Antrag: Agrarrohstoffspekulationen wirksam entgegentreten - EU-Finanzinstrumente-Richtlinie nicht aufweichen

Fraktion der SPD

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Zu Beginn des Jahres 2014 hatten sich Rat der europäischen Union, EU-Parlament und die Kommission auf die Neufassung der Finanzinstrumente-Richtlinie MiFID (Market in Financial Instruments Directive) geeinigt. Diese soll unter anderem den Handel mit Agrarrohstoffen an EU-Finanzmärkten regulieren. Mit der Neufassung sollten die rechtlichen Voraussetzungen für eine verbindliche Einführung von Positionslimits in der EU geschaffen werden. Positionslimits sind Obergrenzen für Finanzinvestoren an Warenterminmärkten. Erklärtes Ziel war es, exzessive Spekulationen mit Agrarrohstoffen zu verringern. Besonders gravierend sind die Auswirkungen der dadurch hervorgerufenen Preissteigerungen und -schwankungen für einkommensschwache Menschen in Ländern, die arm oder von Lebensmittelimporten abhängig sind. Mangel- oder sogar Unterernährung, sowie Armut und Verschuldung sind die Folge und können darüber hinaus zu Instabilität und Konflikten führen.

Problematisch ist, dass die Regelungen der Finanzinstrumente-Richtlinie hinsichtlich der Positionslimits des maximal zu handelnden Anteils am Nahrungsmittel-Rohstoffmarkt nur auf den börslichen nicht aber auf den außerbörslichen Handel, den sog. Schattenmarkt anzuwenden sind. Damit ist eine Umgehung der Positionslimits voraus zu sehen, die Positionslimits sollten aber für den gesamten Handel gelten.

Die Ausarbeitung der technischen Details zu der Richtlinie wurde jedoch der Europäischen Finanzmarktaufsichtsbehörde (ESMA) überlassen. Es zeigt sich aber, dass zahlreiche Ausnahmen und Schlupflöcher in Bezug auf die Wirksamkeit von Rohstoffspekulationen hinzugefügt wurden. Das ursprüngliche Ziel des Gesetzgebers, Marktverzerrungen und Preisschwankungen zu verhindern, steht nicht mehr im Vordergrund.

Daher bittet der Landtag die Landesregierung sich über den Bundesrat und alle weiteren politischen Ebenen dafür einzusetzen, dass:

  • Hedgefonds oder Investmentfonds keine den Rohstoffmarkt kontrollierende (prozentuale) Menge der lieferbaren Agrarrohstoffe halten dürfen. Massive Marktverzerrungen und gravierende Preissprünge könnten die Folge sein.
  • Positionen nicht teilweise auf mehrere Tochtergesellschaften aufgeteilt werden können. Dies kann im Extremfall dazu führen, dass einzelne Finanzkonzerne Rohstoffderivate halten, die den Umfang der verfügbaren Liefermenge sogar noch übersteigen und ihnen massive Macht auf die Preisgestaltung geben.
  • wirksam zu verhindern, dass die vom Regelungsgehalt der Finanzinstrumente-Richtlinie ausgenommenen an den realen Rohstoffmärkten agierenden Unternehmen die Warenterminmärkte für Spekulationsgeschäfte nutzen. Deshalb muss eine Nachweispflicht für die Absicherung eines realen Rohstoffgeschäfts für die Fälle eingeführt werden, in denen Positionslimits der Finanzinstrumente-Richtlinie von diesen Unternehmen überschritten werden.
  • Zielvorgaben aus MiFID II bei der Ausgestaltung der technischen Details einzuhalten. Dafür mu?sste das Limit deutlich niedriger gesetzt werden, etwa bei 10 % mit einer mo?glichen Abweichung von +/- 5 %-Punkte, so dass ein einzelner Ha?ndler nicht mehr als 15 % Prozent eines Rohstoffmarktes kontrollieren kann.
  • es klare, einheitliche und verständliche Standards zur Berechnung der verfu?gbaren Menge eines Rohstoffs festgelegt werden.

Begründung

Die EU-Finanzmarktrichtlinie MiFID II sollte mit Verabschiedung 2014 Nahrungsmittelspekulationen eingrenzen. Die technischen Details, die erarbeitet wurden, wie auch die Beschränkung der Richtlinie auf den börslichen Handel drohen aber das erklärte Ziel aufzuweichen. Neben den Spekulationen ergeben sich steigende und teils extrem volatile Preise für Grundnahrungsmittel wie Mais, Weizen und Reis, die Kleinbauern und Konsumenten in Entwicklungsländern immer wieder in Notlagen bringen, ebenso durch die wachsende Weltbevölkerung – und damit die steigende Nachfrage nach Lebensmitteln – sowie der Zweckentfremdung großer Anbauflächen für die Produktion von Biotreibstoffen.

Grundsätzlich können die Börsen einen Nutzen für die Landwirtschaft haben, etwa wenn ein Weizenproduzent einem Händler garantiert, eine festgelegte Menge Weizen zu einem bestimmten Zeitpunkt zu liefern. Das sorgt bei beiden Parteien für Planungssicherheit, gerade auch weil der Weizenproduzent nicht wissen kann, wie seine Ernte verlaufen wird. Seit der Jahrtausendwende haben jedoch auch Finanzfonds und große Kapitalanleger den Warenterminmarkt für sich entdeckt. Sie handeln mit Futures und Indexfonds und setzen auf potentielle Preisexplosionen.

Die Reform der EU-Finanzmarktrichtlinie sollte den Handel auf den Märkten transparenter und sicherer machen, Preisschwankungen eindämmen und die Nahrungsmittelversorgung absichern, anstelle Hunger zu verschärfen. MiFID II soll in Zukunft wirksame Positionslimits setzen. Sie sollen eine zu hohe Marktkonzentration bestimmter spekulativer Händler verhindern. So soll es künftig eine maximale Anzahl an Terminkontrakten geben, die von einzelnen Akteuren oder Gruppen gehalten werden können.

Hedgefonds oder Investmentfonds dürfen aber nach jetziger Lage bis zu 40 Prozent eines Rohstoffmarktes kontrollieren, so dass ein einzelner Spekulant zum Beispiel Weizenderivate halten könnte, die 40 Prozent des lieferbaren Weizens entsprechen. Massive Marktverzerrungen und gravierende Preissprünge könnten die Folge sein. Große Unternehmen könnten ihre Positionen auf mehrere Tochtergesellschaften aufteilen. Das würde dazu führen, dass Finanzkonzerne Rohstoffderivate halten, die den Umfang der verfügbaren Liefermenge sogar noch übersteigen und ihnen massive Macht auf die Preisgestaltung geben. Dies widerspricht den ursprünglichen Zielen der EU-Finanzmarktrichtlinie.

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