Antrag: Erbrachte Prüfungsleistungen honorieren und die rechtswissenschaftliche Ausbildung attraktiver gestalten

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Das rechtsstaatliche System in Deutschland beruht auf einer starken und leistungsfähigen Judikative. Das am Bild der Volljuristin bzw. des Volljuristen ausgerichtete Studium mit zwei Staatsexamina als große staatliche Abschlussprüfungen ist eine der Grundlagen einer starken und leistungsfähigen Judikative. Die ausschließliche Ausrichtung des Studiums auf diese eine große Abschlussprüfung hat jedoch den Nachteil, dass während des Studiums erbrachte Leistungen sich nicht in der Abschlussprüfung niederschlagen. Es gibt daher eine wachsende Zahl von Stimmen innerhalb der juristischen Gemeinschaft, die für eine Reform des Studiums der Rechtswissenschaften und der weiteren juristischen Ausbildung plädieren. Dabei ist auch an der Struktur der juristischen Ausbildung anzusetzen.

Sowohl die Zahl der Studierenden als auch die Zahl der Absolventinnen und Absolventen der juristischen Prüfungen befinden sich auf einem konstant niedrigen Niveau bzw. fallen leicht ab.[1] Dabei ist der Bedarf an hochqualifizierten Juristinnen und Juristen in der Praxis nicht gesunken. Im Hinblick auf die geburtenstarken Jahrgänge, die in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen und somit aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden werden, besteht vielmehr ein erhöhter Bedarf an Studienabsolventinnen und -absolventen.

Dieser Bedarf bezieht sich nicht nur auf Volljuristinnen und -juristen, sondern vor allem auch auf den Einstieg in der zweiten Laufbahngruppe im öffentlichen Dienst sowie in der freien Wirtschaft. Ein solcher Abschluss ist bisher in der klassischen juristischen Ausbildung mit dem Studienabschluss Erste Prüfung (sogenanntes Erstes Staatsexamen) nicht vorgesehen. Zudem wird innerhalb der Universitäten auch verhältnismäßig wenig Zeit für die wissenschaftliche Ausbildung der Studierenden aufgewendet. Vielmehr ist das Studium derzeit hauptsächlich auf die Prüfungsvorbereitung der Pflichtfachprüfung ausgelegt.

Vor diesem Hintergrund bittet der Landtag die Landesregierung,

in Zusammenarbeit mit den juristischen Fakultäten

  1. zeitnah einen auf der ersten Qualifikationsstufe der Studienstruktur im europäischen Hochschulraum angesiedelten Bachelor of Laws (LL.B.) in das Studium der Rechtswissenschaften zu integrieren;
  2. zu prüfen, wie die rückwirkende Integration eines Bachelorabschlusses in den bestehenden Examensstudiengang Rechtswissenschaft zeitnah geregelt werden kann.                                                                                 

Begründung

Die Integration eines Bachelor-Abschlusses in das Jurastudium hilft, das Studium für eine breitere Zielgruppe zugänglicher und attraktiver zu machen.

Einer der häufigsten Gründe, den Studienabbrecherinnen und -abbrecher nennen, ist die fehlende Studienmotivation. Im Vergleich zu den Bachelorstudiengängen ist das Jurastudium nicht darauf ausgerichtet, ein großes Ziel in kleinen Teilzielen zu erreichen. Die während des Studiums erbrachten Leistungen dienen zwar als Zulassungsvoraussetzung für die Pflichtfachprüfung, jedoch spiegeln sich die in diesen Prüfungen erzielten Ergebnisse nicht in den Abschlüssen wieder.

Indem diese bis zur Zulassung zum ersten Staatsexamen erbrachten erheblichen Leistungen, die vom Umfang her mindestens den Anforderungen anderer Bachelor-Studiengänge entsprechen,   akademisch honoriert werden, erhalten die Studierenden eine akademische Anerkennung und Wertschätzung für ihre erbrachten Leistungen. Darüber hinaus kann die Anerkennung in Form eines akademischen Abschlusses dazu beitragen, den Studierenden bei der Bewerbung um einen Arbeitsplatz oder bei der Fortsetzung ihrer Ausbildung in einem postgradualen Studium einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.

Ferner kann eine akademische Anerkennung der Prüfungsleistungen dazu beitragen, die Qualität und den Standard der juristischen Ausbildung insgesamt zu verbessern, da die Studierenden einen zusätzlichen Anreiz haben, sich intensiver mit den Prüfungsthemen auseinanderzusetzen und bessere Ergebnisse zu erzielen.

Ein Bachelor-Abschluss ist in vielen Ländern eine gängige Ausbildungsvoraussetzung und könnte dazu beitragen, die internationale Vergleichbarkeit von juristischen Abschlüssen zu verbessern.

Ein Bachelor of Laws ist darüber hinaus eine gute Basis für einen Einstieg in die zweite Laufbahngruppe im öffentlichen Dienst. Diese Perspektive ist gerade im Hinblick auf den aktuellen psychischen Druck, der auf Rechtskandidatinnen und -kandidaten lastet, die ohne das Bestehen der Pflichtfachprüfung nach durchschnittlich fünf Jahren Studium ohne Abschluss dastehen, wünschenswert. Die Möglichkeit, im juristischen Bereich zu arbeiten und das im Studium Erlernte anzuwenden, nimmt die Angst vieler Studierender, ohne berufliche Perspektiven dazustehen.

Ferner ist der Bachelorabschluss die Zugangsvoraussetzung zu vielen Masterstudiengängen. Juristische Kenntnisse sind in fast allen Studiengebieten hilfreich. Wenn den Studierenden während ihres Studiums klar wird, dass sie nicht in einem klassisch juristischen Beruf arbeiten möchten, bleibt ihnen so die Möglichkeit, sich fachlich und beruflich umzuorientieren, ohne dass sie die Zeit während des langwierigen Jurastudiums „verschwendet“ hätten.

Zudem haben die Bundesländer Baden-Württemberg, Brandenburg, Berlin, Hessen und Rheinland-Pfalz bereits teilweise oder vollständig einen integrierten Bachelor eingeführt, Nordrhein-Westfalen und Sachsen befinden sich unmittelbar in der Umsetzung. Schon zur Vermeidung eines dadurch drohenden Nachteils im „Wettbewerb um die besten Köpfe“, sollte dieser Schritt daher in Niedersachsen gegangen werden.

Da es sich beim Jurastudium im Grundsatz weiterhin um einen Examensstudiengang handelt, sollte ein solcher Abschluss - wie auch in den o.g. anderen Bundesländern – möglichst ohne größere Eingriffe in den bisherigen Studienverlauf und ohne zeitaufwändige Akkreditierungsverfahren zeitnah ermöglicht werden können. Die auf die „Breite“ der Ausbildung angelegten klassischen juristischen Prüfungen und Scheine (Zwischenprüfung und große Scheine) sollen zu diesem Zweck zum einen Bestandteil des Bachelorabschlusses werden und zum anderen als Zulassungsvoraussetzungen für das wissenschaftlich in die „Tiefe“ gehende an den Fakultäten angebotene Schwerpunktbereichsstudium dienen. Wer an der Universität sowohl die Ausbildungsgrundlagen für die Zulassung zur Pflichtfachprüfung sowie zum Schwerpunktbereich erfolgreich absolviert hat, sollte hierfür einen akademischen Grad – den Bachelor – verliehen bekommen. Spezielle Wahlfächer sind dabei weiterhin möglich. Diese frühzeitige Ausrichtung der Studieninhalte ist perspektivisch auf die angebotenen Schwerpunktbereiche anzupassen, so dass auf vorhandene Kenntnisse aufgebaut werden kann.

Darüber hinaus soll geprüft werden, wie ein entsprechend eingeführter Bachelor of Laws rückwirkend auch für ehemalige und noch eingeschriebene Studierende erlangt werden kann. Im Sinne der Rechtssicherheit und Vergleichbarkeit der Prüfungsleistungen könnte die aktuelle Studienordnung, wie im Fall von Berlin, als Anknüpfungspunkt herangezogen werden.

Die Möglichkeit, nach bestandener Pflichtfachprüfung und der universitären Schwerpunktbereichsprüfung den Titel „Diplomjuristin bzw. Diplomjurist zu erlangen, soll dabei nicht berührt werden und weiterhin einem Abschluss der Bologna Qualifikationsstufe 2 gleichstehen.

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