Antrag: Bahnplanung und ?investitionen voran bringen: Niedersachsen darf nicht Schlusslicht werden!

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Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Hannover, den 20. Oktober 2004
Der Landtag wolle beschließen:
Entschließung
Im Schatten der politischen Schwerpunktsetzung der niedersächsischen Landesregierung für den Neu- und Ausbau im Straßennetz drohen die Investitionen in das regionale und überregionale Schienennetz in Niedersachsen in den nächsten Jahren weitgehend zum Stillstand zu kommen. Selbst in wichtige Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten wird aufgrund derzeitiger Weichenstellungen bei Land, Bund und Bahn nicht mehr ausreichend investiert.
Um sowohl den qualitativen wie quantitativen Zerfall des niedersächsischen Schienennetzes zu verhindern und um derzeit brachliegende Planungs- und Baukapazitäten zu nutzen, wird die Landesregierung aufgefordert, ihre Mittelumverteilung durch Verschiebung der Straßen/Schienen-Relation bei der Verwendung der Mittel aus dem Gemeinde-Verkehrs-Finanzierungs-Gesetz (GVFG) und den Bundeszuschüssen zur Bahnreform zu korrigieren und zugleich auf die Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG), die Bahn und die Bundesregierung einzuwirken mit dem Ziel, dass
1. Niedersachsen stärker als bisher auf der so genannten 66er Liste der kurzfristigen Bundesverkehrswegeplan-Umsetzung vertreten ist und insbesondere der Ausbau des zweiten Gleises Hildesheim-Wolfsburg, der Ausbau des dritten Gleises zwischen Hamburg und Lüneburg sowie die Planung für die Mehrgleisigkeit zwischen Seelze und Minden baldmöglichst begonnen werden.
2. vorhandene Gelder bei der LNVG aus laufender Bundesförderung, vergangenen Haushaltsjahren und/oder nur langsam laufenden Projekten in Form eines gebündelten Sonderprogramms sofort niedersächsischen Strecken und Projekten zugute kommen – unter anderem sollen davon vor- bzw. beschleunigt finanziert werden:
a. Die Sanierung der Strecke Nordenham-Hude einschließlich der Ausstattung der Strecke mit neuen Triebwagen bis Ende 2005.
b. Neben dem zugesagten Ausbau des ersten Teilstückes der Heidebahn zwischen Bennemühlen und Walsrode sollen die Planungen für die Gesamtstrecke über Soltau nach Buchholz bis 2008 von der LNVG vorfinanziert werden.
c. Ausbau der Strecke Göttingen-Bodenfelde-Ottbergen mit Übergangssicherung und Erhöhung der Höchstgeschwindigkeit aus Regionalisierungsmitteln bis 2008.
d. Schnellere Umsetzung des Sonderprogramms zur Wiedereröffnung von Haltepunkten und des Landesprogramms "Niedersachsen ist am Zug" für die Modernisierung von 32 Bahnhöfen. Erforderlich dafür ist die Umstellung der Prioritätenliste auf das jeweils in Zusammenarbeit mit der Bahn am kurzfristigsten Mögliche.
3. die DB AG ihre derzeitige Aufgabe des Netzerhaltes tatsächlich wahrnimmt. Das Land als Leistungsbesteller muss dafür seine vitalen Ansprüche zur qualitativ guten Erhaltung der Infrastruktur gegenüber dem Leistungserbringer Bahn AG stärker durchsetzen.
Begründung
Die Landesregierung vollzieht im Rahmen der Haushaltsaufstellung einen enormen Mittelabbau zu Lasten des Schienenverkehrs: Mit der Verschiebung der Straßen/Schienen-Relation bei der Verwendung der GVFG-Mittel und dem ab 2005 vorgesehenen kompletten Ersatz des Landesanteils bei der Schülerbeförderung durch Bundesmittel für die Bahnprivatisierung fehlen insgesamt von 2004 bis 2008 voraussichtlich mehr als 500 Millionen Euro im SPNV und ÖPNV in Niedersachsen.
Hinzu kommen Einschnitte auf Bundesebene aufgrund der Koch-Steinbrück-Kürzungen, der globale Minderausgaben zur Finanzierung der Rente und der noch offenen Regressansprüche an die Industrie im Zusammenhang mit der Verschiebung der Einführung des Maut-Systems. Diese Faktoren summieren sich laut der Infrastrukturinvestitionsmittelfristplanung vom Juni 2004 für die Zeit von 2005 bis 2008 im Bund voraussichtlich auf 3 Milliarden Euro (bei 10 Prozent für Niedersachsen wären das 300 Millionen Euro Kürzungen) im Vergleich zur ursprünglichen Mittelfristplanung vom Vorjahr.
Diese kumulative massive Kürzung der Betriebsmittel und Strukturinvestitionen für die Bahn würde dauerhaften Schaden für den ÖV in Niedersachsen haben und muss daher korrigiert werden. Zugleich ist das verbleibende Geld zukünftig noch effektiver einzusetzen.
Im vergangenen Bundesverkehrswegeplan erhielt Niedersachsen zugunsten der süddeutschen Länder nur 4 Prozent der Infrastrukturmittel, obwohl Niedersachsen laut Königsberger Schlüssel 10 Prozent zugestanden hätten. Nach der langen Durststrecke sind Niedersachsen künftig bis zu 20 Prozent der Mittel im neuen Bundesverkehrswegeplan versprochen. Tatsächlich ist das Land bei der 66er Liste derzeit aber nur mit zwei Projekten berücksichtigt worden. Zurzeit wird auf Bundesebene über eine Ergänzungs- bzw. Reserveliste diskutiert, die weitere 15 Projekte enthalten soll. Der Zeitpunkt ist also günstig, um die Strecken Hildesheim-Braunschweig, Hamburg-Lüneburg und Seelze-Minden ins Gespräch zu bringen und darauf zu drängen, sie auf die so genannte 81er Liste setzen zu lassen.
Zu allem Überfluss hält die DB AG immer noch Investitionsgeld zurück, weil ihr Vorstandsvorsitzender Hartmut Mehdorn für den Börsengang einen Investitionsstopp mit dem Ziel verordnet hat, dass das Unternehmen schwarze Zahlen schreiben soll. Bis zum Juli hat die Bahnindustrie in 2004 nicht einen einzigen neuen Auftrag für Neu- oder Ausbau erhalten. Schon seit einigen Jahren gehen diese Investitionen in Deutschland jährlich um 1,5 Prozent zurück, obwohl das Netz erhalten und ausgebaut werden muss. Diese Zurückhaltung beeinflusst auch die Infrastruktur im Nahverkehr: Sobald die DB einen Anteil – auch wenn der noch so klein ist - der Investitionskosten zu tragen hat, entzieht sie nötigen Neuaufträgen ihre Zustimmung.
Die LNVG verfügt über mehr als 100 Millionen Euro mittelfristig nicht abgerufener Fördergelder, die zum Teil zwar gebunden sind - allerdings in Projekte, die aufgrund der Zurückhaltung der DB auf absehbarer Zeit nicht realisiert werden. Angesichts der angespannten finanziellen Situation sollte dieses Geld bei Vorfinanzierungen eingesetzt werden – insbesondere bei den aufgeführten Strecken und Projekten.
Die rund 43 Kilometer lange Strecke Nordenham-Hude mit ihrem schwierigen Schienenuntergrund muss dringend saniert werden, der Untergrund verbessert und die Gleise zum Teil erneuert werden. (Darüber hinaus sollte die Strecke durchgehend mit 120 km/h befahrbar sein und mit entsprechenden modernen Triebwagen bestückt werden. Diese große Lösung kostet laut Bahn 165 Mio. Euro und dann noch mal 32,5 Millionen Euro für die Triebwagen. Die Bahn schlägt nun eine abgespeckte Version für 20 Millionen Euro bis 2008 mit dem Ziel vor, die Strecke mit
Tempo 90 km/h zu erhalten, aber nicht zu verbessern.) Um die unendliche Geschichte mit immer neuen, dann wieder gebrochenen Bauversprechen zu Lasten der Region zu beenden, soll der Landtag der LNVG und der DB AG einen politischen Endtermin vorgeben, wonach bis Ende 2005 die kleine Lösung realisiert sein soll.
Die Bahnstrecke zwischen Bennemühlen und Buchholz sollte mit dem Ziel ausgebaut und modernisiert werden, dass die Auslastung des SPNV von derzeit 30 Prozent auf künftig 40 Prozent steigt. In Konkurrenz zur parallel verlaufenden A7 ist eine bessere Wirtschaftlichkeit der so genannten Heidebahn aber nur dann zu erreichen, wenn die Streckengeschwindigkeit von 80 auf später 120 km/h angehoben wird. Die rund 100 Bahnübergänge und Haltepunkte müssen entsprechend mit Schranken und Signalanlagen sowie anderen Sicherheitsstandards versehen werden. Der erste Teilabschnitt Bennemühlen bis Walsrode soll bis 2008 für 26 Millionen fertig gestellt werden. Damit der Ausbau sofort weiter gehen kann, muss die Planung für die Gesamtstrecke dann fertig sein.
Die Verbindung Ottbergen-Bodenfelde-Göttingen ist eine wichtige Strecke sowohl für den Personennahverkehr zwischen Göttingen und Paderborn, als auch für den Güterverkehr und für den Tourismus. Dennoch ist in diesen Schienenabschnitt in den vergangenen Jahren unzureichend investiert worden. Die Strecke lässt sich nur mit 60 km/h befahren und bietet an den Schienenübergängen keine ausreichende Sicherheit, so dass es wiederholt zu Unfällen kam. Deswegen soll die Bodenfelder Strecke bis 2008 ausgebaut, die Streckengeschwindigkeit auf mindestens 80 km/h erhöht, die Leit- und Sicherungstechnik modernisiert, die Bahnübergänge durch Signalanlagen und Halbschranken abgesichert und mindestens der Bahnhaltepunkt Lenglern wiedereröffnet werden.
Bahnhöfe und Haltepunkte – gerade kleinere und mittlere Stationen außerhalb der Ballungsgebiete - befinden sich zum Teil in einem desolaten Zustand. Aus diesem Grund ist bereits 2002 ein Modernisierungsprogramm ins Leben gerufen worden, durch das 160 Stationen saniert und renoviert werden sollten. Bevor das erste Programm mit einem Investitionsvolumen von 13,3 Millionen Euro Anfang 2005 abgeschlossen sein soll, kündigte das Verkehrsministerium im vergangenen Sommer mit "Niedersachsen ist am Zug" mit einem Volumen von 85 Millionen Euro für die Modernisierung von 32 Bahnhöfen bereits ein neues Programm an. Die Umsetzung beider Programme verläuft schleppend, weil einerseits sich die DB mit ihrem Investitionsanteil oftmals zurückhält oder andererseits das Land an seinen ursprünglichen Prioritäten festhält und damit Stationsmodernisierungen, denen die DB zustimmt, verhindert. Durch ein Umsetzungskonzept je nach Einigung wird der Ausbau beschleunigt.
Fraktionsvorsitzender

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