Antrag: Die richtigen Konsequenzen aus Lebens- und Futtermittelskandalen ziehen – Staatliche Kontrollen verbessern

SPD-Fraktion
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen                                                                    

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Die Lebens- und Futtermittelskandale in Niedersachsen reißen nicht ab. Mit Beginn der BSE-Krise im Jahr 2001 hat es kontinuierlich in den verschiedensten Bereichen der Lebensmittelproduktion Vorkommnisse gegeben, die das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher massiv erschüttert haben.

Auch die Skandale der letzten Wochen um nicht deklariertes Pferdefleisch in Convenience-Produkten, falsch gekennzeichnete Eier aus überbelegten Ställen und mit Schimmelpilzgiften versuchten Futtermais haben wieder einmal gezeigt, dass die Eigenkontrollen der Lebens- und Futtermittelwirtschaft offenkundig nicht ausreichen, um derartige Missstände zu verhindern. Dem zügigen Handeln der Landesregierung wie der kommunalen Aufsichts- und Kontrollbehörden ist es zu verdanken, dass die Vorkommnisse unter den gegebenen Umständen bestmöglich aufgeklärt und Verbraucherinnen und Verbraucher bestmöglich geschützt wurden. Gleichwohl ist es erforderlich, strukturelle Konsequenzen aus den Skandalen zu ziehen.

Der Landtag fordert daher die Landesregierung auf:

  1. Die staatlichen Kontrollen auf allen Ebenen der Lebens- und Futtermittel-produktion, -verarbeitung und -vermarktung deutlich auszuweiten und die für Lebens- und Futtermittelkontrollen anfallenden Kosten weitestgehend durch Gebühreneinnahmen zu decken.
  2. Die Zusammenarbeit zwischen kommunalen Behörden und Landesbehörden im Bereich der veterinärbehördlichen Kontrollen wie der Lebens- und Futtermittelkontrollen soll gemeinsam evaluiert werden.
  3. Das Land soll in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden hierzu eine Arbeitsgruppe einrichten mit dem Ziel, zeitnah die Lebensmittelsicherheit für die Verbraucher in Niedersachsen zu verbessern.
  4. Zu prüfen, wie die Kommunen durch eine Verbesserung der Unterstützung durch das Landesamt für Verbraucherschutz insbesondere bei der Kontrolle großer Betriebe der Lebensmittelwirtschaft entlastet werden können.
  5. Die Strafverfolgungsbehörden zur strafrechtlichen Aufarbeitung von Verstößen gegen geltendes Tierschutz- und Lebensmittelrecht zu stärken.
  6. Zu prüfen, auf welche Weise die Ergebnisse staatlicher Kontrollen im Lebens- und Futtermittelbereich, wie in der Gastronomie gegenüber Verbraucherinnen und Verbraucher transparenter gemacht werden können und sich ggf. beim Bund für eine Verbesserung der rechtlichen Möglichkeiten zur Veröffentlichung von Kontrollergebnissen einzusetzen.
  7. Die Einrichtung eines überbetrieblichen Haftungsfonds insbesondere von Unternehmen der Futtermittelwirtschaft zu prüfen, um eine Entschädigung landwirtschaftlicher Betriebe sicherzustellen, die ohne eigenes Verschulden durch fehlerhaftes Verhalten vorgelagerter Bereiche geschädigt werden.
  8. Sich beim Bund für eine Verschärfung der Sanktionierungsmöglichkeiten grober Verstöße gegen geltendes Tierschutz- und Lebensmittelrecht bei Tierhaltern, Importeuren, Verarbeitern, Vermarktern und privaten Kontrollstellen einzusetzen.

Begründung

Die seit Jahren regelmäßig in Niedersachsen auftretenden Skandale in der Lebensmittelproduktion (z. B. BSE, Dioxin, Gammelfleisch, etc.) erfordern eine Korrektur des Systems der Eigen- und staatlichen Kontrollen.

Der jüngste Aflatoxin-Skandal, wie auch der um die Jahreswende 2010/ 2011 bekannt gewordene Skandal um mit Dioxin belastete Futtermittel sind ein Beleg für erhebliche Unzulänglichkeiten im bestehenden System der Eigenkontrolle. Um Verbraucherinnen und Verbraucher künftig besser vor gesundheitsgefährdenden Stoffen in Lebensmitteln, falsch deklarierten Lebensmitteln und Hygienemängeln bei der Lebensmittelproduktion zu schützen und das erheblich geschädigte Vertrauen wieder herzustellen, ist es daher erforderlich, die staatlichen Kontrollen erheblich auszuweiten. Der Landesrechnungshof hat bereits in seinem Jahresbericht 2007 festgestellt, dass die für Lebens- und Futtermittelkontrollen erhobenen Gebühren nicht kostendeckend sind und daher eine Anpassung der Gebührenordnungen angemahnt. Dieses muss umgesetzt und für bisherige und künftig zusätzlich durchzuführende Kontrollen kostendeckende Gebühren veranschlagt werden.

Durch das zügige Handeln der Landes- und der kommunalen Behörden konnten die während der Untersuchung der Milch auf Überschreitung von Aflatoxin-Grenzwerten bei zwischenzeitlich gesperrten Milchviehbetrieben entstandenen Schäden zwar begrenzt werden. Sofern aufgrund des Verdachts auf Grenzwertüberschreitungen durch zugekauftes Futter zeitaufwändigere Untersuchungen und damit Sperrungen über längere Zeiträume erforderlich gewesen wären, hätte dieses die ggf. entschädigungspflichtigen Futtermittelbetriebe jedoch schnell überfordert. In diesem Falle hätten geschädigte landwirtschaftliche Betriebe ihre Ansprüche nicht durchsetzen können und wären völlig unverschuldet Leidtragende von Unzulänglichkeiten ihres Lieferanten geworden. Dieses muss künftig so weit als möglich vermieden werden. Ein gemeinsamer Haftungsfonds wäre daher eine Möglichkeit sicherzustellen, dass insbesondere geschädigte landwirtschaftliche Betriebe ihre Forderungen gegenüber der vorgelagerten Wirtschaft auch tatsächlich geltend machen können.

Mit dem Skandal um falsch deklarierte Eier aus zum Teil deutlich überbelegten Legehennenhaltungsanlagen ist deutlich geworden, dass auch das staatliche Kontrollsystem unabhängig von der Kontrolldichte grundsätzlich, insbesondere in der Zusammenarbeit zwischen kommunalen Behörden und Landesbehörden, evaluiert werden sollte. Ziel der Evaluierung sollte es sein, zu prüfen, in welchem Umfang veterinärbehördliche und lebensmittelrechtliche Vor-Ort-Kontrollen besser miteinander verzahnt und ggf. gebündelt werden können. Dieses macht eine Stärkung der Unterstützungsfunktion des LAVES gegenüber den kommunalen Behörden erforderlich. Zudem sollten Sonderbelastungen kommunaler Stellen durch Kontrollen großer Betriebe der Lebensmittelwirtschaft besser durch das Land abgefangen werden.

Die staatsanwaltschaftlichen Vor-Ort-Ermittlungen bei niedersächsischen Legehennenhaltern haben zwischen Oktober 2011 und Herbst 2012 rund ein Jahr in Anspruch genommen. In dieser Zeit konnte keine Information der Verbraucherinnen und Verbraucher erfolgen, da diese den Erfolg der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gefährdet hätte. Zudem kann angenommen werden, dass Straftaten im Zusammenhang mit der Falsch-Kennzeichnung von Eiern bei einem derart langen Ermittlungszeitraum zum Teil auch deshalb unentdeckt geblieben sind, weil die Ermittlungstätigkeit zwischenzeitlich bekannt geworden ist. Um dieses künftig zu vermeiden, ist es erforderlich, die Kapazitäten der für Landwirtschaftsstrafsachen zuständigen Strafverfolgungsbehörden bedarfsgerecht anzupassen.

Bisher ist es dem Land nicht möglich, beispielsweise einem Legehennenbetrieb, der mit massiver Überbelegung seiner Stallanlage in strafrechtlich relevanter Weise gegen Tierschutz- und Kennzeichnungsvorschriften verstoßen hat, die Zulassung zu entziehen. Ferner verfügt das Land nicht über ausreichende Sanktionsmöglichkeiten etwa gegenüber privaten Bio-Kontrollstellen, die ggf. grob fahrlässig gravierende Verstöße gegen einschlägige Bestimmungen nicht sanktionieren. Ebenso kann grob fahrlässiges Verhalten im Rahmen von Eigenkontrollen bisher kaum staatlich sanktioniert werden. Es sollte gegenüber dem Bundesgesetzgeber darauf hingewirkt werden, die Möglichkeiten der Sanktionierung groben Fehlverhaltens zur Verbesserung des Kontrollsystems und zur künftigen Vermeidung von Verstößen auszuweiten.

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