Antrag: 45 Jahre Europawahlen und 75 Jahre Grundgesetz: Feiern, verteidigen und stärken wir Demokratie, Frieden und Freiheit

Fraktion der SPD
Fraktion der CDU
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

45 Jahre Europawahlen und 75 Jahre Grundgesetz: Feiern, verteidigen und stärken wir Demokratie, Frieden und Freiheit

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

 

Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz verkündet. Seit 75 Jahren ist es die Grundlage unseres Zusammenlebens und damit für Demokratie, Frieden und Freiheit in unserem Land. Aktuell wird unsere Demokratie mehr denn je von außen und von innen angegriffen. Eine breite gesellschaftliche Mehrheit stellt sich dagegen, um Demokratie und Freiheit zu schützen. Nicht zuletzt mit Blick auf die Europawahl am 9. Juni ist dieser Einsatz besonders wichtig.

Nationalisten und Extremisten stellen die grundlegenden Werte und Prinzipien der Europäischen Zusammenarbeit in Frage. Aber ein Europa, in dem die Staaten keine guten Nachbarn, gleichberechtigten Partner und friedliche Konkurrenten, sondern Feinde sind, darf es nie wieder geben.

Das Grundgesetz war die Antwort auf die Verbrechen und Gräuel der NS-Diktatur und des von Deutschland begonnenen Zweiten Weltkriegs. An seinem Beginn stehen die Freiheits- und Grundrechte, die jeder und jedem Einzelnen zustehen und die Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht binden. Der erste Artikel ist zugleich eine Verpflichtung: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Das Grundgesetz legt unverrückbar fest: In unserer liberalen Demokratie geht die Macht von den wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern aus - mit den Mitteln des Rechts. Zugleich sichert es die Freiheiten von Minderheiten. Das Grundgesetz schließt einen rassischen Volksbegriff kategorisch aus.

Die repräsentative Demokratie ermöglicht uns, Probleme gemeinsam zu lösen und Kompromisse zu finden. Pluralität und Vielfalt gehören zu den großen Stärken unseres Landes. Das Grundgesetz ist die Basis dafür, dass die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in vielerlei Hinsicht eine Erfolgsgeschichte ist.

Wir betrachten unsere Freiheiten und Rechte nicht als Selbstverständlichkeit. Deshalb ist es wichtig, dieses Jubiläum zu feiern. Es ist richtig, dass die Landesregierung dazu über das Grundgesetzportal ausdrücklich aufruft und über Wettbewerbe und Veranstaltungen einen Schwerpunkt bei den Bildungseinrichtungen des Landes setzt. Anlässlich des Jahrestags „75 Jahre Grundgesetz“ findet am 23. Mai 2024 ein Aktionstag an vielen niedersächsischen Schulen statt.

Seit 75 Jahren füllen die Menschen überall im Land das Grundgesetz mit Leben: Mit bürgerschaftlichem Engagement für die plurale und demokratische Gesellschaft, im Ehrenamt, in sozialen oder Bildungseinrichtungen, in Religionsgemeinschaften und in politischen Parteien, Gewerkschaften, Vereinen und Verbänden.

Doch 75 erfolgreiche Jahre sind keine Garantie für weitere 75 Jahre gelingenden demokratischen Zusammenlebens. Strategische Desinformation, Lügen und Propaganda aus dem In- und Ausland haben das Ziel, die Grundfeste unserer Demokratie und des gesellschaftlichen Zusammenhalts zu erschüttern. Von allen Kräften, die unseren demokratischen Rechtsstaat ablehnen und angreifen, ist derzeit der Rechtsextremismus die gefährlichste. Allen Feinden von Demokratie und Freiheit bieten wir energisch die Stirn.

Das Prinzip der wehrhaften Demokratie ist ein zentrales Verfassungsprinzip und Auftrag an jede und jeden Einzelnen: Wer dauerhaft in einer liberalen Demokratie leben und unsere Grundwerte bewahren will, muss Verantwortung wahrnehmen. Die Menschen in unserem Land tun dies in beeindruckender Weise. Hunderttausende Bürgerinnen und Bürger sind in diesem Jahr auf die Straßen gegangen, um für die Werte des Grundgesetzes Gesicht zu zeigen. Der Landtag dankt allen, die mit diesen Demonstrationen einen wichtigen Beitrag für unsere Demokratie leisten.

Es ist eine gemeinsame Aufgabe, die Verfassungsorgane zu schützen. Zugleich ist es die Aufgabe der Verfassungsorgane, für die Demokratie zu werben, ihre Akzeptanz u.a. durch politische Bildung zu fördern und dafür zu sorgen, dass keine Bevölkerungsgruppen stigmatisiert werden.

Das Grundgesetz ist eine lebendige Verfassung. Im Laufe der Geschichte der Bundesrepublik wurde sie weiterentwickelt, zum Beispiel mit dem staatlichen Gebot zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und dem Benachteiligungsverbot von Menschen mit Behinderungen. Das Grundgesetz ist damit auch ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Entwicklungen in unserem Land.

Mit der deutschen Einheit ging eine der wesentlichsten Änderungen in der Geschichte des Grundgesetzes einher. An die Stelle des ehemaligen Auftrags zur deutschen Wiedervereinigung in Artikel 23 ist im Jahr 1992 der „Europa-Artikel“ getreten. Er gibt dem Ziel der „Verwirklichung eines vereinten Europas“ Verfassungsrang: einer Europäischen Union mit demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen.

Es war eine große Leistung der Europäerinnen und Europäer, dass innerhalb einer Generation aus Feinden erst Partner und dann Freunde wurden. Als Deutsche sind wir dafür besonders dankbar. Die europäische Einigung steht seit über 70 Jahren für Frieden, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine zeigt jedoch: Frieden ist auch in Europa keine Selbstverständlichkeit. Es ist wichtiger denn je, dass die Europäische Union solidarisch handelt, ihre Stärken der Vielfalt und Demokratie nutzt und ihr politisches Gewicht weltweit stärkt.

Wir leben in Zeiten großer Krisen und Herausforderungen: die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens und die Anpassung an die Folgen des Klimawandels, internationale Konflikte und die damit verbundenen Migrationsbewegungen, die Verteidigungsfähigkeit der EU oder die Sicherung des wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandorts für nachhaltigen Wohlstand. Erfolgreich können wir diesen Herausforderungen nur gemeinsam begegnen.

Für Niedersachsen ist die Europäische Union eine Erfolgsgeschichte, von der die Menschen in unserem Land in ihrem Alltag profitieren. Der Landtag dankt den unzähligen Bürgerinnen und Bürgern in Niedersachsen, die sich ehrenamtlich für ein vereinigtes und demokratisches Europa engagieren. Überparteiliche Zusammenschlüsse, Bürgerschafts- und Partnerschaftsvereine leisten einen unschätzbaren Beitrag zur europäischen Demokratie.

Im Laufe des Integrationsprozesses hat sich die EU verändert. Insbesondere die Rechte des Europäischen Parlaments wurden gestärkt. Seit 1979 wird es direkt von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt. Die Demokratisierung der Europäischen Union und ihrer Institutionen ist damit noch nicht abgeschlossen. Im November 2023 hat das Europäische Parlament die Weiterentwicklung der EU angestoßen, um sie noch demokratischer und handlungsfähiger zu machen.

Bei der Europawahl am 9. Juni können in Niedersachsen über 6 Millionen Unionsbürgerinnen und Unionsbürger über die zukünftige Entwicklung der Europäischen Union mitentscheiden. Zum ersten Mal dürfen auch 16- und 17-Jährige das Europäische Parlament wählen. Deshalb ist es wichtig, dass die Landesregierung mit Kommunikationsmaßnahmen insbesondere Erstwählerinnen und Erstwähler adressiert.

Die bevorstehende Europawahl ist richtungsentscheidend für die zukünftige Entwicklung der Europäischen Union. Angesichts der großen globalen Herausforderungen ist es existenziell, die europäische Zusammenarbeit und die liberale Demokratie zu stärken.

Der Landtag ruft alle Wahlberechtigten in Niedersachsen auf, zur Wahl zu gehen: Setzen Sie am 9. Juni ein deutliches Zeichen für ein demokratisches Europa!

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