Antrag: Einsetzung eines 19. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses

 

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

 

Gemäß Artikel 27 der Niedersächsischen Verfassung wird der 19. Parlamentarische Untersuchungsausschuss eingesetzt.

 

I. Der Untersuchungsausschuss hat die Aufgabe aufzuklären:

  • Inwieweit es Fehlverhalten und/oder strukturelle Informationslücken im niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (MW) bzw. seiner untergeordneten Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) sowie der von der Landesbehörde beauftragten Kontroll- und Überwachungsinstanz TÜV Arbeitsgemeinschaft Versuchsanlage Emsland(TÜV Arge) gegenüber dem Betreiber der Transrapid Versuchsanlage Emsland (TVE), der Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft mbH (IABG), vor und nach dem schweren Unfall mit 23 Toten am 22. September 2006 gegeben hat, und wie sich dies ggf. auf die Betriebsgenehmigungen und die Betriebspraxis der TVE insbesondere in Bezug auf die Sicherheitsauflagen, die Betriebsüberwachung und den faktischen Betrieb der Versuchsanlage mit erheblichem Publikumsverkehr seit 2003 ausgewirkt hat.
  • Ob der niedersächsische Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Walter Hirche, im Zusammenhang mit dem Transrapidbetrieb auf der TVE seiner Verantwortung gegenüber der Aufsichtsbehörde entsprochen hat.
  • Ob der Minister nach dem Unglück vom 22.09.2006 zu jeder Zeit die Öffentlichkeit und das Parlament seiner Pflicht entsprechend über alle Vorkommnisse und Zusammenhänge von Genehmigung, Betrieb und Aufsicht der TVE informiert hat.

II. Unter der in Abschnitt I genannten Fragestellung ist insbesondere aufzuklären:

  • In welchen Verantwortlichkeitsbereichen einschließlich der politischen Führung ggf. Organisationsverschulden für Mängel in den zum Unfallzeitpunkt bei der TVE geltenden Rahmensetzungen für Sicherheit, Betriebsüberwachung und Betriebspraxis vorliegt.
  • Warum das seit 2003 von der DB AG gegenüber der Industrie geforderte integrierte technische Sicherungssystem für alle Magnetzüge und Wartungsfahrzeuge auf einer Strecke, das dann am 23.06.2005 von der DB Magnetbahn als Sicherheitskonzept (SiKo) dem Eisenbahnbundesamt (EBA) für die geplante Strecke in München zur Genehmigung vorgelegt wurde, nicht ebenfalls Grundlage für die in Niedersachsen neu erteilte Betriebsgenehmigung der TVE zum 1.04.2006 geworden ist und/oder zumindest umgehend mit den verschiedenen möglichen Ausführungstechniken in die Erprobung auf der TVE einbezogen worden ist.
  • Welche anderen Hinweise durch Betriebspersonal, Mitarbeiter des TÜV oder aus der wissenschaftlichen Diskussion es zu möglichen Gefährdungen aus dem Parallelbetrieb von Magnetfahrzeugen und nicht magnetbetriebenen Fahrzeugen sowie durch das Fehlen einzelner Sicherheitsbetrachtungen bei der TVE gegenüber Betreiber, TÜV ARGE und/oder der Genehmigungsbehörde vor der Betriebsgenehmigung vom 1.04.2006 für die TVE gegeben hat und warum die Hinweise ggf. nicht berücksichtigt worden sind.
  • Ob angesichts der tatsächlichen Nutzung der TVE, bei der z.B. im Jahr 2006 mehr als ein Drittel der Fahrten auf der TVE regulärem Personenverkehr entsprach, mit festem Fahrplan, Preisstaffel für die Fahrscheine und überregionaler Bewerbung im Internet, der allein aus dem Versuchsanlagengesetz abgeleitete Sicherheitsrahmen der aktuellen Betriebsgenehmigung der TVE ausdrücklich ohne Einbeziehung der Radfahrzeuge in die technische Sicherung angemessen war.
  • Warum sich bei der TVE die Genehmigungsbehörde, die TÜV ARGE und die Betreiber beim Parallelbetrieb von Magnetzug und Werkstattwagen allein auf den Risikofaktor Mensch verlassen haben, anstatt zusätzlich auf leicht installierbare technische Sicherheitsmechanismen, obwohl im deutschen Rechtsverständnis Verkehrssicherungspflicht, laut Entscheidung des Bundesgerichtshofes, im Zweifelsfall das ist, was ein vernünftig denkender Mensch tut.
  • Ob es sich bei der zögerlichen Offenlegung von betrieblichen Vorfällen auf der TVE sowie von Hinweisen auf mögliche Gefährdungen im Vorfeld des tragischen Unfalles und den widersprüchlichen Aussagen zu den Sicherheitsstandards der TVE im Vergleich zum Bahnverkehr ab Tempo 120 Km/h in Deutschland sowie zu dem eingereichten SiKo für die Transrapidstrecke München, um vorsätzliche oder zumindest fahrlässige Täuschung von Öffentlichkeit und Landtag handelt.
  • Ob sich aus der ggf. zu langfristigen Beschäftigung und/oder zu einseitigen Ausrichtung der Arbeit auf die Transrapidtechnik bei den beteiligten Personen aus Wissenschaft, Betrieb, TÜV, Genehmigungsbehörde und Politik ein zu eingeschränktes Problembewusstsein für Betrieb und Betriebssicherheit auf der TVE entwickeln konnte, so dass im Gegensatz zum schnellen Bahnbetrieb in Deutschland, hier bisher nicht alle Fahrzeuge in eine technische Sicherung integriert wurden.

III. Der Untersuchungsausschuss besteht aus 11 Mitgliedern, die von den Fraktionen nach folgendem Verteilerschlüssel benannt werden:

CDU-Fraktion 5 Mitglieder, SPD-Fraktion 4 Mitglieder, FDP-Fraktion 1 Mitglied, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen 1 Mitglied.

Ferner ist die gleiche Zahl von Stellvertreterinnen oder Stellvertretern zu benennen. Der Ausschuss wählt seine Vorsitzende oder seinen Vorsitzenden und deren oder dessen Stellvertreterin oder Stellvertreter.

IV. Die Landesregierung wird ersucht zu veranlassen, dass alle von dem Untersuchungsausschuss und seinen etwaigen Unterausschüssen zu vernehmenden Landesbediensteten im Rahmen der Gesetze von der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit entbunden werden. Dies gilt auch für ehemalige Landesbedienstete, soweit sie über ihre Tätigkeit im Landesdienst vernommen werden sollen. Die Landesregierung hat erforderlichenfalls Akteneinsicht zu gewähren.

V. Für den Untersuchungsausschuss gilt die diesem Beschluss als Anlage beigefügte Geschäftsordnung.

Fraktionsvorsitzender

 

Anlage

 

Geschäftsordnung

für den

19. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss

des Niedersächsischen Landtages

 

§ 1

(1)           Der Untersuchungsausschuss ist verhandlungs- und beschlussfähig, wenn die Mehrheit seiner stimmberechtigten Mitglieder nach ordnungsgemäßer Einladung anwesend ist.

(2)           Ist der Untersuchungsausschuss nicht verhandlungs- und beschlussfähig, so unterbricht die Vorsitzende oder der Vorsitzende zunächst die Sitzung auf bestimmte Zeit. Ist nach dieser Zeit die Verhandlungs- und Beschlussfähigkeit noch nicht eingetreten, so vertagt sie oder er die Sitzung. In der nächstfolgenden Sitzung ist der Untersuchungsausschuss verhandlungs- und beschlussfähig, auch wenn nicht die Mehrheit seiner stimmberechtigten Mitglieder anwesend ist.

(3)           Beschlüsse werden, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist, mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder gefasst.

§ 2

(1)           Der Untersuchungsausschuss kann für einzelne Aufgaben Unterausschüsse einsetzen, die aus drei oder fünf stimmberechtigten Mitgliedern des Untersuchungsausschusses bestehen. Er bestimmt zugleich die Vorsitzende oder den Vorsitzenden und die Berichterstatterin oder den Berichterstatter.

(2)           Der Beschluss über die Einsetzung, den Aufgabenbereich und die Größe von Unterausschüssen bedarf der Mehrheit der Stimmen der stimmberechtigten Mitglieder des Untersuchungsausschusses.

(3)           Für Unterausschüsse gelten die §§ 1, 3 bis 9 entsprechend. Die Entscheidung über die Heranziehung von Sachverständigen bleibt dem Untersuchungsausschuss vorbehalten.

§ 3

(1)           Im Untersuchungsausschuss ist eine Stellvertretung durch andere als die hierfür benannten Abgeordneten unzulässig.

(2)           Die stellvertretenden Mitglieder dürfen bei jeder Sitzung des Untersuchungsausschusses als Zuhörerinnen oder Zuhörer anwesend sein.

(3)           Andere Abgeordnete dürfen bei nichtöffentlichen Sitzungen des Untersuchungsausschusses als Zuhörerinnen oder Zuhörer anwesend sein, solange nicht ein Fünftel der stimmberechtigten Mitglieder widerspricht.

§ 4

Mitglieder und Beauftragte der Landesregierung sowie Beauftragte der Fraktionen dürfen an den nichtöffentlichen Sitzungen des Untersuchungsausschusses als Zuhörerinnen oder Zuhörer teilnehmen, solange nicht ein Fünftel der stimmberechtigten Mitglieder widerspricht. Die Vorsitzende oder der Vorsitzende kann den in der Sitzung anwesenden Mitgliedern oder Beauftragten der Landesregierung das Wort erteilen.

§ 5

(1)           Über die Erhebung von Beweisen beschließt der Untersuchungsausschuss in nichtöffentlicher Sitzung.

(2)           Jedes Mitglied des Untersuchungsausschusses kann in nichtöffentlicher Sitzung         die Erhebung von Beweisen beantragen.

(3)           Zulässigen Beweisanträgen muss entsprochen werden, wenn sie von einem Fünftel der stimmberechtigten Mitglieder unterstützt werden; dies gilt auch für zulässige Anträge, die auf die Durchsetzung bereits beschlossener Beweiserhebungen gerichtet sind.

§ 6

(1)           Der Untersuchungsausschuss erhebt die Beweise in öffentlicher Verhandlung. Jeder Termin zur öffentlichen Verhandlung ist durch Anschlag im Landtagsgebäude bekannt zu geben.

(2)           Die Öffentlichkeit kann auf Antrag von den Beweiserhebungen des Untersuchungsausschusses ausgeschlossen werden. Der Beschluss wird in nichtöffentlicher Sitzung gefasst. Er bedarf der Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen der stimmberechtigten Mitglieder.

(3)           Der Inhalt von Personalakten sowie Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse dürfen nur in nichtöffentlicher Sitzung erörtert werden. Weitergehende Bestimmungen, die sich aus der sinngemäßen Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess oder der Geschäftsordnung für den Niedersächsischen Landtag ergeben und die Geheimhaltung oder die vertrauliche Behandlung von Unterlagen betreffen, bleiben unberührt.

§ 7

Auskunftspersonen werden unter kurzer Angabe des Gegenstandes, über den sie aussagen sollen, auf einen Tag zur Verhandlung geladen. Sie erhalten Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen.

§ 8

Beweiserhebungen sind wörtlich zu protokollieren. Über die Art der Protokollierung der Beratungen entscheidet der Untersuchungsausschuss.

§ 9

Die dem Untersuchungsausschuss zugeleiteten Urkunden, Akten oder sonstigen Unterlagen sind auf Anforderung jedem Mitglied und jedem stellvertretenden Mitglied zugänglich zu machen.

§ 10

Nach Abschluss der Untersuchung ist dem Landtag ein schriftlicher Bericht vorzulegen. Der Untersuchungsausschuss beauftragt eines oder mehrere seiner Mitglieder, den schriftlichen Bericht im Plenum des Landtages zu erläutern. Minderheiten können Minderheitsberichte erstatten; diese sind zusammen mit dem Ausschussbericht zu veröffentlichen.

§ 11

Geschäftsstelle des Untersuchungsausschusses und der Unterausschüsse ist der Präsident des Niedersächsischen Landtages - Landtagsverwaltung -.

§ 12

Im Übrigen gelten für den Untersuchungsausschuss und die Unterausschüsse die Bestimmungen der Geschäftsordnung für den Niedersächsischen Landtag sinngemäß.

Parlamentarische Geschäftsführerin
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