Anja Piel: Rede zu den Haushaltsberatungen 2020 – Allgemeinpolitische Debatte

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

diese Woche ist die Woche der großen Enttäuschungen! Die Klimakonferenz von Madrid ist trotz der gemeinsamen Erklärung faktisch gescheitert. Was hätte das für ein Signal sein können?

Und was für eine Ansage auch an diese Landesregierung! Die klare Ansage, endlich mehr zu tun, endlich in Niedersachsen nach vorn zu kommen beim Klimaschutz, statt nur mitzuschwimmen in dem Strom aus „geht nicht so schnell“, „müssen wir prüfen“ oder „dann erhöhen wir eben die Deiche“.

Völlig klar. Wir müssen nach der langen Zeit des Zauderns endlich mutig und beherzt den Klimaschutz anpacken. Zumindest die neue EU-Kommission hat das erkannt. Dagegen haben wir beim Klimapäckchen der Bundesregierung im Vermittlungsausschuss nur noch die allernötigsten Korrekturen geschafft. Immerhin!

Aber viele andere, außerhalb der politischen Runden, sind längst viel weiter:

Wirtschaft, Wissenschaft, Gewerkschaften, die jungen Leute von Fridays-for-Future.

Sie, Herr Ministerpräsident haben vorige Woche in einem Interview eine frische Studie des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und des DGB als Leselektüre empfohlen. Das hier ist die Studie: die ist in der Tat ein echter Lesetipp – insbesondere aber für Ihre eigene Landesregierung, lieber Stephan Weil. Da steht nämlich deutlich drin, was wir brauchen: ein Konjunkturprogramm in Höhe von 45 Milliarden pro Jahr. Das ist die Summe, die Deutschland braucht, um Klimaschutz und Modernisierung anzuschieben. Und noch mehr: Industrie und Gewerkschaften sowie führende Ökonomen empfehlen uns eindringlich: Gebt endlich das Mantra der schwarzen Null auf.

Anrede,

der Alarmruf von BDI und DGB gehört nicht als Gute-Nacht-Lektüre unters Kopfkissen. Er gehört auf den Kabinettstisch. Auf diese Überlegungen hätten Sie auch selbst kommen können! Und sie in die Zukunftsstrategie für Niedersachsen einfließen lassen können - und nicht erst für irgendwann 2030. Sondern jetzt. Sondern für diesen Haushalt.

Warum, Herr Ministerpräsident Weil, warum, Herr stellvertretender Ministerpräsident Althusmann, findet sich davon so gut wie nichts in Ihrem Haushalt?

Was die Fraktionen von SPD und CDU angeht, die haben zumindest versucht, noch einige Löcher zu stopfen. Gemessen an dem, was Niedersachsens Zukunft braucht, liest sich Ihr Haushaltsentwurf immer noch wie eine Mängelliste. Steckengeblieben in Problembeschreibungen und Minimalkompromissen. Kein Zukunftsplan für Niedersachsen. Mit diesem Haushalt kommen Sie nicht mal durchs nächste halbe Jahr!

Denn nun haben Sie ja im Kabinett einen neuen Arbeitskreis zum Klimaschutz gegründet; Sie nennen ihn „Lenkungsausschuss“. Wenn der mehr sein soll als Beschäftigungstherapie, dann muss der Maßnahmen auf den Weg bringen, die Geld kosten!

Keine Frage: Wenn das Klima extremer wird, bei steigender Hochwassergefahr und häufiger und längerer Dürre muss man akut handeln. Also Deiche aufstocken, Wälder aufforsten und Dürrefolgen lindern. Aber das allein geht nicht an die Ursachen. Das bleibt Flickschusterei! Das ist Murks. Das ist volkswirtschaftlich grober Unfug.

Deshalb noch einmal, auch für Sie, Herr Hilbers, den Kassenwart der GroKo für die schwarze Null: Alles, was wir jetzt nicht angehen, egal ob beim Klimaschutz, beim sozialen Wohnungsbau, bei der Verkehrsinfrastruktur, der Landwirtschaft oder in der Bildung.

Für alle Versäumnisse und Ihre schwarze Null lassen Sie kommende Generationen bezahlen!

Anrede,

Wir haben noch die Ankündigungen von Umweltminister Olaf Lies zum so genannten Klimagesetz der GroKo im Ohr:

Wir sollten uns schon mal auf die vielen konkreten Maßnahmen freuen, die kämen ganz sicher – ganz, ganz bald - ganz fest versprochen! Ehrenwort!

Mal ehrlich -für diesen Haushalt hat sich der Umweltminister wieder mal - den Schneid abkaufen lassen. Da ist nämlich nichts drin, um den CO2-Ausstoß so zu reduzieren, dass Sie die eigenen vorsichtigen Klimaziele erreichen könnten.

Wir Grünen haben in den vergangenen Monaten konkrete Vorschläge vorgelegt – einen Klimafonds von einer Milliarde Euro. Nur so bekommen wir genug Schlagkraft; für die Verkehrswende, die Wärmewende und den Klimaschutz.

Klimaschutz gibt es nicht zum Nulltarif. Für Veränderungen muss man streiten. Wir erleben das gerade besonders in der Landwirtschaft. Den Landwirtinnen und Landwirten ist viel zu lange vorgegaukelt worden, dass jede Kritik an der bisherigen Wirtschaftsweise ideologischer Grünen-Quatsch sei. Mit Hochwasser und Dürre hat uns alle die Wirklichkeit eingeholt.

Die Bäuerinnen und Bauern fühlen sich zu Recht verschaukelt. Die, die jetzt mit den Traktoren in Berlin und Hannover demonstrieren, die verlangen Lösungen von Ihnen, SPD und CDU!

Es wird Zeit, über die Zukunft der Landwirtschaft zu reden, nicht über die Betroffenen hinweg, sondern mit ihnen. Unsere Landwirte wissen, dass ein „Weiter so“ nicht mehr geht.

Landwirte und ihre Familien brauchen Planungssicherheit. Dafür muss man mit ihnen verhandeln. Aber wer sagt denn, dass sich der Streit mit den Landwirtinnen und Landwirten nicht lohnt? Trauen Sie den Landwirten ruhig mal was zu, aber lassen Sie sie nicht mit den Folgen von Dürre und Regen allein!

Anrede,

oder nehmen wir den Verkehr. Busse und Bahnen werden zweifellos beliebter. Die jungen Leute und Azubis gehen für ein 365-€-Ticket auf die Straße, zu Recht. Deshalb schlagen wir das Ticket vor. Wenn das in Hessen geht, dann auch bei uns! Ein gutes Angebot für junge UND ältere Leute - das ist auch sozial. Denn beim Klimaschutz muss beides mitgedacht werden: Klima und soziale Gerechtigkeit.

Apropos soziale Gerechtigkeit: Wo steckt in Ihrem Haushalt eigentlich die Initiative für bezahlbaren Wohnraum? Die bisherigen Zielvorgaben liegen weit unter dem Bedarf. Das hat die Landesarmutskonferenz der GroKo gerade erst ins Stammbuch geschrieben.

Sozialen Wohnungsbau finanzieren UND dafür die CO2-Bepreisung nutzen – das ist eine kluge Idee. Ebenso: Sozialwohnungen sanieren, um den Energieverbrauch dort zu senken, wo die Heizung im Winter kalt bleibt, wenn das Geld fehlt.

Das können wir allein auf Landesebene tun: Wärmewende in Gebäuden, gute Bildung für alle, von klein auf  und die dritte Betreuungskraft in den Kitas.

Und wenn an den Schulen Lehrerstellen unbesetzt bleiben, hat das auch mit der Arbeitsbelastung und der vergleichsweise schlechten Bezahlung zu tun. Deutschland rutscht in den internationalen Pisa-Vergleichen ab. Eine angemessene Bezahlung der Lehrkräfte, gerade an Haupt- und Realschulen wäre ein kluger und notwendiger erster Schritt.

Anrede,

warum verharrt die große Koalition in vielen zentralen Fragen im Klein-Klein?

Ihr Nichtstun besteht aus Nichts und es ist düster: Es ist Ihre schwarze Null. Sie stehen auf der Schuldenbremse und wundern sich, dass Sie nicht vorankommen? Es geht doch nicht um planloses Verschulden für alle möglichen Wünsche. Es geht um einen klugen Investitionsplan für Klimaschutz, bezahlbares Wohnen für alle und um Bildung für alle, kurz: es geht um die Zukunft dieses Landes.

Da knausert die GroKo. Gleichzeitig greift sie für die Rettung der angeschlagenen Nord/LB tief in die Kasse, sichert bis zu 7 Milliarden Euro ab; verzichtet sogar darauf, die stillen Gesellschafter mit in die Pflicht zu nehmen.

Meine Damen und Herren von SPD und CDU. Wenn das Klima eine Bank wäre, dann hätten Sie es längst gerettet.

Anrede,

Wirtschaft, Gewerkschaften, Wissenschaft und viele, viele Menschen auf den Straßen fordern, dass die Großen Koalitionen in Berlin und Hannover endlich regieren. Dass sie endlich aufstehen und anpacken.

Mich erinnert diese Situation an ein Bild von Loriot:

Bis auf die Regierung haben eigentlich alle schon den Mantel an, halten auch Ihnen, Herr Weil und Herr Althusmann, die Mäntel bereit. Sie aber verharren am Kabinettstisch und antworten:

„Vielen Dank. Aber wir wollen hier eigentlich nur sitzen.“

Meine Damen und Herren!

DAS kann doch nicht unser Maßstab sein: Niedersachsen braucht keine Landesregierung, die mit scheinbar ruhiger Hand, weitgehend konfliktfrei, aber ohne großen Ehrgeiz und Strategie die Stühle am Kabinettstisch wärmt.

Verlassen Sie endlich die Komfortzone! Wir helfen Ihnen gern in den Mantel!

Vielen Dank.

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