigkeitsaspekte sowie Bestimmungen zur Wettbewerbspolitik und der Energie- und Rohstoffpolitik. Schließlich stehen Regulierungsfragen und nichttarifäre Handelshemmnisse auf der Verhandlungsagenda.

Einer Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung zur Folge würde das Bruttosozialprodukt je Einwohner in der EU und den USA durch das Freihandelsabkommen deutlich steigen und neue Arbeitsplätze schaffen. Auf der anderen Seite müssen aber auch Aussagen der Bundesregierung mit Sorge betrachtet werden, die die hohen Umwelt-, Sozial- und Verbraucherschutzstandards in Europa für ein Freihandelsabkommen infrage stellen.

Der Landtag nimmt vor diesem Hintergrund die Vereinbarung zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika, Verhandlungen über ein transatlantisches Freihandelsabkommen zu führen, zur Kenntnis und fordert die Landesregierung auf, gegenüber der Bundesregierung darauf zu drängen, dass

  • in Europa gültige Sozial-, Umwelt-, Verbraucherschutz-, Lebensmittel-, Gesundheits-, Datenschutz- und Industriestandards gewahrt bleiben und nicht aufgeweicht werden,
  • im Bereich des Datenschutzes insbesondere die anlasslose Datenerhebung und -verwertung durch staatliche und andere Stellen - gerade mit Blick auf den Bereich wirtschaftlicher Tätigkeit - sowohl in den USA als auch in der EU ausgeschlossen wird,
  • bei Unterschieden in den Standards der jeweils höhere Umwelt-, Sozial- und Verbraucherschutzstandard gelten soll,
  • nicht-tarifäre Handelshemmnisse, z. B. unterschiedliche technische Vorschriften und Standards, besser aufeinander abgestimmt und gegenseitig anerkannt werden,
  • in den Verhandlungen über Investitionsregelungen auf einen Interessenausgleich geachtet und das bereits erreichte Niveau des Rechtsschutzes in Europa berücksichtigt wird,
  • audiovisuelle Dienstleistungen die kulturelle Identität jedes einzelnen Mitgliedstaates widerspiegeln und daher wesentlich auch als Kulturgüter, keineswegs allein als Wirtschaftsgüter anerkannt werden; die Kultur- und Medienhoheit der Länder ist durch eine klare Kultur- und Medienausnahme bei den Verhandlungen zu wahren,
  • während der Verhandlungen eine transparente Verhandlungsführung erforderlich ist und ein kontinuierlicher Austausch mit den Vertretern von Unternehmens-, Umwelt-, Verbraucher-, Arbeitnehmer- und anderen Verbänden stattfindet,
  • durch die Parlamente beschlossene Gesetze und Standards für den Europäischen Binnenmarkt nicht durch das Freihandelsabkommen infrage gestellt werden,
  • die Länder in regelmäßigen Abständen zum Fortgang der Beratungen umfassend und kontinuierlich unterrichtet werden.

 Begründung

Von dem geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA können vielfältige positive Impulse ausgehen. Ziel muss es sein, dass sowohl europäische Standards im Umwelt-, Sozial-, Daten- und Verbraucherschutz gewahrt werden als auch, dass die niedersächsische Wirtschaft und der niedersächsische Arbeitsmarkt von den neuen Handelsbeziehungen profitieren. Der Export in die Vereinigten Staaten belief sich im Jahr 2012 auf 7,8 Prozent und nahm im Vergleich zum Vorjahr um 30 Prozent zu. Nach den Niederlanden sind die USA das zweitwichtigste Exportland für die niedersächsische Wirtschaft.

Als besonders sensibel ist der Bereich der Agrar- und Ernährungswirtschaft einzustufen. Die Auffassungen zwischen der EU und den USA hinsichtlich genetisch veränderter Organismen (GVO), Klonen und Verbrauchergesundheit verlaufen derzeit gegensätzlich. Hormonfleisch, Chlorhühner und genveränderte Lebensmittel dürfen auch in Zukunft nicht auf dem europäischen Markt angeboten werden. In den Verhandlungen ist deshalb darauf zu achten, dass die bisherigen entsprechenden europäischen Standards vollständig beibehalten werden.

Insbesondere vor dem Hintergrund der „Rohstoff-Revolution“ in den USA und den damit verbundenen sinkenden Energiepreisen kommt es darauf an, nicht-tarifäre Handelshemmnisse abzubauen, um unnötige Kosten zu vermeiden. Hierzu zählen die Vereinheitlichung von Standards und Normen in der Automobil- und Chemieindustrie ebenso wie die Vereinheitlichung von Zulassungen, Meldepflichten und Grenzwerten. Bei Umwelt-, Sozial- und Verbraucherstandards sollte das jeweils höhere Schutzniveau übernommen werden.

Mit Blick auf den kulturellen und audiovisuellen Bereich wird die Gefahr gesehen, dass bestehende oder künftige Regelungen der Kulturförderung oder für Rundfunk oder Telemedien, die der Sicherung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt dienen, einer Liberalisierungslogik unterworfen werden könnten. Dies würde dem bisherigen europäischen Grundkonsens widersprechen, dass Kulturgüter nicht allein den Gesetzen des Marktes überlassen werden dürfen.

Bei den Investitionsregelungen und in diesem Zusammenhang enthaltenen Klagemöglichkeiten für Investoren ist es in der Vergangenheit zu erheblichen Problemen gekommen. Demokratisch getroffene Entscheidungen können von Investoren beklagt werden. Diese Klagen beziehen sich häufig auf Umweltstandards, Anhebung von Mindestlöhnen oder Änderungen der Energiepolitik. Zudem ist das Schiedsverfahren intransparent; ein Revisionsverfahren ist nicht vorgesehen. Daher sollte das Freihandelsabkommen den amerikanischen Investoren ein gleich hohes, aber kein höheres Schutzniveau bieten wie das, das für Investoren aus der Union bzw. der Mitgliedstaaten gilt.

Um den genannten Forderungen gerecht zu werden, ist eine für alle Beteiligten transparente Verhandlungsführung notwendig. Eine Unterrichtung der Länder durch die Bundesregierung in regelmäßigen Abständen über den Stand der Verhandlungen ist deshalb unerlässlich.

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