Antrag: Ausverkauf der Ostfriesischen Inseln beenden, Dauerwohnraum für Inselbewohner erhalten!

Fraktion der SPD                                                                                                
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Entschließung

Der Landtag wolle beschließen:

Die Ostfriesischen Inseln befinden sich in einer besonderen geographischen, demographischen und wirtschaftlichen Situation besonders mit Blick auf das Vorhalten von Infrastruktur und Küstenschutz sowie Erreichbarkeit urbaner Zentren. Sie bedürfen daher einer gesamtheitlichen Betrachtung und Hilfestellung, um weiterhin dauerhaft bewohnt zu bleiben und ihre besondere Situation bestmöglich bewältigen zu können. Ein besonderes Problem ist der Entzug von sogenanntem Dauerwohnraum für Einheimische durch Verkauf und Nutzung der neuen Eigentümer als Zweitwohnungen, das auf den Inseln zu weitreichenden Nachteilen führt. Es geht daher insbesondere darum, ausreichend bezahlbaren und dauerhaft nutzbaren Wohnraum für die Inselbewohnerinnen und –bewohner langfristig sicherzustellen. Um diese Ziele zu erreichen, reichen Einzelmaßnahmen nicht aus. Es muss ein gesamtheitliches Konzept mit aufeinander abgestimmten Maßnahmen erarbeitet werden, das die verschiedenen Teilaspekte berücksichtigt, um eine Verbesserung für die Inselgemeinden herbeizuführen. Dazu ist es notwendig, einen fortwährenden Dialog und Austausch mit den Hauptverwaltungsbeamten und den Räten vor Ort zu gewährleisten, um u.a. notwendige rechtliche Unterstützungsangebote zu entwickeln.

Der Landtag fordert die Landesregierung daher auf,

  1. in Zusammenarbeit mit den Inselgemeinden und den betroffenen Landkreisen Herausforderungen durch die besondere Lage in einem Handlungskonzept detailliert zu beschreiben und zu analysieren. Auf Grundlage dieses Konzepts Handlungsempfehlungen zu geben und die Inselgemeinden gegebenenfalls bei der Bewältigung dieser besonderen Herausforderungen zu unterstützen.
  2. sich für eine Anerkennung der Ostfriesischen Inseln als eine Sonderzone in der Förderpolitik der Europäischen Union stark zu machen. Im Hinblick auf den EFRE sollen die Ostfriesischen Inseln mit der EU-Förderperiode ab dem Jahr 2021 besondere Berücksichtigung finden. Die Landesregierung wird aufgefordert, hierzu mit den zuständigen Behörden Verhandlungen aufzunehmen.
  3. sich dafür einzusetzen, dass die strukturellen Herausforderungen, die mit der Erreichbarkeit (teilweise Tideabhängigkeit) und dem Vorhalten touristischer und kommunaler Infrastruktur verbunden sind, besser durch regulative und kommunale Instrumente zu unterstützen. Die hohen Besucherzahlen tragen dazu bei, dass im Vergleich zum Festland pro Einwohner ein höherer finanzieller Aufwand betrieben werden muss. Aspekte diesen Bereichs sind Sicherheit, Mobilität und Freizeiteinrichtungen, die einen Fortbestand der lokalen Wirtschaft ermöglichen.
  4. sich auf Bundesebene für eine Ergänzung des § 22 Abs. 1 BauGB einzusetzen beispielsweise durch eine Bundesratsinitiative. Dadurch werden Fremdenverkehrsgemeinden in die Lage versetzt, nicht nur die Begründung von Wohneigentum im Sinne des WEG, sondern auch Bruchteilseigentum nach den §§ 1008 bis 1011 BGB einer Genehmigungspflicht zu unterwerfen. Dies stärkt den Gedanken der Subsidiarität und versetzt die vor Ort handelnden Akteure in die Lage, besser als zuvor entscheiden zu können, welche Bebauung den Fortbestand der Inselbesiedlung sichert. Die Option einer Satzung gemäß § 22 für Fremdenverkehrsgebiete sollte offensiv genutzt werden. Zudem sollte der Begriff der Ferienwohnungen in der Baunutzungsverordnung im Sinne der Regulierungsmöglichkeiten der Gemeinden vor Ort definiert werden, um positive Auswirkungen in der Fläche zu erzeugen. Vor Ort sind die Mittel und Instrumente im bestehenden Bauplanungsrecht weiter und offensiv zu nutzen.
  5. die negativen Auswirkungen durch Verkäufe für kommende Generationen verstärkt in den Blick zu nehmen. Begrenzter Wohnraum auf den Ostfriesischen Inseln darf nicht zur Spekulation und Gewinnmaximierung genutzt werden, sondern muss den Menschen vor Ort zu bezahlbaren Preisen zur Verfügung stehen. Ansonsten drohen fatale Verdrängungsprozesse, die das gesellschaftliche, ehrenamtliche und wirtschaftliche Miteinander auf den Inseln nachhaltig gefährden. Der Verkauf von Wohneigentum an Investoren, die eine Vermietung von Gebäuden anstatt einer Eigennutzung mit einem Erstwohnsitz und eines dauerhaften Wohnens auf der Insel forcieren, muss subsidiär durch kommunales Handeln begleitet werden. Dies gibt den Akteuren vor Ort die Möglichkeit besser zu regulieren, damit einem Ausverkauf vorgebeugt wird und die Preise für Käufer und Mieter mit der Absicht des Dauerwohnens erschwinglich werden. Die soziale Wohnraumförderung des Landes Niedersachsen soll die Besonderheiten der regionalen Teilwohnungsmärkte auf den Ostfriesischen Inseln stärker berücksichtigen.
  6. in Gesprächen mit den ostfriesischen Inselgemeinden anzuregen, zur Abwehr von Spekulanten die baurechtlichen Instrumente der „Erhaltungssatzung“ und der „Veränderungssperre“ zu nutzen.
  7.  die Wiedereinführung der Zweckentfremdungsverordnung zu prüfen.

Begründung

Die oben beschriebenen Herausforderungen können nicht allein durch die Inselgemeinden bewältigt werden. Durch ein klares und gesamtheitliches Bekenntnis des Niedersächsischen Landtages und der Landesregierung zum Erhalt von Dauerwohnraum auf den Ostfriesischen Inseln setzt Niedersachsen ein klares Zeichen für die weitere Gleichstellung und Förderung ländlicher Regionen und solcher mit besonderen Herausforderungen. Maßnahmen, die aktuell die Ostfriesischen Inseln betreffen, werden von unterschiedlichen Ressorts begleitet. Ein gemeinsames Handlungskonzept aufgrund der besonderen Lage bietet die Möglichkeit, bestimmte Maßnahmen zu ordnen, zu vernetzen und effizienter im Sinne aller Inseln voranzutreiben. Im Dialog entstünde somit eine Akzeptanz von Prioritäten, die dazu führen, dauerhaftes Wohnen und ein funktionierendes Gemeinwesen aufrechtzuerhalten. Das Bemühen der Niedersächsischen Landeregierung um Gesetzesänderungen beim Bund und die Beachtung der Inseln als Gebiete mit äußerster Randlage begründen sich sowohl in der Sicherstellung der Versorgung der Inseln als auch in deren erschwerter Erreichbarkeit. Diesen Gegebenheiten muss Rechnung getragen werden, indem nicht allein Einzelmaßnahmen geprüft und gefordert werden, sondern insgesamt die Lage beurteilt wird, um handeln zu können. Ein „Ausverkauf“ der Inseln und ein damit verbundenes Zusammenbrechen der Inselgemeinden steht bereits jetzt im Fokus Niedersächsischer Politik, damit die Herausforderungen solidarisch gelöst werden können. Änderungen sind dringend notwendig, damit die Inseln ein stärkeres Instrument besitzen, um die Zahl der Dauerwohnungen zu erhöhen und den Ausverkauf der Insel so leichter ausbremsen zu können.

Inselschutz ist auch gleichzeitig Küstenschutz des Festlandes. Ohne bewohnte Ostfriesische Inseln würde die Niedersächsische Festlandküste nicht weiter so bestehen können. Daher ist die Forderung nach einem Einbezug dieses Aspekts Grundlage für die Existenz der aktuellen Küstenlinie Niedersachsens. Das Weltnaturerbe Wattenmeer mit Flora und Fauna ist zudem ein sensibles Ökosystem, welches dazu beiträgt, die Natur zu schützen und Lebensqualität zu steigern. Erfordernisse, Ziele, konzeptionelle Grundlagen und notwendige Maßnahmen für Flora, Fauna und Lebensräume sind durch den Nationalpark, das Weltnaturerbe-Gebiet und das Biosphärenreservat Niedersächsisches Wattenmeer, Natura 2000-Umsetzung sowie Vereinbarungen zur trilateralen Wattenmeerzusammenarbeit vielfältig abgedeckt. Bewohnte Inseln tragen dazu bei, dass auch in Zukunft das Wattenmeer wertgeschätzt wird und geschützt werden können.

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