Antrag: Berufsbildenden Schulen stärken und weiterentwickeln

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Seit vielen Jahren müssen die berufsbildenden Schulen in Niedersachsen mit einer Unterrichtsversorgung von unter 90% auskommen. Eine ausreichende Anzahl von ausgebildeten Lehrkräften steht für viele Fachrichtungen auf dem Arbeitsmarkt nicht zu Verfügung. Besonders groß ist der Mangel bei den gewerblich-technischen Fachrichtungen und bei den Fachrichtungen Pflegewissenschaften und Sozialpädagogik.

Zum Ausgleich dieser Defizite werden berufsbildenden Schulen noch auf längere Sicht darauf angewiesen sein, über ihre Budgetmittel zusätzliches Personal einzustellen. Hierfür benötigen sie verlässliche Mittel und flexible Möglichkeiten. Gleichzeitig entwickeln Berufsbildenden Schulen durch die Umsetzung der Inklusion und der Digitalisierung tagtäglich ihre eigenen Schulen weiter, um zukunftsfähig zum Wohle der Schülerinnen und Schüler aufgestellt zu sein. Diese Entwicklungen müssen unterstützt und begleitet werden. Darüber hinaus bleiben der Übergang von der allgemein bildenden Schule in die Berufsausbildung und die wohnortnahe Beschulung im Bereich der berufsbildenden Schulen ein großes Thema. 

Der Landtag stellt fest:

  1. Die Nichtübertragung der Budget-Restmittel aus dem letzten Jahr auf die Berufsbildenden Schulen war ein Fehler, der die Berufsbildenden Schulen in erhebliche finanzielle Engpässe getrieben hat. Viele Schulen mussten Personal entlassen oder Fortbildungen absagen.
  2. Die Berufsbildenden Schulen müssen mit ihren derzeitigen und anstehenden Aufgaben stärker in den Blick genommen und unterstützt werden.
  3. Die Entwicklung von Digitalisierung und Inklusion macht an den Berufsbildenden Schulen nicht Halt und muss stärker begleitet und unterstützt werden.
  4. Das Modellprojekt SPRINT war ein Erfolgsmodell, dass durch die Überführung in das Regelschulmodell nicht abgewertet oder in seiner Flexibilität und Wirksamkeit geschwächt werden darf.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

  1. den berufsbildenden Schulen verlässliche jährliche Budgetansätze zur eigenverantwortlichen Nutzung zur Verfügung zu stellen, mit denen sie Lehrkräfte etwa zur Vertretung bei Krankheit oder Elternzeit einstellen und die Unterrichtsversorgung auch in Mangelfachrichtungen sicherstellen können. Dabei ist derzeit von einem Lehrersollstundenbudget von 120 Euro auszugehen. Hierbei ist perspektivisch eine 100% Unterrichtsversorgung anzustreben.
  2. die Kürzung der Budget-Restmittel umgehend zurückzunehmen, damit befristete Verträge und Fortbildungen, die im Vertrauen auf die Zurverfügungstellung der Ausgabenreste bereits abgeschlossen bzw. beschlossen wurden, nicht gekündigt werden müssen,
  3. die Verfahren zur Zuweisung der Budgetmittel so anzupassen, dass den berufsbildenden Schulen frühzeitig mitgeteilt werden kann, welche Budgetmittel ihnen verbindlich zur Verfügung stehen werden, dass diesen ein langfristiges Planen möglich ist.
  4. die im Haushaltsplan bereitstehenden Personalmittel für die berufsbildenden Schulen, die nicht abfließen können, weil Stellen nicht besetzt sind, vollständig den Schulen zur Verfügung, damit sie damit zusätzliches Personal einstellen können.
  5. es den Schulen hierbei weiterhin zu ermöglichen, für Aufgaben, für die auf absehbare Zeit nicht eine genügende Anzahl an ausgebildeten Lehrkräften zur Verfügung stehen wird, flexibel auch andere hierfür geeignete und qualifizierte Personen zu beschäftigen. Das gilt insbesondere auch für die Überführung von SPRINT in den Regelschulbetrieb. Sollten sich die Verfahren hierfür als zu sperrig erweisen, sind sie entsprechend weiterzuentwickeln.
  6. Sukzessive das Studienplatzangebot bedarfsorientiert auszubauen und eine Initiative zur Fachkräftegewinnung zu starten.
  7. Für die Digitalisierung an berufsbildenden Schulen einen Stufenplan zu erstellen. Hierzu sind Lehrkräfte für Fort- und Weiterbildung sowie zur Entwicklung von Schul- und Unterrichtskonzepten für einen Übergangszeitraum gezielt zu entlasten.
  8. Einen Monitor zur Umsetzung der inklusiven Schule an Berufsbildenden Schulen zu entwickeln und hieraus Bedarfe, Unterstützungsmöglichkeiten sowie Stärken und Schwächen zu analysieren. Hieraus ist in Zusammenarbeit mit den Berufsbildenden Schulen dann ein Aktionsplan zur Weiterentwicklung der inklusiven Schule zu entwickeln.
  9. Konzepte zur Sicherstellung wohnortnaher Beschulung zu entwickeln und umzusetzen und dort, wo diese nicht durchsetzbar sind, die Mobilität und Unterkunft der Schülerinnen und Schüler zu gewährleisten.
  10. Das Modellprojekt der Jugendberufsagenturen auszubauen, weiterzuentwickeln und zu verstetigen.
  11. Bei der Überführung von SPRINT in den Regelschulbetrieb soll SPRINT in seiner Flexibilität und Wirksamkeit erhalten bleiben. Für die an den Schulen tätigen Kräfte sollen Perspektiven entwickelt werden, da wo Schulen auf das Personal angewiesen sind und sie es halten wollen. Gleichzeitig müssen auch hier Antworten dafür gefunden werden, wie mit dem Personalmangel umzugehen ist.

Begründung

Die Unterrichtsversorgung an den berufsbildenden Schulen in Niedersachsen liegt seit Jahren unter 90 %. Zuletzt lag sie im Jahr 2017 bei 89,4 % („Die niedersächsischen berufsbildenden Schulen in Zahlen, Stand: Schuljahr 2017/18). Für viele Fachrichtungen stehen nicht genügend ausgebildete Lehrkräfte zur Verfügung. Einen besonders großen Mangel gibt es nach Informationen der Schulverbände bei den gewerblich-technischen Schulen und bei den Fachrichtungen Pflegewissenschaften und Sozialpädagogik. Um diesen Mangel zu beheben, muss das Studienplatzangebot bedarfsorientiert ausgebaut werden.

Mit Hilfe der Mittel, die den Schulen im Rahmen ihrer Budgetierung zur Verfügung stehen, können die berufsbildende Schulen auch anderes Personal einstellen, um die größten Lücken in der Unterrichtsversorgung zu überbrücken. Die berufsbildenden Schulen können auch Ausgabereste in Höhe von 90 % aus nicht verwendeten Ausgabeermächtigungen in das Folgejahr übertragen.

Für das Jahr 2019 sollen die Ausgabereste, die von den berufsbildenden Schulen für die Beschäftigung von befristeten zusätzlichen Kräften zur Verfügung stehen, von rund 26,8 Mio. Euro bzw. 102 Euro je Lehrkräfte-Sollstundenbudget im Jahr 2018 auf voraussichtlich rund 10,7 Mio. Euro bzw. 41,00 Euro je Lehrkräfte-Sollstundenbudget reduziert werden, weil aus den Ausgabenresten die Weiterfinanzierung von eigentlich abzugebenden Planstellen und die Weiterführung des Schulversuchs SPRINT im Schuljahr 2018/19 finanziert wurden (Antwort der Landesregierung vom 21.12.2018 auf die Anfrage „Kürzung des Personalkostenbudgets an Berufsbildenden Schulen in Niedersachen“ der Abgeordneten Björn Försterling, Victoria Schütz und Sylvia Bruns (FDP) vom 13.12.2018). Dadurch haben sich jedoch nicht die Lücken an den berufsbildenden Schulen verringert, sondern es wurde lediglich eine Vergrößerung von Lücken vermieden.

Durch die Verringerung der zur Verfügung gestellten Ausgabereste kommen einzelne berufsbildende Schulen in erhebliche Probleme, weil sie befristete Verträge, die sie im Vertrauen auf die Zurverfügungstellung der Ausgabenreste bereits abgeschlossen haben, nicht mehr vollständig finanzieren können. Schulleiterinnen und Schulleiter fürchten, auch persönlich in Regress genommen zu werden. Insbesondere in den Fachrichtungen mit besonders großem Mangel (Metalltechnik, Elektrotechnik, Sozialpädagogik und Pflegewissenschaften) haben die berufsbildenden Schulen noch größere Probleme, ein ausreichendes Unterrichtsangebot aufrechtzuerhalten.

Solange die berufsbildenden Schulen ihre Lehrkräfte-Stellen nicht vollständig mit Lehrkräften mit Lehramtsabschluss besetzen können, ist es notwendig, dass ihnen verlässlich Budgetmittel zur Verfügung gestellt werden, mit denen sie anderes geeignetes Personal einstellen können.

Die inklusive Neuausrichtung der beruflichen Bildung ist ein komplexer Prozess, in den die berufsbildenden Schulen auch die Betriebe und ihre Kammern sowie die Bundesagentur für Arbeit einbezogen sind. Über die Qualifizierungsoffensive „Inklusive BBS“ und die bereits existierenden Handreichungen „Handlungsoptionen für die inklusive Berufsbildende Schule“ hinaus ist zur Steuerung dieses Prozesses ein Monitor zur Umsetzung der inklusiven Schule an Berufsbildenden Schulen zu entwickeln.

Auch für die berufsbildenden Schulen mangelt es noch an pädagogischen und didaktischen Konzepten für eine Bildung für und mit digitalen Medien. Diese Konzepte müssen entwickelt und die Fort- und Weiterbildung dafür ausgebaut werden.

Angesichts der demografischen Entwicklungen wird es in dünnbesiedelten Regionen schwieriger, wohnort- und betriebsnah eine qualitätsvolle Beschulung von Auszubildenden sicherzustellen. Die Landesregierung muss sich deshalb noch intensiver für die Umsetzung von Konzepten zur Sicherstellung einer wohnortnahen Beschulung einsetzen.

Der Berufsbildungsbericht 2018 hat deutlich gemacht, dass noch immer zu vielen jungen Menschen der Einstieg in Ausbildung nicht unmittelbar gelingt. Das Modellprojekt der Jugendberufsagenturen muss deshalb ausgebaut, weiterentwickelt und verstetigt werden.

Nach Auslaufen des Modellprojektes SPRINT wird es den berufsbildenden Schulen auch nicht mehr möglich sein, Personal weiterzubeschäftigen, das hierfür befristet eingestellt worden war, weil nicht genügend Lehrkräfte zur Verfügung standen. Angesichts des großen Lehrkräftemangels ist es aber nicht absehbar, dass in Zukunft für die Sprachförderung genügend Lehrkräfte mit Lehramtsabschluss zur Verfügung stehen werden. Es soll deshalb die Möglichkeit geschaffen werden, dass die berufsbildenden Schulen auch in Zukunft geeignete Personen ohne Lehramtsabschluss für die Sprachförderung weiterbeschäftigen können.

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