Antrag: Entwicklungsmöglichkeiten durch mehr Freiräume – Schulen zukunftsfähig aufstellen, Beteiligte entlasten

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90 Die Grünen

 

Entwicklungsmöglichkeiten durch mehr Freiräume – Schulen zukunftsfähig aufstellen, Beteiligte entlasten

Entschließung

Unsere Gesellschaft befindet sich in einem steten und immer schnelleren Wandel, hinzu kommen aktuelle Krisen sowie die Sicherung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Um Schüler*innen auf ein verantwortungsbewusstes, solidarisches und selbstbestimmtes Leben und Handeln vorzubereiten, bedarf es einer Weiterentwicklung von Lern- und Schulkultur.

Gute Schulen und guter Unterricht sind die Grundlagen dafür, Schüler*innen zu fördern und Basiskompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen einschließlich der sozialen und emotionalen Kompetenzen oder Selbstwirksamkeitserfahrungen im Schulalltag zu vermitteln. Niedersachsen ist durch eine vielfältige Schullandschaft geprägt, die wiederum mit unterschiedlichen Gegebenheiten und Anforderungen in den einzelnen Schulen verbunden ist. Umso wichtiger ist es, Schulen dabei zu unterstützen, gute Lösungen für die unterschiedlichen Aufgaben zu finden. Dafür benötigen Schulen Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne der eigenverantwortlichen Schule.

Die vergangenen Pandemie-Jahre haben allen Beteiligten an Schule viel abverlangt und sie mussten Unglaubliches leisten, um trotz der erschwerten Bedingungen Unterricht und Lernen sicherzustellen. Bewusst haben Schulen dafür organisatorische, personelle und curriculare Freiräume identifiziert sowie zusätzliche vom Land ermöglicht bekommen, um beispielsweise fächerübergreifendes Projektarbeiten sowie neue Lern- und Prüfungsformate umzusetzen. Diese wertvollen Erfahrungen gilt es auszuwerten und für die weitere Entwicklung von Schule nutzbar zu machen.

Gerade der ständige Wandel der Ausgangslagen und Bedürfnisse der Schüler*innen – verstärkt durch die pandemischen Erfahrungen – bedarf neuer Lernwege und Lernangebote, damit diese ihre Potenziale entdecken und weiterentwickeln, um als wirksame und selbstbewusste Mitgestaltende der Gesellschaft und ihrer Transformationsprozesse agieren zu können. Schule soll und kann durch Freiräume noch intensiver an den Stärken der jungen Menschen ansetzen, um möglichst für alle Schüler*innen ein passgenaues Lernangebot zu ermöglichen.

Die Schulen in Niedersachsen sollen durch Freiräume zu Innovationen ermutigt und dabei unterstützt werden, weil sie auf diesem Weg den Bedürfnissen und Ausgangslagen der ihnen anvertrauten Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen individueller begegnen können. Schulpreisträgerschulen in Niedersachsen machen deutlich, dass für gute Modelle genau solche Freiräume gebraucht werden.

Wichtig ist dabei, alle in Schule Beschäftigten bei einer positiven Entwicklung von Schule und Unterricht zu unterstützen, ohne ihnen zusätzliche Aufgaben aufzubürden.

Um Schulen als Lern- und Lebensorte weiter zu entwickeln, sollten ihnen mehr organisatorische und personelle Eigenverantwortung sowie pädagogische Freiräume ermöglicht werden. Hierzu gehören beispielsweise jahrgangs- und fächerübergreifendes Lernen, Angebote zum Lernen im eigenen Takt, Projektlernen und Freiräume bei der Art der Leistungsüberprüfungen sowie die Möglichkeit, alternative Prüfungs- und Abschlussformate nutzen zu können. Das Ziel muss sein, Schulen mehr zu ermöglichen statt zu verordnen.

Vor diesem Hintergrund begrüßen wir

die Freiräume, die Schulen in der Corona-Pandemie zur adäquaten Reaktion auf die Pandemielage unterstützt haben.

den Prozess „Bildung 2040“ und damit einhergehend die Einrichtung des Modellprojekts „Zukunftsschule“.

die Handreichung des Kultusministeriums „Schule gestalten – Freiräume nutzen“, die Schulen die Freiräume zur Schulentwicklung und Konzeptgestaltung, die bereits möglich sind, aufzeigt und damit Prozesse absichert und ermöglicht.

Der Landtag bittet die Landesregierung:

  1. einen Freiräume-Prozess im Rahmen bestehender Personalansätze zu initiieren, um zum einen bereits auf Grundlage der aktuellen niedersächsischen Gesetzes- und Erlasslage bestehende Gestaltungsspielräume zu identifizieren und besser sichtbar zu machen. Zum anderen soll herausgearbeitet werden, welche zusätzlichen oder während der Pandemie eröffneten Freiräume Schulen benötigen bzw. dauerhaft nutzen können sollten, um mehr Eigenverantwortung zu erhalten.
  2. das Modellprojekt „Zukunftsschule“ auch hinsichtlich möglicher Impulse für den Freiräume-Prozess auszuwerten, weiter fortzuführen, die vorhandenen Netzwerke weiterzuentwickeln und nach Möglichkeit auszuweiten.
  3. sich auf der Ebene der KMK für mehr Freiräume für Schulen einzusetzen, insbesondere hinsichtlich der Weiterentwicklung der Bildungsstandards, der Möglichkeiten bzgl. des Lernens im eigenen Tempo sowie alternativer Prüfungs- und Abschlussformate.
  4. die curricularen Vorgaben durch zeitgemäße, auch digitale Formate und Praxisnähe und unter Einbindung der digitalen Kompetenzen weiterzuentwickeln, stärker auf die Schulabschlüsse auszurichten und dadurch auch in den Unterrichtsfächern Freiräume zur inhaltlichen Schwerpunktsetzung zu ermöglichen.
  5. Überlegungen zur Leistungsbewertung, Prüfungsformaten, sowie projektbezogenes und teilhabeorientiertes Arbeiten in diesen Prozess mit einzubeziehen.
  6. den jahrgangs- und fächerübergreifenden Unterricht, der die Jahrgänge 1 bis 4 miteinschließt, rechtssicher ermöglichen und damit den individuellen Bedürfnissen von Schüler*innen gerecht zu werden.   
  7. Schulen Freiräume zur individuellen Schwerpunktsetzung zu ermöglichen. So sind Fragen zur Förderung von Basiskompetenzen, soziale Kompetenzen, Berufsorientierung, Begabungsförderung und Individualität von Schüler*innen ebenso wie die Sicherung von Übergängen regelmäßig im Fokus für die Benötigung solcher Möglichkeiten.
  8. die Nutzung der Freiräume für eine positive Schulentwicklung der Schulen durch ein zukunftsfähiges Beratungs- und Unterstützungssystem zu befördern, die Qualifizierung von Schulleitungen darauf auszurichten, die Eigenverantwortung zu stärken und die schulischen Gremien zu ermutigen, Freiräume auch zu nutzen und rechtssichere untergesetzliche Regelungen dafür zu schaffen.

Begründung

Im Rahmen der eigenverantwortlichen Schule in Niedersachsen besteht schon heute die Möglichkeit, weitreichende Schulentwicklungsprozesse zu durchlaufen, um selbstbestimmte Lernprozesse zu ermöglichen und eine hohe Partizipation von Lernenden sowohl im Lebensraum Schule als auch in der Gesellschaft zu fördern. Daher gilt es zunächst einmal, die bestehenden Möglichkeiten besser herauszuarbeiten und sichtbar zu machen. Zum anderen sollte nicht zuletzt auf den Erfahrungen der Coronavirus-Pandemie aufgebaut werden, um zu überprüfen, welche zusätzlichen Freiräume möglich und sinnvoll sind.

Freiräume sollen gefunden, erkennbar gemacht und weiterentwickelt werden, damit die Schulen in Niedersachsen ihrem Bildungsauftrag noch besser gerecht werden können. Durch Freiräume entstehen andere und neue Lernwege und Lernangebote in der Schule, die der Heterogenität der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen noch erfolgreicher begegnen können. Im Singapurer Rahmenkonzept von Olaf-Axel Burow werden die Handlungsfelder der Zukunft beschrieben, die es den Schüler*innen ermöglichen vor dem Hintergrund unklarerer Perspektiven und multiplen Krisen handlungsfähig zu bleiben. Hier ist insbesondere auf die innere Haltung und Selbstbewusstheit der Schüler*innen zu achten. Schulleitungen und Kollegien kennen ihre Schule, die Schüler*innen und das individuelle Umfeld der Schule am besten und sollten deshalb eine individuell sinnvolle Schulentwicklung initiieren können. Da alle an Schule Beteiligten in den letzten Jahren aufgrund von Pandemie, Fachkräftemangel und zusätzlichen Aufgaben bereits Enormes leisten mussten, sollen die Entwicklungsprozesse rechtssicher und ohne zusätzliche weitere Belastungen möglich sein.

Mit den Zukunftsschulen fördert das Niedersächsische Kultusministerium Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) und die Demokratiebildung sowie die Entwicklung, Erprobung und Umsetzung innovativer pädagogischer Ansätze in Schulen aller Schulformen. Hierzu gehört zum einen das Modellprojekt Zukunftsschule, mit dem 65 Schulen bei ihrer Schul- und Unterrichtsentwicklung mit den Schwerpunkten BNE und Demokratiebildung intensiv im Prozess begleitet werden. Jede teilnehmende Schule kann in diesem Projekt pädagogische Ansätze erproben, die einen innovativen Gestaltungsspielraum beschreiben und über einen bisher definierten pädagogischen Rahmen in den Bereichen BNE und Demokratiebildung hinausgehen. Zum anderen gibt es das Netzwerk Werkstatt Zukunftsschule, das ein Zusammenschluss von Schulen ist, die in regionalen Treffen mit Werkstattcharakter wertvolle pädagogische Impulse von Referent*innen erhalten und sich gegenseitig in ihrem Innovationsprozess ermutigen und unterstützen. Die Erfahrungen und Ergebnisse und insbesondere die von den Schulen genutzten Freiräume sollen evaluiert und auf ihre landesweite Übertragbarkeit geprüft werden.

Ein Freiräumeprozess, der zum Ziel hat, die gewonnenen Erfahrungen für Schule nutzbar zu machen und allen Schulen Entwicklungsmöglichkeiten zu ermöglichen ist vor diesem Hintergrund der nächste logische Schritt. Gleichzeitig berichten viele an Schule Beteiligte, die sich im Bereich Schulentwicklung schon auf den Weg gemacht haben, dass es Ihnen an Unterstützung und Beratung durch die Fachebene in diesem Prozess fehlt und dass sie häufig schlecht abschätzen können, ob sie rechtssicher handeln. Es ist deshalb wichtig, einen Ermöglichungsprozess zu starten, in dem auch insofern wertschätzend miteinander gearbeitet wird, dass Rechtssicherheit und breite Unterstützung für alle im Prozess Beteiligten gewährleistet sind. Untergesetzliche Regelungen sind entsprechen anzupassen.

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