Änderungsantrag (SPD/GRÜNE): Leitlinien und Rahmenbedingungen für die Tourismuspolitik in Niedersachsen festlegen – Infrastruktur ausbauen, Subventionen transparent machen, Verantwortlichkeiten benenn

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

  1. Tourismuspolitik in Niedersachsen konsequent weiterentwickeln - Infrastruktur ausbauen, Subventionen transparent machen, Verantwortlichkeiten benennen
    .Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/2279
  2. Tourismuspolitik in Niedersachsen – Reiseland Niedersachsen mit dem notwendigen Handwerkszeug für eine erfolgreiche Zukunft rüsten
    b.Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP – Drs. 16/3041

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Drs. 16/3272

Der Landtag wolle den Antrag in folgender Fassung beschließen:

Entschließung

Leitlinien und Rahmenbedingungen für die Tourismuspolitik in Niedersachsen festlegen – Infrastruktur ausbauen, Subventionen transparent machen, Verantwortlichkeiten benennen

Der Landtag stellt fest:

Der Tourismus ist in Niedersachsen mit 15 Mrd. Euro Bruttoumsatz und 340.000 Arbeitsplätzen ein wichtiger Wirtschaftszweig, der durch die Zunahme des Deutschlandtourismus in der jüngsten Wirtschafts- und Finanzkrise noch weiter an Bedeutung zugenommen hat. Er war kaum vom Beschäftigungsrückgang betroffen, die Gästezahlen sind stabil geblieben und bei den Umsätzen mussten bedeutend geringere Einbrüche hingenommen werden als in anderen Branchen. Damit stellt sich der Tourismussektor als ein stabilisierendes Element für die niedersachsächsische Wirtschaft insgesamt dar.

Außer den direkt im Tourismus Beschäftigten profitieren auch viele kleine und mittelständische Unternehmen im Einzelhandel, Handwerk und im Baugewerbe bis hin zu Dienstleistern im Gesundheitswesen, der Werbewirtschaft oder IT-Unternehmen.

Diese positive Situation der Tourismuswirtschaft beschränkt sich allerdings nicht auf Niedersachsen allein, sondern auch auf konkurrierende touristische Destinationen in Deutschland, in der EU und im übrigen Ausland. Vor diesem Hintergrund sind besondere politische Initiativen erforderlich, um die erreichten Erfolge für Niedersachsen dauerhaft zu halten, mit einer Qualitätsoffensive abzusichern und umweltverträglich weiterzuentwickeln.

Die Tourismuslandschaft Niedersachsen ist mit strukturellen Problemen konfrontiert. Diese gründen zunächst darauf, dass der Tourismus ein Politikfeld ist, das von der Landesregierung selbst als Querschnittsressort aus zahlreichen anderen Politikfeldern behandelt wird. Es gibt keine Bündelung der politischen Aktivitäten an einer Stelle. So ist z. B. ein ganzheitliches Investitionskonzept der Landesregierung in dem Bereich Tourismus nicht erkennbar. Eine Überprüfbarkeit sowie Evaluation von Konzeptpapieren und dazugehörigen Investitionen werden drastisch erschwert. Dies gilt auch für die sogenannten Masterpläne der vier Regionen Harz, Weserbergland, Lüneburger Heide und Nordsee, deren zweckmäßige und in tourismuspolitischer Absicht zielführende Umsetzung fraglich ist. Dies zeigen aktuelle Untersuchungen.

Die Tourismusmarketing Niedersachsen GmbH (TMN) ist alleinverantwortlich für die touristische Vermarktung Niedersachsens. Mit sehr viel Anstrengungen versucht Sie das zu erreichen, was das Land bisher nicht zu leisten vermochte: Eine strukturelle Zusammenführung aller Akteure der Tourismuswirtschaft unter dem Dach eines ganzheitlichen Marketingkonzeptes. Trotz der hervorragenden und unermüdlichen Arbeit der TMN konnte dieses Ziel bisher noch nicht erreicht werden. Das hierbei bestehende und ungelöste Problem ist die Vielzahl an Akteuren mit vielschichtigen und teils widerstrebenden Interessen.

Zudem ist die durch das Land gewährte Finanzausstattung der TMN nicht ausreichend. Die Hoffnung der Landesregierung auf eine überwiegend privat getragene Finanzierung der TMN blieb bisher deutlich hinter den anfangs genannten Erwartungen zurück. Die aufklaffende finanzielle Lücke muss langfristig durch den Landeshaushalt ausgeglichen werden.

Bisher hat die Landesregierung nicht hinreichend versucht, die Zersplitterung von Tourismusverbänden in regionaler und funktionaler Hinsicht zu beenden und sie dazu zu bewegen, in regionale Zusammenschlüsse einzutreten. Die Möglichkeit der Finanzierung von touristischen Projekten aus EU-Fördermitteln ist nicht zuletzt deshalb nur unzureichend genutzt worden.

Die Kleinteiligkeit der Tourismus-Verbände und ein fehlendes zentrales Investitionskonzept mit klaren Förderkriterien führen gemeinsam mit dem Rückzug des Landes aus seiner Finanzverantwortlichkeit zu einer intransparenten und wenig effektiven Tourismusförderung in Niedersachsen.

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, die niedersächsische Tourismuswirtschaft durch folgende Maßnahmen zu stärken und dazu für die Tourismuswirtschaft für die nächsten Jahre berechenbare Rahmenbedingungen zu schaffen und die Leitlinien der Tourismuspolitik erfolgsorientiert weiter zu entwickeln und festzuschreiben.

Der Landtag fordert die Landesregierung daher auf:

  1. Ziele der Tourismuspolitik in Niedersachsen als Leitlinien festzulegen. Dazu gehören insbesondere:
    1. Die Qualität der bestehenden touristischen Angebote muss erhöht und einer sich stetig verändernden Nachfrage angepasst werden.

    2. Touristische Strukturen müssen auf Seiten der Anbieterstrukturen und der Angebotsstrukturen landesweit vernetzt und ausgebaut werden.

    3. In der Konkurrenz zu anderen touristischen Zielen müssen die unverwechselbaren Profile niedersächsischer Urlaubsziele deutlich erkennbar werden. Dabei müssen der Schutz der Natur und der nachhaltige Umgang mit unseren Lebensgrundlagen ein herausragendes Merkmal sein.

    4. Raumnutzungskonflikte zwischen Tourismus, anderen Raumansprüchen und dem Naturschutz müssen gelöst werden und müssen mit den Schutzzwecken und – Zielen des Naturschutzes vereinbar sein.

    5. Die überregionale Ausrichtung und Bewerbung der Angebote muss weiter verbessert werden.

  2. Verlässliche Rahmenbedingungen für eine naturverträgliche touristische Entwicklung in Niedersachsen zu schaffen. Dazu gehören insbesondere:
  • Zu 1. Konzentration vorhandener EU-Mittel auf die Qualitätsverbesserung in der Tourismuswirtschaft mit effizientem Erfolgscontrolling
  1. Die Förderpolitik des Landes bei Zuschüssen zu Investitionen muss darauf ausgerichtet werden, die Qualität der touristischen Angebote deutlich anzuheben. Nicht der Neubau von Hotelanlagen, sondern die Sanierung und Modernisierung vorhandener Beherbergungsbetriebe – auch der unteren Kategorien – sollen gefördert werden. Dazu ist die Grenze der Mindestinvestitionssumme, ab der eine Förderung möglich ist, deutlich abzusenken. (Beispiel Schl.-Hol. = 300.000 €)
  2. Entsprechend der wachsenden Bedeutung des Tourismussegmentes für die Niedersächsische Wirtschaft müssen die Wirtschaftsfördertöpfe in der aktuellen Förderperiode verstärkt in die Tourismuswirtschaft insbesondere in energetische Modernisierungsprojekte fließen und über die vorhandenen Förderangebote ausgegeben werden. Zur Qualitätssicherung ist ein Controllingsystem auf Grundlage messbarer Ziele zur Erfolgsbewertung der geförderten Projekte zu etablieren. Ein wichtiges Qualitätsmerkmal muss dabei die Umweltverträglichkeit von Angeboten, Netzen und anderen Infrastruktureinrichtungen sein.
  • Zu 2.Investitionen in touristische Infrastruktur und Netze müssen verstärkt werden und mit den Zielsetzungen der regionalen touristischen Masterpläne abgestimmt sein
  1. Erstellung eindeutiger Förderkriterien für touristische Projekte sowie eines verbindlichen finanziellen Förderungsschlüssels (u. a. im Rahmen der Einzelbetrieblichen Förderung), um Planungssicherheit für die Unternehmen zu gewährleisten; dabei ist jede Förderung unter dem Vorbehalt der Zustimmung der jeweils gesamten Tourismusregion und der Übereinstimmung mit den jeweiligen Masterplanzielen zu stellen;

  2. Erweiterung der Fördermaßnahmen des Landes für verstärkte interkommunale Zusammenarbeit von regionalen touristischen Verbänden, Dienstleistern und kulturellen Institutionen; Eine engere Zusammenarbeit von Sport-/Gesundheit- und Wellnesswirtschaft mit den Tourismusverbänden und -dienstleistern ist zu fördern;

  3. Die Angebote und Einrichtungen sind an eine veränderte Nachfrage anzupassen, die die demographische Entwicklung und die damit verbunden Bedürfnisse älterer Feriengäste müssen ebenso berücksichtigt werden, wie Angebote für Familien und spezielle Zielgruppen. Steigende Mobilität, wachsendes Umweltbewusstsein, hohe Markttransparenz und permanent wachsende Reiseerfahrungen der Gäste erfordern flexible, multioptionale Angebote.
  4. Dafür müssen die strukturellen Voraussetzungen im Land verbessert werden. Deshalb ist die Aufstockung der Investitionen für die Verkehrsinfrastruktur nötig, vor allem in das Radwegenetz, den öffentlichen Personennahverkehr sowie in die Schiffbarkeit der Fährwege.
    Noch immer ist z.B. das Angebot von touristischen Radwegenetzen nicht ausreichend verknüpft, die Vernetzung zu einem europäischen Radwegenetz steckt noch in den Anfängen. Das bereits vor Jahren über die Fraktionsgrenzen im Landtag hinweg geforderte landesweite Reitwegenetz ist immer noch nicht eingerichtet. Auch der Bereich von Qualitätswanderwegen wird in Niedersachsen immer noch vernachlässigt.

  5. Der Kultur- und Städtetourismus sowie der Gesundheitstourismus sind weiter auszubauen. Die Zahlen der Städte- und Kulturtouristen wachsen zwar, aber es ist nicht erkennbar, dass über den bundesweiten Trend zu mehr Kurz- und Städtereisen hinaus ein Zuwachs stattgefunden hat, der auf spezielle Angebote in Niedersachsen zurückzuführen ist. Die Bewahrung des kulturellen Erbes ist eine wichtige Säule dieses Segmentes, deshalb muss die Denkmalpflege in Niedersachsen inhaltlich und personell gestärkt und Etatkürzungen zurückgenommen werden.
  6. Die Erfahrung zeigt bei allen UNESCO-Welterbestätten, dass nach der Aufnahme in die Liste die Besucher/Touristenzahlen deutlich steigen. Deshalb muss die Landesregierung zusammen mit den Nachbarstaaten Dänemark und den Niederlanden und den anderen Anrainerländern für das Wattenmeer bzw. mit den Nachbarländern für den Harz mit dem Welterbe Rammelsberg und Oberharzer Wasserregal grenzübergreifende Tourismuskonzepte im Einklang mit den Naturschutzzielen erarbeiten und vorlegen. Nur so kann der Naturraum langfristig geschützt und als Grundlage des Tourismus erhalten werden.
  7. Einbringung einer Bundesratsinitiative zur Aufnahme der in der Tourismuswirtschaft beschäftigten Hotel- und Gaststättenmitarbeiter in das Arbeitnehmerentsendegesetz, sowie Umsetzung des aktuellen und noch offenen Antrages der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und des Arbeitgeberverband Dehoga, der dem Wirtschaftsministerium vorliegt. NGG und Dehoga fordern darin, die Entgeltstufen 1 und 2 in Niedersachsen für allgemeinverbindlich zu erklären, um einen freien Fall der Löhne zu stoppen und um Wettbewerbsverzerrungen in der Branche entgegen zu wirken.

  8. Neuverhandlung der Sommerferienzeitregelung in der Kulturministerkonferenz mit dem Ziel, einer Entzerrung der Sommerferientermine der Länder Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, unter Berücksichtigung der schulischen Bedürfnisse.

  9. Die rechtlichen Grundlagen zur statistischen Erfassung des niedersächsischen Beherbergungswesens sind zu überarbeiten. Da bekannt ist, dass die amtliche Beherbergungsstatistik einer deutlichen zeitlichen Verzerrung unterliegt und somit die statistische Erhebung nicht die realen Entwicklungen im Beherbergungswesen erfasst, müssen Betriebe ab neun Betten einer Registrationspflicht beim Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen (LSKN) unterworfen werden. In Zusammenarbeit mit der LSKN muss ein Konzept erarbeitet werden, wie auch Beherbergungsstätten mit weniger als neun Betten statistisch erfasst werden können, ohne diese mit einem hohen bürokratischen Aufwand zu belasten.

  •  Zu 3.Organisationsreform voranbringen; Anreizsystem für Qualitätssteigerung ausweiten
  1. Erstellung eines tourismuspolitischen Gesamtkonzeptes, das die regionalen Masterpläne weiter stärkt und weitere potenzielle Regionalprojekte angemessen berücksichtigt.

  2. Die Servicequalität im Tourismus muss weiter deutlich angehoben werden. Eine wichtige Voraussetzung für die weitere Qualitätssteigerung ist die Neuordnung und Reduzierung von Organisationseinheiten in der niedersächsischen Tourismuslandschaft. Die Regionszuschnitte müssen an den Erwartungen der Gäste ausgerichtet werden. Die Neuausrichtung der klassischen Heil- und Kurorte an Erfordernissen des Gesundheitstourismus ist zügig abzuschließen.
  3. Die Zertifizierung von Qualitätsbetrieben und andere geeignete Label, sowie der Ausbau von Angeboten zur InhaberInnen- und MitarbeiterInnenschulung und die Beratung von Betrieben müssen weiter ausgebaut werden.
  • Zu 4. Aktive Landesraumordnung und andere Instrumente des Interessensausgleichs verstärkt einsetzen
  1. Die Raumnutzungskonflikte werden gerade in Hinsicht auf die Beeinträchtigung der touristischen Infrastruktur erheblich zunehmen. Der Tourismusverband Niedersachsen (TVN) führt hier z.B. den Konflikt Tourismus – Bau von Kohlekraftwerken an der Küste an. Das ist aber nur ein Beispiel für Vorhaben, die den Tourismus beeinträchtigen können. Auch das anhaltende unkontrollierte Wachstum der industriellen Landwirtschaft und die damit verbundene Errichtung von Tiermastställen schränken die Tourismuswirtschaft weiter ein, bedrohen sogar Kurorte in ihrer Existenz. Dazu kommt, dass der erhebliche Ausbau der Stromnetze in Deutschland nach den Ergebnissen der für Ende des Jahres erwarteten Netzstudie II der Deutschen Energie Agentur (DENA) vor allem Niedersachsen betreffen wird. Die Ableitung von Offshore-Windstrom und die Durchleitung von Strom über transeuropäische Netze würde durch neue Kabeltrassen die Landschaft erheblich belasten. Neue Stromtrassen durch Niedersachsen sollen deshalb in der Regel als Erdkabel verlegt werden.
  2. Die Nordseeküstenregion wird derzeit zur Energiedrehscheibe für den Nordeuropäischen Raum ausgebaut. Dazu gehören, neben der Anlandung von Strom und dem damit verbundenen Ausbau der Stromnetze, auch die Verdopplung der Gasspeicherkapazitäten, sowie der Ausbau der entsprechenden Pipelinenetze und Anlagen zum Löschen von Flüssiggas längs der Küste. Die am Standort Etzel beabsichtigte Aussolung von bis zu 234 Salzkavernen zur weltweit größten Kavernenspeicheranlage ist weder für die sichere Versorgung Deutschlands mit Energie notwendig, noch mit den Zielen des Tourismus und des Naturschutzes vereinbar.
  3. Zur Verbesserung der ressortübergreifenden Organisation und zur Koordination der Arbeit ist eine Clearingstelle für Tourismus unter der Leitung des Wirtschaftsministeriums unter Beteiligung auch der Naturschutzverbände einzurichten. Benennung eines hauptamtlichen Beauftragten der Landesregierung für Tourismuspolitik,

  4. Zusammenfassung aller Haushaltsstellen, die den Bereich "Tourismus" betreffen, in einem Kapitel des Einzelplanes 08 Wirtschaft, in dem auch die entsprechenden Einnahmen aus Förderprogrammen der EU, des Bundes und des Landes etatisiert werden;

  5. Auch finanzschwache Kommunen müssen in die Lage versetzt werden, die freiwillige Leistung der Tourismusförderung dauerhaft finanzieren zu können.

  • Zu 5. TMN aufwerten und finanziell stärken
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