Antrag: Abfallwirtschaftsplan überarbeiten: Keine Genehmigung von Bauschutt-Deponien auf Kalirückstandshalden durch die Hintertür des Bergrechts

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Die Landesregierung plant, die niedersächsischen Kalirückstandshalden im großen Maßstab zur Entsorgung von Bauschutt zu nutzen. Im Entwurf der Landesregierung für den Niedersächsischen Abfallwirtschaftsplan ist vorgesehen, die geplanten Abdeckungen von Kalirückstandshalden als Entsorgungsnachweis für die „Verwertung von mineralischen Abfällen“ festzuschreiben.

Es gibt in Niedersachsen sieben große Althalden, auf denen Rückstände aus der Kaliindustrie oberirdisch gelagert werden. Diese Halden bestehen zu großen Teilen aus Salz und haben erhebliche Auswirkungen auf Grundwasser und Oberflächengewässer. Durch Niederschläge wird Salz aus den Halden ausgewaschen, die salzigen Abwässer werden in angrenzende Gewässer eingeleitet bzw. versickern unkontrolliert ins Grundwasser. An allen Standorten, an denen das Landesbergamt bislang Grundwasseruntersuchungen durchgeführt hat, wurde eine Versalzung des Grundwassers bestätigt[1].

Die Allgemeine Bergverordnung schreibt in § 225 Abbau vor, dass Kalisalzabbaue sobald wie möglich versetzt werden müssen. In Kalisalzlagerstätten mit mehr als „50 gon Einfallen“ (gon = Hilfsmaßeinheit zur Angabe der Winkelweite ebener Winkel; Einfall = Bremer Flächenmaß) beträgt die Frist für das Versetzen 30 Monate, von dem Zeitpunkt an gerechnet, zu dem die freie Abbauhöhe 4 m erreicht hat; Abbauräume in flach einfallenden Lagerstätten müssen 18 Monate nach Beginn ihres Auffahrens versetzt sein.

Aktuell ist an mehreren Standorten geplant, die durch Überschussmaterial oder bislang nicht erfolgten Rückversatz entstandenen Rückstandshalden mit Bauschutt abzudecken. Durch eine Haldenabdeckung soll die Entstehung salzhaltiger Haldenwässer weitestgehend reduziert werden. Alle bisherigen Erkenntnisse zeigen aber, dass Haldenabdeckungen mit Bauschutt nicht zwingend auch wasserdicht sind. Die geplanten Abdeckungen können somit dazu führen, dass der Salzaustrag lediglich verlangsamt und über einen längeren Zeitraum gestreckt wird.

Die geplante „Verwertung“ von Bauschutt, belasteten Erden und Industrieabfällen soll zudem mit verringerten Umweltauflagen umgesetzt werden. Diese „Verwertung“ auf Kalirückstandshalden wird vom Landesbergamt nach Bergrecht genehmigt. Für reguläre Bauschutt-Deponien gelten strengere Anforderungen, da diese nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz von den Gewerbeaufsichtsämtern zu genehmigen sind.

Der Landtag stellt fest, dass die Sanierung und Sicherung der Altlasten der Kali-Industrie Vorrang vor Interessen der Verwertung und Entsorgung von Abfällen hat. Wo immer möglich und rechtlich durchsetzbar ist ein Rückversatz vorzunehmen. Ein Austrag von salzigen Abwässern in das Grundwasser oder angrenzende Oberflächengewässer aus Kalirückstandshalden ist durch geeignete Maßnahmen weitestgehend zu verhindern.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

-     den Entwurf des Niedersächsischen Abfallwirtschaftsplans zu überarbeiten und klarzustellen, dass Kalirückstandshalden nicht pauschal als geeignete Deponieflächen zur Entsorgung von Industrieabfällen, Bauschutt und belasteten Böden eingeplant werden dürfen,

-     Bauschutt-Deponien auf Kalirückstandshalden nicht mehr nach Bergrecht zu genehmigen.

Begründung

Die Sanierung und Sicherung der Altlasten und der Gewässerschutz müssen Vorrang vor Interessen der Verwertung und Entsorgung von Abfällen haben. Das Landesbergrecht[2] sieht ohnehin vor, dass Rückstände der Kaliindustrie schon während des Abbaubetriebs untertätig versetzt werden. Der Rückversatz ist konsequent umzusetzen, um die Rückstandshalden so weit wie möglich zu beseitigen. Das Aufschütten neuer Kalirückstandshalden entspricht nicht mehr dem Stand der Technik.

Die geplanten Haldenabdeckungen mit Bauschutt und anderen Abfällen kann die Gewässerversalzung nicht stoppen. Auch nach einer Abdeckung mit Bauschutt werden weiter salzige Abwässer aus dem Haldenkörper austreten, was die Standsicherheit der Halden beeinträchtigt. Der Betreiber der Kalihalde Wathlingen rechnet bspw. damit, dass auch zukünftig rund 20 Prozent des Regenwassers durch die Abdeckung sickert[3]. Auch die Landesregierung gibt an, dass es bislang keine Erfahrungen zur Wirksamkeit von Haldenabdeckungen gibt[4].

Die Landesregierung hat im Juli 2018 einen Entwurf für eine Neufassung des Abfallwirtschaftsplans vorgelegt. Verbände und Öffentlichkeit konnten bis zum 28. September 2018 Stellungnahmen abgeben. Ziel ist eine Fortschreibung des Abfallwirtschaftsplans aus dem Jahr 2011. Der Entwurf des Abfallwirtschaftsplans beschreibt einen Mangel an Deponiekapazitäten der Deponieklasse I im Norden und im Westen Niedersachsens. Hier muss das Land die betroffenen Kommunen unterstützen, im Rahmen der kommunalen Zuständigkeiten an geeigneten Standorten Deponiekapazitäten zu schaffen. Die Problematik der fehlenden Deponiekapazitäten kann jedoch nicht einseitig dadurch gelöst werden, die Kalirückstandshalden im Großraum Hannover für die Bauschuttentsorgung vorzusehen.

Zur Bedeutung der Kalirückstandshalden für die Entsorgung von Bauschutt steht im Entwurf der Landesregierung:

„Erhebliche Bedeutung für die Verwertung von mineralischen Abfällen besitzt in Niedersachsen die Rekultivierung von Kalirückstandshalden, wie sie insbesondere im Großraum Hannover stattfindet. Durch diese Verwertungsmaßnahme kann die Entstehung salzhaltiger Haldenwässer deutlich reduziert werden. Für die Herstellung einer standsicheren und dauerhaften Rekultivierungsschicht sowie für die Verhinderung des kapillaren Aufstiegs von salzhaltigen Haldenwässern in die Rekultivierungsschicht sind erhebliche Massen an geeigneten mineralischen Abfällen erforderlich, die in der Regel vor dem Einbau aufbereitet werden. Technische Sicherungsmaßnahmen stellen bei derartigen Vorhaben die Schadlosigkeit der Verwertung sicher. Daher leistet dieser Verwertungsweg, der in anderen Ländern nicht zur Verfügung steht, in einem Ballungsraum mit erheblicher Bautätigkeit einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der hohen Verwertungsquote von mineralischen Abfällen.“ (S. 43).

Die Abfallwirtschaftspläne sollen einen wesentlichen Rahmen für die Planung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung darstellen. Sie stellen die Maßnahmen der Abfallvermeidung und -verwertung dar und beschreiben die gemeinwohlverträgliche Beseitigung von Abfällen. Die Pflicht für die Länder, derartige Pläne aufzustellen, ergibt sich aus dem Kreislaufwirtschaftsgesetz.

Die Kalirückstandshalden sind Altlasten des Kalibergbaus in Niedersachsen. Betroffen sind folgende Standorte:

1.      Kalihalde Niedersachsen in Wathlingen im Landkreis Celle:

Derzeit läuft ein Genehmigungsverfahren für eine Haldenabdeckung mit Bodenaushub und Bauschutt bis zur Schadstoffklasse Z2.

2.      Kalihalde Siegfried in Giesen im Landkreis Hildesheim:

Die bestehende Althalde soll in den kommenden Jahrzehnten abgedeckt werden. Mit der geplanten Wiederinbetriebnahme des Kaliwerks soll zudem eine zweite Rückstandshalde aufgeschüttet werden.

3.      Kalihalde Sigmundshall in Wunstorf-Bokeloh in der Region Hannover:

Die Abdeckung der Halde wurde bereits 2007 genehmigt, als Deckmaterial werden Salzschlacken aus dem Aluminium-Recycling verwendet (sog. REKAL-Abfälle).

4.      Kalihalde Friedrichshall in Sehnde in der Region Hannover:

2010 wurde die vollständige Abdeckung der Halde mit Bauschutt genehmigt. Es werden immer wieder Einbrüche in der Haldenabdeckung beobachtet.

5.      Kalihalde Hugo in Lehrte in der Region Hannover

Ein Antrag für eine Haldenabdeckung wurde bislang nicht vorgelegt.

6.      Kalihalde Ronnenberg in Ronnenberg in der Region Hannover

Derzeit läuft ein Genehmigungsverfahren für eine Haldenabdeckung mit Bodenaushub und Bauschutt bis zur Schadstoffklasse Z2.

7.      Kalihalde Hansa in Empelde in der Region Hannover:

Die Halde ist bereits mit Bauschutt und Bodenaushub abgedeckt, begrünt und aus der Bergaufsicht entlassen. Das Gelände wird für Veranstaltungen genutzt, ist derzeit aber wegen Einbrüchen geschlossen.


[1] Vgl. Antwort auf die Grüne Anfrage, Drs. 18/2823.

[2] § 225 ABVO, Allgemeine Bergverordnung über Untertagebetriebe, Tagebaue und Salinen.

[3] Vgl. Planfeststellungsantrag zur Abdeckung der Kalihalde Wathlingen.

[4] Vgl. Antwort auf die Grüne Anfrage, Drs. 18/2823.

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