Anne Kura: Aussprache zur Regierungserklärung "Durchbruch für Investitionen in Niedersachsen"
TOP 4 – Rede zur Regierungserklärung des Ministerpräsidenten "Durchbruch für Investitionen in Niedersachsen"
- Es gilt das gesprochene Wort -
Die Entscheidungen von Bundesrat und Bundestag sind gut für Niedersachsen. Sie sind ein Durchbruch für Investitionen in Infrastruktur, Klimaschutz und Sicherheit. Wir können unser Land jetzt zukunftsfester zu machen.
Es ist gut und richtig, dass sich CDU, SPD und Grüne auf Grundlegendes verständigen konnten: für das Land, für unsere Sicherheit und für unsere Demokratie. Wir erkennen an, dass CDU und CSU einen großen Schritt getan haben.
Es ist Markus Söder bestimmt nicht leichtgefallen, Hubert Aiwanger zu zwingen, Robert Habecks Klimapolitik im Grundgesetz zu verankern – und das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 gleich mit.
Es ist gut, dass die SPD mit den Grünen dafür gesorgt hat, dass die CDU die Realität nicht mehr vollständig ignorieren kann. Die Union hat unserem Land mit ihrer Realitätsverweigerung und mit ihrer parteipolitischen Taktiererei in den letzten Jahren massiv geschadet. Wir könnten an vielen Stellen weiter sein.
Herr Lechner, wir sind jetzt auf dem Weg, die Schuldenbremse an die neuen Realitäten anzupassen. Wer diesen Weg zu spät mitgeht, wer zu spät umkehrt, wird unglaubwürdig. Machen Sie nicht den Mini-Merz.
Und, Herr Lechner, dass die EU und Deutschland für die Sicherheit und Verteidigung eine deutlich größere Rolle einnehmen müssen, das ist doch nun wirklich nicht erst seit dem Abend im Oval Office klar.
Es ist gut, dass die Grünen das Paket in den Verhandlungen mit einem guten demokratischen Kompromiss deutlich verbessert haben.
Erstens: Wir haben die Zusätzlichkeit beim Sondervermögen festgeschrieben. Nur so ist sichergestellt, dass das Geld wirklich in zusätzliche Zukunftsinvestitionen in Infrastruktur und Klimaschutz, in die Zukunft unserer Kinder und der Wirtschaft fließt.
Zweitens: Es war die Grüne Bundestagsfraktion, die dafür gesorgt hat, dass die Mittel genutzt werden können, um die größte dauerhafte Bedrohung unserer Lebensgrundlagen und unseres Wohlstandes zu bewältigen, statt sie zu verdrängen: die Klimakatstrophe.
Es geht um unsere Freiheit und die Freiheit kommender Generationen. Wo, wenn nicht hier, muss es heißen: Whatever it takes.
Und drittens: Frieden und Stabilität sind in Deutschland und Europa nicht mehr selbstverständlich. Aggressive Autokraten und Diktatoren wie Putin nutzen militärische Gewalt und wollen auch unsere Demokratie destabilisieren. Deshalb ist es richtig, dass der Sicherheitsbegriff für die Verteidigungsausgaben jetzt breit gefasst ist: Militärische Verteidigung, aber eben auch Cybersicherheit, Bevölkerungsschutz, Zivilschutz.
Wer mit offenen Augen durchs Land geht, der weiß: der Investitionsbedarf im Land ist riesig – und im Alltag für niemanden zu übersehen, ob bei Schulen, Hochschulen, Kitas. Bei der Digitalisierung, der Sanierung von Straßen, Brücken und Schienen, bei Klimaschutz und Klimaanpassung – ob Wärmenetze oder Moorschutz.
Die Milliarden und die neu geschaffenen Möglichkeiten der Kreditaufnahme sind dringend nötig. Diese Landesregierung hat von Beginn an auf Zukunftsinvestitionen gesetzt. Finanzminister Heere hat dafür alle Hebel in Bewegung gesetzt. Unter den bisherigen Bedingungen der Schuldenbremse war die deutliche Steigerung der Investitionsquote ein großer Erfolg.
Dennoch reicht das Geld bislang nicht aus, um die Aufgaben der Zukunft anzugehen und zugleich die Versäumnisse der Vergangenheit zu heilen. Und so viel Wasser sei in den Wein gekippt: selbst die Beschlüsse aus der letzten Woche werden es nicht.
Deshalb kann ich bei Ihren Vorschlägen, Herr Lechner, auch nur feststellen: Sie klammern sich weiter an Ihre alten ideologiegetriebenen finanzpolitischen Fehleinschätzungen, halten weiter an der Realitätsverweigerung fest.
Macht man sich klar, dass 60 % der Investitionen von Ländern und Kommunen gestemmt werden, wir aber nur 20 % der Mittel aus dem Sondervermögen erhalten werden, dann ist das nicht übermäßig großzügig.
Deshalb hat der Ministerpräsident recht, wenn er darauf hinweist, dass das Geld knapp bleibt. Denn die Summen sind zwar gewaltig, aber gegenüber den Aufgaben immer noch nicht ausreichend. Es wird also nicht plötzlich alles möglich sein.
Es geht erstmal darum, unser Land wieder in Schuss zu bringen. Sorgen wir für einen leistungsfähigen und attraktiven Staat. Der Landesrechnungshof hat aufgelistet, wie hoch die Bedarfe dafür sind:
- Für die Sanierung und Klimaneutralität der Landesgebäude brauchen wir allein 1,8 Milliarden.
- Fast jede zweite Straße und jeder fünfte Radweg im Land ist sanierungsbedürftig. Im Jahr 2020 war schon jede vierte Brücke ist überlastet.
- Dazu kommt ein erheblicher Sanierungsbedarf der Schieneninfrastruktur.
Und überall gilt: Je länger wir warten, umso teurer wird’s.
Unsere Priorität ist klar: Erhalten und Modernisieren. Da ist das Geld am besten eingesetzt. Gerade bei Straßen heißt das: Erhalt statt Neubau. Je früher, umso besser gilt besonders für Hochwasser- und Küstenschutz. Jeder Euro, den wir heute in Klimaschutz investieren, spart bis zu 10 Euro an Folgekosten. Nach manchen Berechnungen sogar noch mehr. Das sind traumhafte Renditen. Deshalb bin ich froh, dass der Ministerpräsident auch das Thema Moore als wirksamste CO2-Senker angesprochen hat.
Sie sehen, wir werden die neuen finanziellen Möglichkeiten, verantwortungsvoll nutzen.
Die Projekte aus dem Klima- und Transformationsfonds werden wichtige Impulse für die Wirtschaft in Niedersachsen geben: Mit den 100 Milliarden kann der Umbau der Wirtschaft zur Klimaneutralität verlässlich fortgesetzt werden. Das sichert Arbeitsplätze und die Zukunft der Industrie: bei der Wärmepumpenproduktion, bei Grünem Stahl oder bei der E-Mobilität.
Gleichzeitig bieten die Investitionen die Chance klimaneutrale Produkte abzunehmen – und hier die Entwicklung von grünen Leitmärkten zu stärken.
Der Ministerpräsident hat es angesprochen: Wenn die zukünftige Bundesregierung steuerliche Investitionsförderung in Angriff nimmt, wird das auch das Land erstmal Einnahmen kosten. Wenn damit private Investitionen angestoßen werden, die für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung sorgen, ist das sinnvoll.
Was aber nicht geht, ist, in Berlin Wahlgeschenke zu beschließen, Steuergeschenke, die nicht in die Zukunft gerichtet sind, aber zu Lasten der Einnahmen von Ländern und Kommunen gehen.
Auch wenn es für Details zu früh ist, weil noch viele Fragen offen sind: Wir stehen dafür, dass die Kommunen angemessen beteiligt werden. Wir setzen uns schon lange für eine Verbesserung der Lage der Kommunen ein: Das zeigt der „Pakt für Kommunalinvestitionen“, den die Landesregierung mit den kommunalen Spitzenverbänden geschlossen hat. Unabhängig von den Beschlüssen auf Bundesebene. Diese 600 Millionen können unbürokratisch und ohne eigene Co-Finanzierung vor Ort investiert werden: Kitas, Schulen oder Straßensanierung. Die Kommunen können frei darüber entscheiden, wo sie investieren. Das ist vorbildlich.
Der Ministerpräsident hat erläutert, wie die neuen Mittel auch unsere Demokratie stärken können: Indem wir sie richtig einsetzen. Für ein Land, dass einfach funktioniert.
Demokrat*innen im Land müssen Entscheidungen treffen können. Das stärkt die Demokratie und schwächt den Populismus. Deshalb ist auch der Pakt für Kommunalinvestitionen so wichtig. Und deshalb ist es ein Dienst an der Demokratie, die Fesseln der Schuldenbremse zu lösen und dem Populismus den Nährboden zu entziehen.
Es war allerdings kein Dienst an der Demokratie, vor der Wahl genau das Gegenteil zu behaupten. Verantwortungsvoll wäre es gewesen, sich im Wahlkampf für diese neue Politik ein Mandat zu holen.
Wir brauchen eine grundlegende Reform der Schuldenbremse. Es ist gut, dass es dazu eine Expertinnen-Kommission unter Beteiligung des Bundestages und der Länder geben wird.
Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Der Satz: „Wir haben kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabeproblem“, gehört eingemottet.
Übrigens, Herr Lechner: Welche Ausgaben Sie eigentlich kürzen wollen, haben Sie wieder nicht gesagt. Das ist nicht besonders glaubwürdig.
Wir haben viel über die riesigen Investitionsbedarfe gesprochen. Es muss auch darum gehen, die Einnahmen des Staates zu verbessern. Und zwar gerecht. Mit einer Reform der Erbschaftssteuer, mit einer reaktivierten Vermögenssteuer. Das wären Beiträge zur Generationengerechtigkeit und zur Beseitigung der strukturellen Defizite bei Ländern und Kommunen.
Der alte Bundestag hat dem neuen Bundestag und der zukünftigen Bundesregierung ermöglicht, gute Politik für unser Land zu machen. Ob ihr das gelingt, daran habe ich weiter Zweifel. Aber ich hoffe es.
Sicher bin ich hingegen bei dieser Landesregierung: Mit Investitionen in die Zukunft unserer Kinder, in Klima und Kommunen – so machen wir Niedersachsen sicher in Zeiten des Wandels.