Antrag: Automobile Zukunft durch Elektrofahrzeuge und Mobilitätsvernetzung

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

  • Die Zukunft der Mobilität liegt in einer intelligenten Vernetzung unterschiedlicher Mobilitätsangebote. Neben der Priorität, dass Niedersachsen einen attraktiven, flächendeckenden ÖPNV benötigt, der zukünftig noch stärker gefördert und gezielter für die effizientesten Angebote und die tatsächlichen Bedarfsgruppen eingesetzt werden muss, gehört zu verantwortlicher Politik im VW-Land Niedersachsen auch, zukunftsfähige Perspektiven der Automobilproduktion und –nutzung zu entwickeln.
  • Die Zukunft der Automobilität hängt von der Entwicklung alternativer Antriebstechnologien ohne klimaschädliche Emissionen ab.
  • Das bisherige Geschäftsmodell des VW Konzerns, mit einem breiten Angebot im ressourcenintensiven Premiumsegment ist durch das notwendige Umsteuern infolge der Klimakrise besonders stark gefährdet.
  • Die Zukunftsfähigkeit des Automobilstandorts Niedersachsen ist abhängig davon, ob es gelingt, die Produktpalette an die Erfordernisse, die sich unter anderem aus dem Klimawandel und dem rasanten Mobilitätswachstum, insbesondere in den Schwellenländern ergeben, anzupassen.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, die zur Erreichung dieser Ziele notwendigen Maßnahmen durch die Wirtschaftsförderung, mit Hilfe der Landesbeteiligung an VW und über den Bundesrat stärker als bisher zu verfolgen:

1. Autoelektromotoren – gespeist mit erneuerbaren Energien für emissionsfreie Mobilität:

Zur Förderung von Elektroautos und deren nachhaltiger Nutzung ein strategisches Konzept zur Zukunft der Elektromobilität in Niedersachsen zu entwickeln und dabei insbesondere

  •  die Förderung von Elektromobilität systematisch zu verknüpfen mit der Weiterentwicklung der Energieversorgung, um so durch den massiven Ausbau der Produktion aus erneuerbaren Energiequellen in den kommenden drei Jahren die Grundlage für eine erneuerbare Mobilität zu schaffen;
  • sich bei der Bestimmung der Förderschwerpunkte nicht nur an Fahrzeugen zu orientieren, die in ihrem Leistungshorizont an der traditionellen Universalnutzung ausgerichtet sind, sondern auch Fahrzeugkonzepte zu berücksichtigen, die konsequent auf die Kurzzeit- und Kurzstreckennutzung durch Pendlerinnen und Pendler als auch auf den Bereich des Nahverkehrs und der kommunalen Nutzfahrzeuge abstellen;
  • einen besonderen Fokus auf die logistischen Aspekte der Elektromobilität zu legen und Niedersachsen über eine frühzeitige Vorhaltung der Versorgungsinfrastruktur zum Elektromobilitätsland Nr. 1 zu machen (z.B. an Tankstellen und mit Hilfe von Netzanschlüssen mit Münzeinwurf an Parkplätzen);
  • dafür Sorge zu tragen, dass in die im Rahmen des Modellversuches vorangetriebenen Projekte neben Großunternehmen auch die vielen innovativen mittelständischen Unternehmen einbezogen werden;
  • durch verstärkte Forschungsanstrengung des Landes, der Forschungsinstitutionen und der Industrie ein Kompetenz- und Forschungsfeld "Batterie" in Niedersachsen aufzubauen und mit Projektgeldern des Landes zu fördern. Zusätzlich sind Stiftungsprofessuren aus der Industrie ggf. mit Anschlussfinanzierung des Landes zu initiieren.              

2. Fahrzeugproduktion und Zulieferindustrie neu denken:

  • mehr Effizienz beim Kraftstoffeinsatz, neue regenerative Antriebstechnologien vom Prototyp zum alltagstauglichen Massenprodukt weiterentwickeln, Verringerung des Fahrzeuggewichts, Minimierung des Rohstoffverbrauchs und Ausbau der Wiederverwertbarkeit, mit dem Ziel eines durchschnittlichen CO2-Grenzwerts von 80 Gramm pro Kilometer bis 2020,
  • Entwicklung von Informations- und Servicetechnologien für Fahrzeuge von morgen, die viele Nutzer statt einen Besitzer haben, sowie
  • eine gemeinsame Forschungsanstrengung des Landes, der Forschungsinstitutionen und der Industrie zum Aufbau eines Kompetenz- und Forschungsfeldes für ergänzende Produkte zur Autoproduktion in Niedersachsen.

3. Vernetzte Mobilitätsangebote und Car Sharing zum Angebot für Viele weiter entwickeln:

Öffentlicher Verkehr und Individualverkehr müssen zusammen als Mobilitätspaket angeboten werden. Daneben muss das organisierte Teilen der Autonutzung (Car sharing) erleichtert und auf eine breitere Basis gestellt werden:

  •  Wirtschaft und Politik müssen gemeinsam vernetzte Mobilitätskonzepte entwickeln und von PKW über Busse bis zur Software Komponenten liefern. Das muss langfristig auch ein Geschäftsmodell unserer Autohersteller werden, damit sie auf dem Markt bestehen.
  • Car Sharing-Parkplätze müssen vermehrt im öffentlichen Raum ausgewiesen werden. Dafür ist mit dem Bund im StVG eine bundeseinheitliche Rechtsgrundlage zur Einrichtung von Car Sharing-Stellflächen im öffentlichen Verkehrsraum zu schaffen. Öffentlich verfügbare Autos brauchen für sie ausgewiesene Parkzonen wie Taxis.
  • Auch die Dienstwagen von Land und Kommunen sollen in Car Sharing Pools eingebracht und Autohersteller wie VW sollen zum Einstieg in Car Sharing angeregt werden.
  • Vorhandene Softwareplattformen zur Mitfahrorganisation sind mit öffentlicher Unterstützung zu bewerben, so dass sie als benutzerfreundliche, überall verfügbare Mitfahrzentralen wahrgenommen werden und ebenfalls für umweltfreundlichere Mobilität sorgen.

4. Bürgerbus und Rufbus stärken:

Die auf Eigeninitiative von BürgerInnen oder einzelnen Kommunen entstandenen Bürgerbus- und Rufbuskonzepte, die zu günstigen Preisen die Mobilitätsbedürfnisse in dünn besiedelten ländlichen Bereichen befriedigen stärker zu unterstützen durch

  • eine gemeinsame Initiative von Landesregierung, kommunalen Spitzenverbänden und Autoindustrie für einen flächendeckenden preisgünstigen Betrieb mit Bürger- und Rufbussen in kleinen, multifunktionalen Fahrzeugen in den daran interessierten Regionen Niedersachsens und
  • die Anregung zur Entwicklung von dafür besonders geeigneten Fahrzeugen durch VW-Nutzfahrzeuge auf der Grundlage des "Transporters".

Begründung

1. Vernetzte Mobilität wird mit einer weltweit stärker in städtischen Bereichen lebenden Bevölkerung der dominierende Trend. Das verlangt nicht nur bei den Nutzern, sondern auch in Industrie und Politik das Infragestellen alter Gewohnheiten und ein Umdenken. Nicht der Besitz des Autos, sondern die Möglichkeiten, den eigenen Mobilitätsbedürfnissen jeweils passend nachzukommen, werden dann zum Wohlfühlfaktor. Das Auto ist zwar weiter ein Bestandteil dieser Mobilitätskette. Sinnvoller als ein eigenes Auto ständig bereit zu halten ist es aber für Viele, wenn ein moderner ÖPNV mit engem Taktfahrplan, günstigen, landesweiten Tickets und guten Umsteigemöglichkeiten am Ort angeboten wird oder moderne Car Sharing-Autos bequem erreichbar sind.

Weil das bisherige Geschäftsmodell des VW Konzerns mit einem breiten Angebot auch im Premiumsegment im Zuge der Klimakrise und dieser erwarteten Veränderung der Nutzerinteressen besonders stark gefährdet ist, muss das anteilig in Landesbesitz befindliche Unternehmen um so mehr umsteuern, um unter den langfristig geltenden Rahmenbedingungen bestehen und so Arbeitsplätze und Wertschöpfung bei uns in Niedersachsen sichern zu können.

Für Automobilzulieferer wie z.B. Conti macht es daneben Sinn, ihre Abhängigkeit vom Produkt Auto zu verringern. Sie sind kompetent in Entwicklung und Fertigung, im Zusammenspiel von moderner elektronischer Steuerung und der Verarbeitung von Metall und anderen Werkstoffen. Darin steckt viel Potenzial für andere Branchen. Die Erneuerbaren Energien bieten sich hier perspektivisch und technologisch mit Geothermieanlagen, Kleinwindanlagen und kleinen Wassermühlen an. Mit einer gemeinsamen Forschungsanstrengung des Landes, der Forschungsinstitutionen und der Industrie sollte deshalb ein Kompetenz- und Forschungsfeld für ergänzende Produkte zur Autoproduktion in Niedersachsen aufgebaut werden. Mit mittelständischen und industriellen Partnern sind dazu aus den vorhandenen Automobilbaukompetenzen im Land Synergien für neue Produkte und Dienstleistungen zu erschließen. Denn die Hauptursache der Krise der Automobilindustrie ist die falsche Produktpalette vor dem Hintergrund des Klimawandels - nicht die Wirtschaftskrise.

2. Der Elektromotor z.B. ist mit einem Wirkungsgrad von bis zu 95% ist dem Verbrennungsmotor rein als Antrieb weit überlegen. Aufgrund ihres hohen Wirkungsgrades von 80–95 %, der Emissionsfreiheit und ihrer im Vergleich mit Diesel- und Ottomotoren niedrigen Geräuschentwicklung, führt der Einsatz von Elektromotoren bei Antrieb mit regenerativ erzeugtem Strom zu einer deutlich besseren Umweltbilanz.

Um dem Elektroantrieb den Durchbruch als Massenmobilitätsmittel zu ermöglichen, müssen aber noch umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsarbeit getätigt werden, vor allem in einer verbesserten Reichweite der Batterien und in den Aufbau der erforderlichen Versorgungsinfrastruktur. So können mit Hilfe von modernen IKT-Systemen Fahrzeugbatterien zukünftig als mobile Stromspeicher genutzt werden, um überschüssigen Windstrom aus dem Netz aufzunehmen und bei Bedarf ins Netz zurückzuspeisen. Diese Möglichkeit bietet sich aus bestimmten Charakteristika der Fahrzeugnutzung an. Umfangreiche Nutzungsanalysen haben gezeigt, dass ein PKW in Deutschland nur eine durchschnittliche tägliche Nutzungsdauer von rd. 1 Stunde hat und fast 23 Stunden pro Tag steht. In diesen Zeiten könnte er als Stromspeicher fungieren.

Plug-In-Elektrofahrzeuge, deren Batterie sich also über das Stromnetz aufladen lässt, könnten in Zukunft als kleine Fahrzeuge für die Wege des Alltags ein Baustein in neuen und sparsamen Mobilitätskonzepten sein, dort wo der öffentliche Verkehr keine wirtschaftliche Alternative anbieten kann. Die Zukunftsfähigkeit alternativ betriebener PKW wird maßgeblich vom Ausbau des entsprechenden Tankstellennetzes abhängen. Für die Schaffung nachhaltiger Mobilität ist aber nicht nur der Einsatz für Elektrofahrzeuge sondern zugleich auch für den massiven Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion erforderlich. Die Landesregierung mit ihrer im Widerstreit der Interessen insgesamt zurückhaltenden Windkraft-Politik schreckt vor dieser Konsequenz bisher zurück. Dabei sind gerade Plug-In-Fahrzeuge und Windkraft eine gute Kombination: Für den unstetig anfallenden Windstrom wird umso mehr Speicherkapazität gebraucht, je weiter der Ausbau der Windkraft voran schreitet. Die Batterien der Plug-In-Fahrzeugflotte können ein wichtiger Bestandteil hiervon sein: Sie werden dann aufgeladen, wenn viel Strom anfällt.

Das weltweite Potenzial für Elektroautos wird bereits heute als erheblich eingeschätzt – allerdings nur bei vergleichbarem Preisniveau zu herkömmlichen Fahrzeugen. Heutige Batterien verbrauchen aber auch noch zu viele wertvolle Rohstoffe. Deshalb soll mit einer deutlich stärkeren, gemeinsamen Forschungsanstrengung des Landes, der Forschungsinstitutionen und der Industrie ein Kompetenz- und Forschungsfeld "Batterie" in Niedersachsen aufgebaut werden. Stiftungsprofessuren aus der Industrie mit Anschlussfinanzierung des Landes können ein Beitrag sein. Mit Projektgeldern für das Forschungsfeld "Batterie" kann das Land gemeinsam mit VW, Karmann und Conti und weiteren industriellen Partnern dafür sorgen, dass aus den vorhandenen Potenzialen im Land ein Synergieeffekt für ein starkes Kompetenzfeld Batterie entsteht. Gemeinsam ist auch mit dem Aufbau einer öffentlichen Infrastruktur für Elektromobilität zu beginnen (z.B. Netzanschlüsse mit Münzeinwurf an Parkplätzen), denn für viele Pendler und Dienstleister in Ballungsräumen wären Elektrofahrzeuge schon heute wegen der dort sehr kurzen Tagesfahrleistung eine echte Alternative. Angeknüpft werden kann an das Know-How zur Brennstoffzelle - vor allem bei der 2004 gegründeten Landesinitiative und den zahlreichen natur- und ingenieurwissenschaftlichen Forschungskapazitäten an den Hochschulen.

3. In Niedersachsen ist das Konzept des Car Sharings durch Eigeninitiative privater Unternehmen, die es weiter zu fördern gilt, bereits an vielen Orten erfolgreich. Car Sharing trägt zu einer effizienteren Mobilität bei, weil es für verschiedene Zwecke das jeweils passende Fahrzeug anbietet, sofern das Netz dicht genug ist – mit einem Prä für das möglichst kleinste Fahrzeug, das den beabsichtigten Zweck am kostengünstigsten erfüllt. Außerdem neigen Car Sharer dazu, Bequemlichkeitsfahrten zu unterlassen.

4. Durch die Informationstechnologie ergeben sich völlig neue Möglichkeiten der nutzerfreundlichen Verknüpfungen von Car Sharing, privaten Bürgerbus-Initiativen und Öffentlichem Personennah- und -fernverkehr zu einem bequemen und effektivem Mobilitätsmanagement. Diese Möglichkeiten müssen genutzt werden, da das Flächenland Niedersachsen nicht nur immer mehr ältere Menschen ohne Auto, sondern angesichts der Finanznöte in den kommunalen Kassen auch längst kein flächendeckendes, bedarfsgerechtes ÖPNV-Angebot mehr hat.

Fraktionsvorsitzender

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