Antrag: Beschaffungswesen des Landes Niedersachsen sozial, klimafreundlich und fair gestalten

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Die Beschaffung des Landes Niedersachsen wird zunehmend zentral gesteuert. Jährlich soll sich laut Innenministerium allein das Beschaffungsvolumen der im vergangenen Jahr neu eingerichteten Beschaffungsstelle für die Ministerien, die Zentrale Beschaffung und Logistik (ZBL), bereits auf rund 80 Millionen Euro belaufen. Aus  diesem erheblichen Anteil am Handels- und Marktgeschehen ergibt sich für das Land Niedersachsen eine gesellschaftliche Verantwortung, die insbesondere In den Millennium-Zielen der Vereinten Nationen mit deutscher Unterstützung festgeschrieben wurde. Die Landesregierung und einzelne Vertreter der Landesregierung haben sich zudem in der Vergangenheit immer wieder für Klimaschutz, Sozialstandards und faire Beschaffung ausgesprochen. Als Großkunde sollte Niedersachsen die Möglichkeit wahrnehmen, diese Ziele und Werte direkt und effektiv am Markt zu realisieren.

Im Einzelnen ist sicherzustellen, dass Niedersachsen bei der Beschaffung die Konvention der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) einhält. Ebenso muss festgeschrieben werden, dass TransFair-Produkte und andere glaubwürdig gelabelte Angebote, die für faire Handelsbeziehung in der globalisierten Welt stehen, sowie besonders energieeffiziente Geräte, Anlagen und Technik zukünftig bevorzugt werden.

Vor diesem Hintergrund fordert der Landtag die Landesregierung auf:

  1. Die Beschaffung des Landes Niedersachsen verbindlich an sozialen, klimafreundlichen und fairen Kriterien auszurichten.
  2. Hierfür ist die Betriebsanweisung für das Logistik Zentrum Niedersachsen (LZN) vom 1. Dezember 2007 zu erweitern, indem Best-Practice-Beispiele geschaffen und zur Orientierung vorgegeben werden und indem schrittweise für alle Produktgruppen dabei jeweils eine Auswahl an geprüften Zertifikaten und Siegeln als Kaufkriterien integriert werden 
  3. Auch für das Informatikzentrum Niedersachsen (IZN), das Staatliche Baumanagement Niedersachsen (SBN) und die verbliebene autonome Beschaffung der Ministerien für den alltäglichen Bedarf werden analog zu den Bestimmungen für die Beschaffung des LZN Betriebsanweisungen entwickelt, nach denen die Behörden sozial, klimafreundlich und fair Waren und Dienstleistungen einkaufen.
  4. Die zentrale Beschaffung wird bis Ende 2009 für die Produktgruppen, die über IZN, SBN und LZN bezogen werden können, nach den gleichen Kriterien auf alle weiteren Bereiche des Landes Niedersachsen, wie Kliniken, Gefängnisse, die übrigen Landesbetriebe und den Landtag, ausgebaut.
  5. Faire, soziale und energieeffiziente Beschaffung ist neben der Wirtschaftlichkeit zu einem Leitkriterium zu entwickeln und in die Personalentwicklung in Form von fortlaufenden Schulungen und Fortbildungen der EntscheidungsträgerInnen zu integrieren.
  6. Auf der Grundlage von regelmäßigen Evaluationen ist die faire, soziale und energieeffiziente Beschaffung kontinuierlich zu optimieren.

Begründung

Die Landesregierung hat die Bedeutung von Klimaschutz und fairem Handel im Grundsatz erkannt. Bis Ende 2008 will sie ein Klimaschutzprogramm entwickeln. Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) will landeseigene Gebäude mit dem Ziel eines geringeren Energieverbrauchs sanieren und sich dabei an die "Spitze der Bewegung" stellen. Innenminister Uwe Schünemann sprach sich  am   02. Juli 08 bei einer Veranstaltung des Verbandes Entwicklungspolitik Niedersachsen und InWent für  Fairen Handel aus. Auch Ministerpräsident Christian Wulff erinnerte anlässlich eines Gesprächsabends mit jungen Unternehmen im vergangenen Mai an die gesellschaftliche Verantwortung, sich gegen Kinderarbeit einzusetzen.

Die Landesregierung tut sich bislang allerdings schwer, ihren Worten Taten folgen zu lassen. Ihre Antwort vom 31. Juli 2008 auf den Beschluss des Landtages (DS 15/4351) gegen ausbeuterische Kinderarbeit verdeutlicht zum Beispiel, dass der Gedanke der fairen Beschaffung offenbar noch nicht ganz im praktischen Handeln der Landesregierung angekommen ist. Dort heißt es unter anderem, die vom Landtag vorgeschlagenen Maßnahmen gegen Kinderarbeit "sollten [”¦] nicht zum Gegenstand von Vergabeverfahren gemacht werden".  Auch bei der Beschaffung zum Beispiel von IT-Technik nutzt das Land nach wie vor nicht das Angebot energieeffizienter Geräte, deren niedrige Betriebskosten den zunächst höheren Anschaffungspreis schnell ausgleichen können.

Immer mehr Kommunen, Städten und mittlerweile auch Bundesländern gelingt aber genau dies. Sie werden sich angesichts großer Auftragsvolumina ihrer Verantwortung für die Produktionsketten und die Produzierenden sowie für den Klimaschutz bewusst. Anhand definierter sozialer und ökologischer Kriterien vergeben sie, wie die Stadt Düsseldorf Aufträge und kaufen Artikel  bzw. ermitteln derzeit wie das Bundesland  Bayern, wie sie dies künftig  umsetzen können.

Auch die niedersächsische Landesregierung muss ihre richtigen Forderungen praktisch umsetzen. Als Großkunde kann Niedersachsen seinen eigenen Anforderungen an Handel und Klimaschutz gerecht werden und Einfluss nehmen auf das Marktgeschehen. Nie waren dafür die Möglichkeiten in Niedersachsen besser als heute. Durch die Zentralisierung der Beschaffung der Ministerien durch das ZBL im Logistik Zentrum Niedersachsen (LZN) ist der Aufwand für die Ermittlung produktbezogener sozialer, klimafreundlicher und fairer Standards und die Überprüfung entsprechender Labels mit dem Abschluss der Zentralisierung in diesem Jahr viel geringer geworden. Das Aushandeln von Vergünstigungen ist angesichts des größeren Umfangs an Bestellungen zudem einfacher geworden. Damit können die geringen Mehrkosten bei fairen Produkten durch die Möglichkeiten der neuen zentralisierten Beschaffung mehr als ausglichen werden.

Ansatzweise enthält zumindest die Betriebsanweisung für das LZN schon Hinweise, dass "umweltbezogene und soziale Aspekte" bei der Beschaffung "Berücksichtigung finden" sollten. Damit diesem Bekenntnis Taten folgen, sind verbindliche Regelungen  nötig. Ebenso muss die Einhaltung überprüfbar sein und eine beständige Weiterentwicklung der neuen Beschaffungskriterien möglich gemacht werden – zum Beispiel in Form von Evaluationen und/oder Berichten über das bislang Erreichte. Wenn sich Niedersachsen regelmäßig mit Beschaffungsstellen anderer Bundesländer über die Optimierung fairer und sozialer Beschaffung austauscht, sind die Beschaffungsstellen hierzulande zukünftig besser in der Lage, den Einkauf und die Vergabe auch tatsächlich zunehmend fair und energieeffizient zu gestalten.

Für eine homogene und ganzheitliche Umstellung sollten die Kriterien der sozialen und energieeffizienten Beschaffung ausgeweitet werden auf jedweden Einkauf des Landes Niedersachsen, also auch auf das Informatikzentrum Niedersachsen (IZN) und das Staatliche Baumanagement Niedersachsen (SBN). Damit "Fairness" und "Klimaschutz" nicht nur Worte in einer Betriebsanweisung sind, sondern Einfluss nehmen auf das Einkaufsverhalten des LZN, das IZN und das SBN ist es außerdem notwendig, den sozialen, fairen und energieeffizienten Einkauf zu Leitkriterien der Beschaffung zu entwickeln und ihnen den gleichen Stellenwert zuzuteilen wie dem Kriterium Wirtschaftlichkeit. Der neue Blick auf die Beschaffung macht es erforderlich, dass die MitarbeiterInnen durch Schulungen und Fortbildungen für die neuen Verkaufskriterien sensibilisiert werden.

Parlamentarische Geschäftsführerin

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