Antrag: Doppelhaushalt 2022/23: Niedersachsenfonds für Klimaschutz und Zukunftsinvestitionen einrichten, einmalige Spielräume der Steuerschätzung und des Sondervermögens nutzen

Zu

Entwurf eines Gesetzes zur Feststellung des Haushaltsplans für die Haushaltsjahre 2022 und 2023 (Haushaltsgesetz 2022/2023 - HG 2022/2023 -)
Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 18/9720 neu
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen - Drs. 18/10350

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Die Herbst-Steuerschätzung hat dem Land Niedersachsen einen kräftigen Zuwachs der Steuereinnahmen prognostiziert. Auch nach Abzug des kommunalen Anteils und der rigiden Konjunkturkomponente kann das Land bis 2023 mit einem satten Steuer-Plus von einer Milliarde Euro rechnen. Zudem ermöglicht das Corona-Sondervermögen, Steuermindereinnahmen aufgrund konjunktureller Einbrüche der letzten Jahre oder wegen Corona-bedingten Steuerrechtsänderungen auszugleichen. Diese Möglichkeiten hat die Landesregierung bislang ungenutzt verstreichen lassen. Um der Klimakatastrophe noch wirksam begegnen zu können, müssen diese vorhandenen Mittel jetzt in massive Investitionen für Klimaschutz fließen. Zudem hat die Pandemie mit der vierten Welle so stark wie noch nie zugeschlagen. Zur Krisenbewältigung, der nachhaltigen Unterstützung der Kommunen, der Aufrechterhaltung sozialer Infrastruktur und zur Sicherung zukunftsfähiger Arbeitsplätze ist endlich ein beherztes Handeln notwendig.

Die Anzeichen für durchgreifende klimatische Veränderungen werden immer deutlicher:

Die Folgen für Land-, Forst-, Wasserwirtschaft und Küstenschutz schlagen sich bereits mit dreistelligen Millionenbeträgen im Landeshaushalt nieder. Mittelfristig werden die Kosten für Klimaanpassung den Haushalt dominieren, wenn nicht entschieden gegengesteuert wird. Langfristig lässt sich die Hauptdeichlinie nicht halten, wenn die Klimaveränderungen nicht gestoppt werden.

Die aktuelle Landesregierung klammert sich beim Landeshaushalt an das Symbol der Schwarzen Null, während zugleich Spielräume, die sich aus der Steuerschätzung oder aus dem Corona-Sondervermögen ergeben, liegen gelassen werden. Stattdessen wird mit vermeintlichen Einsparbemühungen, wie der Streichung ohnehin unbesetzter Stellen, davon abgelenkt, dass zeitgleich viel Infrastruktur kaputtgespart wird. So sinkt der Wert des Immobilienbestandes und damit des Landesvermögens, weil viel zu wenig in Bauunterhaltung und energetische Sanierung investiert wird. Allein bei der Bauunterhaltung von Hochschul-, Gerichts-, Krankenhaus-, Polizei-, Finanzamts- und Schulgebäuden von Land und Kommunen liegt der Bedarf über zehn Mrd. Euro. Die energetische Sanierung und die Ausstattung mit digitaler Infrastruktur sowie die überfällige Digitalisierung staatlicher Leistungen kommen als weitere ungedeckte Mehrbedarfe noch hinzu.

Das Land braucht zielgenaue Maßnahmen, um die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie aufzufangen und die soziale Infrastruktur aufrechtzuerhalten. Zudem brauchen wir einen starken konjunkturellen Impuls für den Neustart nach der Krise, mit dem zudem die Transformation zu einer weitgehend dekarbonisierten Wirtschaft unterstützt wird. Staatliche Hilfe muss kritische Infrastrukturen stützen und Branchen fördern, die zukunftsfähige enkeltaugliche Produkte und Dienstleistungen entwickeln.

Viele Menschen mussten seit Beginn der Pandemie Gehaltseinbußen hinnehmen oder haben sogar ihre Jobs verloren. Immer weiter steigende Mieten beanspruchen zudem einen Großteil des Nettogehalts. Soziale Gerechtigkeit bei der Bewältigung der Krise und der ökologischen Transformation der Wirtschaft ist unabdingbar für eine stabile Demokratie und eine gute Zukunft. Zudem braucht es stärkere Investitionen in gute Bildung. Um all dies dauerhaft zu finanzieren, muss zudem geprüft werden, wie vermögende und sehr gut verdienende Personen im Rahmen eines Lastenausgleichs herangezogen werden können.

Vor diesem Hintergrund fordern wir die Landesregierung auf:

1.      einen Niedersachsenfonds mit einem Stammkapital von einer Mrd. Euro aufzulegen, der die adressierten Bedarfe für dringende Zukunftsinvestitionen konsequent angeht. Diesbezüglich wird die Landesregierung aufgefordert:

a.      dem Landtag den Entwurf eines Rahmenvertrages zur Bewirtschaftung des Niedersachsenfonds mit der NBank oder einer anderen Landesgesellschaft vorzulegen.

b.      im Rahmenvertrag vorzusehen, dass der Niedersachsenfonds im Rahmen der vom Landtag definierten Ziele insgesamt Anleihen im Wert von zehn Mrd. Euro zur Finanzierung von Investitionen begeben kann.

c.      Zielvereinbarungen für einen Unterfonds in Höhe von drei Mrd. Euro für klimaneutrale Neubau-, Unterhaltungs- und energetische Sanierungsinvestitionen von Schulen, Kindergärten und Bildungseinrichtungen in kommunaler Trägerschaft vorzulegen.

d.      Zielvereinbarungen für einen Unterfonds in Höhe von zwei Mrd. Euro für klimaneutrale Neubau-, Unterhaltungs- und energetische Sanierungsinvestitionen von Hochschulen, Stiftungshochschulen und Studentenwerken des Landes und für innovative nachhaltige Forschungsvorhaben vorzulegen.

e.      Zielvereinbarungen für einen Unterfonds in Höhe von zwei Mrd. Euro für klimaneutrale Neubau-, Unterhaltungs- und energetische Sanierungsinvestitionen von Krankenhäusern, Gesundheitszentren und Hochschulkliniken vorzulegen.

f.        Zielvereinbarungen für einen Unterfonds in Höhe von einer Mrd. Euro für Investitionen in Infrastruktur zum klimaneutralen Umbau der Energieversorgung und der Mobilität, der klimagerechten Transformation der Landwirtschaft, der Energie- und Klimaforschung sowie für den Erhalt natürlicher Kohlenstoffspeicher vorzulegen.

g.      Zielvereinbarungen für einen Unterfonds in Höhe von einer Mrd. Euro für klimaneutrale Neubau-, Unterhaltungs- und energetische Sanierungsinvestitionen von Gerichtsgebäuden, Polizeigebäuden, Finanzämtern, Schul- und Behördengebäuden des Landes vorzulegen.

h.      Zielvereinbarungen für einen Unterfonds in Höhe von einer Mrd. Euro für klimaneutrale Neubau-, Unterhaltungs- und energetische Sanierungsinvestitionen von Wohnungen einer Landeswohnungsbaugesellschaft und von kommunalen Wohnungsbaugenossenschaften im unteren und mittleren Preissegment vorzulegen.

i.        eine vom Landtag zu besetzende Fonds-Investkommission bei der NBank oder entsprechenden Landesgesellschaft einzurichten, die Informations- und Akteneinsichtsrechte beim Fonds hat und die regelmäßige unterjährige Berichte des Fonds und der Landesregierung zur Umsetzung der Zielvereinbarungen und des Rahmenvertrages erhält.

j.        im Rahmenvertrag mit der NBank oder entsprechenden Landesgesellschaft Finanzierungsmodelle für Investitionen in Infrastruktur des Landes und der Kommunen unter Einbeziehung vorhandener oder neu zu gründender Landesgesellschaften vorzusehen. Dabei sind Vorschläge für angemessene und nachhaltige Entgelte für Leistungen des Fonds zu machen.

2.      vorgesehene Kürzungen bei Soziales, Kultur, Bildung oder Hochschulen zurückzunehmen und die soziale Infrastruktur künftig so auszugestalten, dass gesellschaftlicher Zusammenhalt gerade inmitten einer Pandemie zurückgewonnen werden kann.

3.      die rechtlich vorhandenen Spielräume des Corona-Sondervermögens zur Abfederung von Steuermindereinnahmen aufgrund konjunkturbedingter Einbrüche und coronabedingter Steuerrechtsänderungen nicht weiter verstreichen zu lassen, sondern endlich zu nutzen, um Niedersachsenfonds und soziale Infrastruktur nachhaltig zu finanzieren.

 

4.      mit dem Jahresabschluss 2021 aus den prognostizierten Mehreinnahmen der November-Steuerschätzung mindestens 600 Mio. Euro der Allgemeine Rücklage zuzuführen, um diese Mittel für Zukunftsinvestitionen der nächsten Jahre nutzbar zu machen.

Begründung

Der Haushaltsplanentwurf der Landesregierung für 2022 und 2023 adressiert nicht die notwendigen Investitionsbedarfe und schlägt zudem teilweise völlig ungeeignete Kürzungen vor. Die guten Prognosen der künftigen Steuereinnahmen müssen stattdessen genutzt werden, endlich die riesigen Bedarfe für den Klimaschutz anzugehen. Hinzu kommen Krisenbewältigung und Gewährleistung der staatlichen und kommunalen Handlungsfähigkeit, mittel- und langfristig wirksame konjunkturelle Impulse zum Umbau der Wirtschaft sowie die Bereitstellung einer angemessenen sozialen Infrastruktur. Niedersachsen braucht endlich einen Impuls, mit dem all dies angegangen wird.

Gerade der Gebäudebereich ist beim Klimaschutz zentral. Neubauten müssen höchsten Ansprüchen an Klimaschutz gerecht werden. Wo möglich sollte vorhandene Bausubstanz genutzt werden, weil so die graue Energie erhalten werden kann. Quartiersentwicklung, Sektorkopplung, vorbildliche Wärmekonzepte, Wärmepumpen, innovative Speicherkonzepte, effiziente Wasserstoffanwendungen und erneuerbare Energien sollen zugleich Schaufenster für technische Innovation im 21. Jahrhundert werden. Nachhaltiges Bauen und Sanieren muss ein niedersächsisches Markenzeichen werden. Damit können vorhandene Arbeitsplätze gesichert werden, neue Arbeitsplätze geschaffen werden und die Innovation von Handwerk, Gewerbe, Industrie und Forschung vorangetrieben werden.

Von 661 Bauwerken, die die Polizei in Niedersachsen nutzt, liegen für 50 Prozent sogenannte Baubedarfsnachweise (BNN) vor, das heißt sie sind sanierungsbedürftig. Bei den 267 Bauwerke, die von Gerichten und Staatsanwaltschaften genutzt werden liegen ebenfalls für 50 Prozent der Gebäude Baubedarfsnachweise vor. Bei den Finanzämtern sind von 134 Bauwerken 55 Prozent sanierungsbedürftig und bei den 120 Bauwerken von Schulen und Ausbildungsstätten in Landesträgerschaft sind sogar 65 Prozent von Baumängeln betroffen, die eine Sanierung erfordern. Bei 610 Gebäuden die in Niedersachsen von Krankenhäusern genutzt werden, wird der Sanierungsbedarf der „Prioritätenliste“ auf 2,5 Mrd. Euro geschätzt.

Die Hochschulrektorenkonferenz schätzt den Handlungsbedarf für die Anpassung an erforderliche Kapazitäten und den Sanierungsbedarf für 975 Bauwerke in einer aktuellen Studie auf 4,3 Mrd. Euro. Dabei bleibt der Bedarf für den Neubau der Universitätsmedizin - laut Landesrechnungshof ca. 5 Mrd. Euro ohne Forschungsgebäude - noch außen vor. Im Sondervermögen für die Hochschulmedizin sind aktuell 1,1 Mrd. Euro zurückgelegt, zudem liegt eine Verpflichtungsermächtigung in gleicher Höhe für künftige Haushalte vor.

Aufgrund von Auskünften vieler Kämmereien für das KfW-Kommunalpanel 2019 und einer Analyse vom Deutschen Institut für Urbanistik (difu) liegt für Schulgebäude in Niedersachsen der wahrgenommene Investitionsrückstand bei etwa 4,2 Mrd. Euro.

Bei den oben genannten Zahlen bleibt die energetische Sanierung und die Herstellung von Klimaneutralität, die erforderlich ist um die niedersächsischen Verpflichtungen nach dem Pariser Klimaabkommen zu erfüllen, außen vor. Einen Hinweis auf den notwendigen finanziellen Aufwand kann dem „agiplan-Gutachten“ des MU entnommen werden. Im Rahmen dieses Gutachtens wurden die Sanierungskosten für die Gebäude der Landesverwaltung u. a. für den KfW55-Standard, der in etwa dem Passivhausstandard entspricht, ermittelt. Danach wäre mit einem finanziellen Aufwand von ungefähr 4,3 Milliarden Euro (einschließlich Baunebenkosten) auf Kostenbasis 2014 zu rechnen. Zudem reicht der KfW 55 Standard keineswegs aus um Klimaneutralität zu erreichen.

Mit dem oben geforderten Niedersachsenfonds könnte die öffentliche Infrastruktur einen Quantensprung machen. Das Modell ist rechtskonform und sofort umsetzbar. Über eine Rahmenvereinbarung mit der NBank oder einer anderen Landesgesellschaft und die Einrichtung von Unterfonds legt der Landtag die Investitionsziele, die Qualitätsstandards, Nutzungsentgelte und andere Rahmenbedingungen fest. Eine vom Landtag bestimmte Fonds-Investkommission kann im Detail Einblick nehmen falls erforderlich. Unterjährige Berichte an den Landtag dokumentieren den Grad der Zielerreichung.

Mit den Investitionen des Fonds werden aktivierbare Werte erhalten oder geschaffen. Bislang bleibt der Wert des Landesvermögens bei der Beratung des Landeshaushaltes fast komplett ausgeblendet. Ob der Wert des Landesvermögens sinkt oder steigt bildet sich bei einer rein kameralistischen Haushaltsführung nicht ab. Dabei haben solche Entwicklungen fundamentalen Einfluss auf die Haushaltsführung des Landes. Verfallene Infrastruktur führt zu impliziter Verschuldung. Auch unterlassenes Handeln beim Klimaschutz führt zu impliziter Verschuldung zulasten künftiger Generationen.

Der Niedersachsen Fonds ist als Fonds des Landes im vollständigen unveräußerlichen Landesbesitz. Der Fonds wird mit eigenen Einnahmen ausgestattet. Jede Investition wird mit einem Tilgungsplan versehen. Investitions- und Tilgungszuschüsse muss der Fonds selbst finanzieren. Über Konzessionen, Mieten und Nutzungsentgelte fließen Mittel an den Investitionsfonds zurück. Der Fonds finanziert die Investitionen in voller Höhe, erzielt seine Einnahmen in Form von Konzessionen – verteilt über die Nutzungsdauer – von der öffentlichen Hand, z. B. einer Kommune und kann vollständig selbständig wirtschaftlich tätig werden. Weitere Einnahmen zur Refinanzierung kann der Fonds über Mieten und Erlöse generieren.

Die öffentliche Investitionstätigkeit wird mit der Hebelwirkung einer geplanten und kontrollierten Kapitalaufnahme bei historisch niedrigen Zinsen massiv ausgeweitet. Wichtige Zukunftsinvestitionen können damit getätigt werden. Der Fonds verstetigt die Investitionsnachfrage und verbessert die Planungsfähigkeit für die Unternehmen. Eine langfristige Planungssicherheit für Investitionen ist garantiert – überjährig und unabhängig von Konjunktur- und Haushaltsschwankungen. Durch die Ausweitung der öffentlichen Investitionen werden private Folgeinvestitionen angeregt. Gleichzeitig entstehen neue Spielräume in den laufenden Haushalten. Voraussetzung sind Tarifbindung, Mitbestimmung und Kriterien Guter Arbeit.

Die Gegenfinanzierung der Milliarde für den Niedersachsenfonds soll über bislang nicht in Anspruch genommene Kompensationsmittel für Steuerausfälle aufgrund des pandemiebedingten Konjunktureinbruchs in 2020 (440 Mio.) und für Ausfälle aufgrund von Steuerrechtsänderungen mit Pandemiebezug (368 Mio.) in 2022 als Entnahme aus dem Covid-19-Sondervermögen erfolgen. Die verbleibende Summe von knapp 200 Mio. Euro soll aus der Allgemeinen Rücklage entnommen werden.

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