Änderungsantrag: Konsequenzen aus dem Klimagipfel in Kopenhagen ziehen: Niedersachsen muss endlich eigene Klimaziele festlegen und handeln!

 

Änderungsantrag
(zu Drs. 16/2076 und Drs. 16/    )

Hannover, den 27.11.2012

 

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/2076

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt und Klimaschutz - Drs. 16/     

Der Landtag wolle den Antrag in folgender Fassung beschließen:

 

Entschließung

 

Klimaschutz in Niedersachsen zwischen Berlin, Brüssel und Doha

Der Niedersächsische Landtag stellt fest:

 

Seit dem Scheitern des Klimagipfels in Kopenhagen kommen die internationalen Klimaverhandlungen nur langsam voran. Im letzten Jahr in Durban wurde der neue Zeitplan für ein verbindliches internationales Abkommen festgelegt, das bis 2015 verabschiedet werden soll. Zwischen den Klimazielen, die die Länder bislang für 2020 anstreben und den Reduktionen, die notwendig wären, um das Ziel zu erreichen, den Klimaschutz auf 2 Grad zu begrenzen, besteht eine große Lücke. Aktuell steuern wir auf mindestens 3,5 Grad Erderwärmung zu.

 

Jenseits globaler Klimaverhandlungen muss das Land Niedersachsen eine Vorreiterrolle übernehmen und wo möglich auch Technologieführerschaft bei Effizienztechnologien, erneuerbaren Energien und Suffizienzkonzepten anstreben. Perspektiven für die Sicherung vorhandener und die Schaffung neuer Arbeitsplätze müssen offensiv genutzt werden. Haushalte, Handwerk, Industrie und Gewerbe sollen in die Lage versetzt werden, stetig steigenden Preisen für fossile Brennstoffe durch effiziente Verbrauchsminderung bzw. durch Nutzung regenerativer Quellen begegnen zu können.

 

Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

 

Bei der Bundesregierung dafür einzutreten, dass das EU-weite Klimaziel auf mindestens 30% im Jahr 2020 (Vergleichsjahr 1990) erhöht wird. Das 20%-Ziel ist fast erreicht und die Europäische Gemeinschaft muss auch im Interesse der Innovationsförderung und der Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze das Klimaziel erhöhen.

Bei der Bundesregierung dafür einzutreten, dass das Kyoto-Protokoll nicht Ende dieses Jahres ausläuft und eine Übertragung von bisher nicht genutzten Emissionsrechten (sogenannte „hot air“) in die zweiten Verpflichtungsperiode vermieden wird.

 Der Landtag wolle beschließen:

 Unabhängig von den möglichen Beschlüssen der Klimakonferenz in Doha, auf der europäischen und bundespolitischen Ebene soll das Land Niedersachsen in eigener Verantwortung die Energie- und Klimaschutzpolitik als Schwerpunkt voranbringen. Um die Klimaziele in Niedersachsen zu erreichen sind vorrangig folgende Maßnahmen und Programme umzusetzen:

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  1. Gründung einer Effizienz- und Klimaschutzagentur und nachhaltige Neuausrichtung der Fördergelder für Niedersachsens Wirtschaft und Kommunen. Vorrang sollen dabei die zukunftsträchtigen Energie-, Umwelt- und Effizienztechniken bei Forschung, Entwicklung und Markteinführung haben. Dafür sollen die klassische Wirtschaftsförderung, aber auch große Teile der EU-Förderung soweit möglich auf revolvierende Konzepte wie Förderkredite und Beteiligungskapital umgestellt werden.
  2. Verabschiedung eines Niedersächsischen Klimaschutz- und Energie-Einspargesetzes. Darin soll bis zum Jahr 2020 eine Senkung der Treibhausgas-Emissionen von 40% gegenüber 1990 formuliert werden. Das Gesetz soll ein Hebel der Landespolitik für die Festlegung von Zielen und Maßnahmen sein. Auch die landeseigenen Liegenschaften und Gebäude sind systematisch energetisch zu überprüfen und zu sanieren. Die energetische Sanierung von Altbauten soll beschleunigt und der Anteil von Neubauten im Passivhausstandard soll erhöht werden.
  3. Ausbau der Windenergie. Windenergie wird in der postfossilen Energieversorgung in Niedersachsen den größten Beitrag liefern. Der Anteil der Windenergie an der Energieproduktion wird zukünftig bei gut vierzig Prozent liegen – davon wiederum stammen etwa drei Viertel aus Onshore-Anlagen. Über die Raumordnung und eine Windpotentialanalyse sollen ausreichend Gebiete als windenergiegeeignete Flächen identifiziert werden. Dabei sollen insbesondere Bürger-Windparks mit hoher Akzeptanz gefördert werden. Bei neuen Onshore-Standorten sind Naturschutz- und Vogelschutzgebiete, die von der Windenergie beeinträchtigt werden können, von den Vorranggebieten auszunehmen. Der Ausbau der Offshore-Windenergie vor den niedersächsischen Küsten ist mit verlässlichen Rahmenbedingungen zu unterstützen.
  4. Anschub für mehr Solarenergie. Für Niedersachsen ist mit einem Anteil von gut vierzig Prozent der Energieproduktion aus Solarthermie und Photovoltaik zu rechnen. Diese sollen überwiegend auf den vielen sonnengeeigneten Dachflächen, auf Industriebrachen, überdachten Parkplätzen und anderweitig kaum nutzbaren Flächen installiert werden. Ein Solarflächenkataster soll die Identifikation geeigneter Flächen erleichtern.
  5. Weiterentwicklung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG). Niedersachsen muss den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien vorantreiben und sich für eine faire Verteilung der Kosten einsetzen. Damit können Belastungen von drei Milliarden Euro für Privathaushalte und Mittelstand vermieden werden. Dabei sind:
    • Ausnahmeregelungen zu überarbeiten. Die Anforderung an die besondere Ausgleichsregelung im EEG muss wieder auf den Stand von 2008 zurückgeführt werden. Ausnahmeregelungen sind demnach nur zulässig, wenn der Stromanteil eines Unternehmens mindestens 20 Prozent an den Gesamtproduktionskosten beträgt und es einen Jahresstromverbrauch von mindestens zehn Gigawattstunden aufweist. Zudem muss die Außenhandelsintensität des Unternehmens berücksichtigt werden, also die Frage, inwieweit es im direkten, globalen Wettbewerb steht.
    • Unternehmen, die von den Strompreissenkungen durch Erneuerbare Energien profitieren, müssen sich auch an deren Kosten beteiligen. Unternehmen, die durch Ausgleichsregelung und Eigenstromregelung begünstigt werden, sollen deshalb eine EEG-Umlage in Höhe von 0,5 Cent pro Kilowattstunde zahlen.
    • Das Marktprämienmodell sowie die damit verbundene Zahlung einer Managementprämie ist abzuschaffen, die Liquiditätsreserve darf nicht erhöht werden.
    • Die von Schwarz-Gelb neu eingeführte Begünstigung bei den Stromnetzentgelten muss rückgängig gemacht werden.
  6. Energetischer Umbau und sozialer Ausgleich. Um auch Geringverdienern und denjenigen, die auf die Grundsicherung angewiesen sind, den Zugang zu Energie zu gewährleisten, müssen ökologischer Umbau und sozialer Ausgleich Hand in Hand gehen. Folgende Maßnahmen sind dafür notwendig:
    • Alle Stromversorger müssen ihren Kunden mindestens einen "Stromspar-Tarif" anbieten, bei dem die Grundgebühr entfällt, womit sich Energiesparmassnahmen schneller rechnen.
    • Als Soforthilfe für Haushalte in Not muss das Sperren der Strom- und Gasversorgung von Privathaushalten gesetzlich eingeschränkt werden.
    • Einkommensschwache Haushalte sollen dauerhaft entlastet werden, indem Bezieherinnen und Bezieher von Wohngeld einen Klimazuschuss erhalten, wenn die Wohnung energetisch saniert ist.
    • Über einen mit drei Milliarden Euro ausgestatteten Energiesparfonds des Bundes muss zukünftig nicht nur Energieberatung gefördert werden, sondern auch der Kauf von sparsamen Geräten, der Heizungsaustausch und die energetische Wohnungssanierung.
    • Für Mieterinnen und Mieter muss das Mietminderungsrecht ausgeweitet werden, wenn der energetische Zustand der Wohnung nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht und dadurch immer höhere Heizkosten entstehen.
  7. Ausgleich der Schwankungen bei der Wind- und Solarenergie. Dafür braucht das Land neue, überregionale und dezentrale Netze und Speicher. Für Techniken, die Lastschwankungen ausgleichen, müssen Kapazitätsmärkte verlässliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen schaffen. Zur Nutzung von skandinavischen Pumpspeicherwerken muss das sogenannte NORGER-Seekabelprojekt vorangetrieben werden. Zusätzliche dezentrale Speichermöglichkeiten in Niedersachsen, wie etwa die Nutzung alter Bergwerksinfrastruktur im Harz sind zu unterstützen. Die Energiespeicherung ist von großer Bedeutung. Das Land muss sich daher für intensive Forschung auf diesem Gebiet einsetzen. Das Ziel ist es, innerhalb der kommenden Legislaturperiode zu einer langfristig tragfähigen Entscheidung für ein Energiespeichersystem zu kommen. Außerdem muss der überregionale und lokale Netzausbau beschleunigt werden, soweit er für den Ausbau der Erneuerbaren Energien notwendig ist. Bürgerfreundliche Vorgaben für die Erdverkabelung beschleunigen den Netzausbau.
  8. Kontrolle des Strommarktes. Der Strommarkt erfordert wegen seiner besonderen Bedeutung der Stromversorgung als Teil der Daseinsvorsorge eine effiziente Überwachung. Die missbräuchliche Bewirtschaftung der Netze muss beendet werden. Bislang wird einerseits der Netzausbau für Erneuerbare verschleppt, um das Erzeugungsmonopol der großen Verbundunternehmen zu sichern, andererseits werden Informationen aus dem Netzbetrieb als Geschäftsgeheimnisse gehütet. Diese Daten müssen allen Interessenten im Markt – auch regional - diskriminierungsfrei zur Verfügung stehen. Die eigentumsrechtliche Entflechtung der großen Stromversorger muss weiter vorangetrieben werden. Die Stromnetze sind eine notwendige Infrastruktur der Daseinsvorsorge; deshalb soll in Zukunft eine eigentumsrechtlich gesicherte bestimmende Gestaltungsmöglichkeit der öffentlichen Hand garantiert sein. Bei lokalen Stromnetzen ist das bereits weitgehend Praxis, nämlich überall dort, wo die Netze sich über ihre Stadt- und Gemeindewerke im Eigentum der Kommunen befinden. Das Auslaufen von Konzessionsverträgen kann genutzt werden, um die Kommunalisierung der lokalen Netze voranzubringen. Es muss zur Gründung einer Bundesnetzgesellschaft kommen, von der aus die Spannungsebene der Höchstspannungs- und Übertragungsnetze gesteuert und bewirtschaftet wird. Die vier Regelzonen in Deutschland sollen in einer zusammengefasst werden.

 

Stefan Wenzel

Fraktionsvorsitzender

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