Anja Piel: Rede zu Kindergeldzahlungen ins Ausland (Antrag AfD)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

ich will gleich zum Punkt kommen: die AfD versucht mit diesem Antrag, die Grundprinzipien der Europäischen Union in Frage zu stellen, indem sie rassistische Vorurteile, Betrugsunterstellungen und falschen Fakten miteinander vermischt. Das fängt schon in der Überschrift an: Sozialleistungsbetrug mit Kindergeldzahlungen ins Ausland bekämpfen.

Das Kindergeld ist keine Sozialleistung, sondern eine Steuergutschrift. Sie wird unabhängig vom Einkommen allen Eltern gewährt, die ihren Wohnsitz in Deutschland haben oder hier einkommenssteuerpflichtig beschäftigt sind.

Weniger als 2% der Kindergeldzahlungen gehen an Eltern, deren Kinder im Ausland leben. Hauptsächlich sind das übrigens Deutsche, deren Kinder z.B. im Ausland studieren. Aber auch EU-Bürger*innen, die hier arbeiten, deren Kinder jedoch in ihren Heimatländern haben.

Diese Menschen zahlen übrigens auch Steuern und Sozialabgaben hier in Deutschland. Dass sie hier den gleichen Kindergeldanspruch haben, finde ich nur fair. Der Europäische Gerichtshof hat diesen Anspruch auch jüngst bestätigt.

Die steigenden Kindergeldzahlungen ins Ausland sind also nicht etwa auf Betrug zurückzuführen, wie die Antragsüberschrift weiterhin suggeriert. Im Gegenteil: sie sind auf völlig berechtigte Anträge zurückzuführen.

Die Freizügigkeit ist ein Grundpfeiler der Europäischen Union und ich finde es ausgesprochen positiv, dass immer mehr Menschen davon Gebrauch machen.

Anrede,

was die AfD nun fordert, ist eine Indexierung des Kindergeldes, d.h. das Kindergeld für EU-Bürger*innen soll an den Lebenshaltungskosten des Heimatlandes bemessen werden. Das Kindergeld für Kinder in Rumänien oder Ungarn bspw. wäre dann deutlich geringer. Was die AfD in ihrem Antrag nicht schreibt: für Kinder aus Deutschland, die in London oder Kopenhagen studieren, müsste das Kindergeld konsequenterweise dann auch deutlich höher sein. In beiden Fällen aber sind die Fallzahlen so gering, dass auch die Ersparnisse überschaubar wären. Der bürokratische Aufwand hingegen wäre enorm.

Anrede,

die Mitgliedstaaten haben sich bisher aus guten Gründen gegen eine Indexierung entschieden. Denn es darf keine EU-Bürgerinnen zweiter Klasse geben. Und insbesondere dürfen manche Kinder nicht schlechter behandelt werden als andere. Das Versprechen der EU auf Wohlstand und Teilhabe würde damit an Glaubwürdigkeit verlieren. Ein nationaler Alleingang ist also weder sinnvoll, noch europarechtlich zulässig. Einen ähnlichen Versuch Österreichs hat die EU mit einem Vertragsverletzungsverfahren beantwortet.

Anrede,

es gibt sicherlich Menschen, die sich mit falschen Identitäten versuchen, Kindergeldansprüche in Deutschland zu erschleichen. Das ist Betrug und dagegen muss man vorgehen. Die Bundesregierung hat deshalb bereits die Abstimmung mit den anderen Mitgliedsstaaten intensiviert. Die Zahl von 100 Mio. Euro, die laut Ihrer Antragsbegründung angeblich jedes Jahr zu Unrecht ins Ausland fließen, ist jedenfalls durch nichts zu belegen. Und selbst wenn es so wäre: eine Indexierung würde daran kaum etwas ändern.

Wir werden den Antrag ablehnen.

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