Rede Maaret Westphely: Regierungserklärung zur Beschäftigung auf Rekordniveau

- Es gilt das gesprochene Wort -

Tatsache ist: Die sozialversicherungspflichtige Vollbeschäftigung steigt seit Jahren und befindet sich mittlerweile auf Rekordhöhe. Die Prognosen für das laufende Jahr übertreffen diese sogar. Während unter 10 Jahren schwarz-gelb 30.000 Vollzeitstellen verloren gingen, wurden seit Rot-Grün 93.000 neue Vollzeitstellen geschaffen.  Gut ist: Die Menschen sind auch besser ausgebildet und qualifiziert! Das ist wichtig für den Standort Niedersachsen. Denn für die immer komplexer werdende Arbeits- und Wirtschaftswelt brauchen wir hoch qualifizierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

Aber es ist auch Wasser im Wein: Der Anteil der atypischen Beschäftigung – also Teilzeit, Leiharbeit und geringfügiger Beschäftigung - steigt und liegt mittlerweile bei rund 40 Prozent. Das entspricht in etwa dem Bundestrend. Auch wenn Rot-Grün das Tempo aus der rasanten Zunahme bei der Geringfügigen Beschäftigung nehmen konnte, gehen immer noch viel zu viele Menschen einer Arbeit nach, deren Lohn nicht zum Leben reicht. Es gibt viele Menschen, die mehr arbeiten wollen, denen der Arbeitgeber aber nicht mehr Stunden geben will. Immer mehr Langzeitarbeitslose finden zwar wieder eine Arbeit. Gleichzeitig stagniert die Langzeitarbeitslosigkeit weiter auf hohem Niveau.

Diese Probleme treffen vor allem Frauen: In NDS sind 2016 mehr als eine Millionen Frauen atypisch beschäftigt gewesen – das sind über 70%! Dabei sind es die Frauen, denen Experten und Studien zutrauen, dass gerade sie dazu beitragen könnten, den Fachkräftebedarf in den kommenden Jahren zu decken. Mehr und bessere Kinderbetreuung, flexible Arbeitsplatz- und Arbeitszeitmodelle und eine Kultur, in der Frauen wie Männern Gleiches abverlangt und zugetraut sind die Voraussetzungen dafür.

Wichtig ist, dass wir deswegen mit dem Doppelhaushalt in die aktive Arbeitsmarktpolitik auch für Langzeitarbeitslose eingestiegen sind. Unser Programm gegen Langzeitarbeitslosigkeit startet in zwei Wochen und wird 1.000 Menschen wieder in Arbeit bringen, denn Arbeit ist Teilhabe an Gesellschaft. Mit dieser Initiative wollen wir den Druck auf Berlin erhöhen, endlich in Arbeit und nicht in Arbeitslosigkeit zu investieren. Angesichts des Fachkräftemangels können und wollen wir uns den Luxus, auf all diese Menschen und ihr Potenzial zu verzichten, nicht länger leisten.

Die wohl größte Herausforderung für die Arbeit der Zukunft in allen Branchen – Industrie, Handwerk, Dienstleistung, Handel – ist die zunehmende Digitalisierung.

Auf der einen Seite sind die Chancen großartig: intelligente „Werkzeuge“ im weitesten Sinne können persönliche Hindernisse kompensieren und eröffnen damit für den Einzelnen ganz neue Entwicklungschancen. Auf der anderen Seite – und das ist gut – wird Erfahrung und handwerkliches Können dadurch nicht ersetzt werden können. Das alles aber zusammenzubringen, erfordert Zeit. Wer nicht auf der Strecke bleiben will, muss sich ununterbrochen neues und komplexes Wissen aneignen. Das kann auch ziemlich anstrengend sein.

Das wohl größte Problem ist, dass durch die Digitalisierung die Grenzen zwischen Arbeits- und Freier Zeit verschwimmen. Für das psychische Wohlbefinden ist Einfluss und Mitsprache bei der Frage wann, wo und wie gearbeitet werden soll entscheidend. Bisher haben vor allem Arbeitgeber Ansprüche an die Flexibilität ihrer Beschäftigten gestellt. Insofern wundert es nicht, dass besonders häufig Menschen unter psychischen Belastungen leiden, die hochgradig digital arbeiten, so eine Sonderauswertung zum DGB-Index „Gute Arbeit 2016“.

Im Gegenzug müssen auch die MitarbeiterInnen mehr Mitsprache darüber bekommen, wie viel, wo und wann sie arbeiten. Das Modell einer flexiblen Vollzeit mit einem Arbeitszeitkorridor zwischen 30 und 40 Stunden würde modernen Lebensentwürfen entgegen kommen, sorgt für mehr Geschlechtergerechtigkeit und hilft auch gleichzeitig gegen den Fachkräftemangel.

Entscheidend aber ist, dass Erneuerung und Digitalisierung genutzt wird, um unseren ökologischen Fußabdruck zu verkleinern und auch zukünftigen Generationen einen Planeten auf dem man leben kann zu hinterlassen: Durch 3-D-Druck können Baupläne über das Netz statt Bauteile in Containern über das Meer verschickt werden. Videokonferenzen ersetzen Geschäftsreisen, Arbeit im Home-Office reduziert Pendlerströme. Nie zuvor war es so einfach, Dinge und Erfahrungen über Sharing-Plattformen zu teilen. Das reduziert materiellen Konsum. Doch hierfür bedarf es höchster Datensicherheits- und Verbraucherschutzstandards. So schaffen wir zukunftssichere Arbeitsplätze, sowie neue Geschäftsmodelle und schützen unsere Lebensgrundlagen. In Niedersachsen beraten und unterstützen die Unternehmen mit dem Kompetenzzentrum Mittelstand 4.0.

Das führt mich zu einem weiteren Feld: Neue Arbeitsplätze in neuen Unternehmen.

In Niedersachsen haben wir einige international aufgestellte Konzerne, die Zugpferde für ihre jeweilige Branche sind. Und trotzdem ist es nicht gut, wenn das Wohl und Wehe eines Landes zu stark von diesen großen Playern abhängt. Ein Schlüssel für die Zukunftsperspektiven und die Krisenfestigkeit in Niedersachen liegt deshalb in der Diversifizierung von Branchen und der Unternehmen selbst. Und ein Schlüssel, um das zu gewährleisten ist die Förderung von Gründungen und Start-ups – sei es, mit dem Ziel ein selbstständiges Unternehmen zu werden, oder als Kooperationspartner einem „alten“ Unternehmen mit neue Produktideen oder Verfahrensweisen neue Innovationskraft zu verleihen.

Parallel zu unserer Plenarbefassung mit diesem Thema hat der Wirtschaftsminister wichtige Impulse für die Zukunft gesetzt: Mit „NSeed" stehen zusätzlich vier Millionen Euro Beteiligungskapital für Start-ups zur Verfügung, außerdem sollen bis zu vier neue Start-up-Zentren im Land entstehen, die das Ministerium mit 600.000 Euro Anschubfinanzierung ausstatten wird. In Matching-Veranstaltungen zwischen Start-ups und etablierten Unternehmen geht es nicht nur um das Kennenlernen und Ausloten von Kooperationsmöglichkeiten, sondern um den Dialog, wie wir uns in Niedersachsen strategisch so aufstellen können, dass die starke Start-up-Szene in Niedersachsen überregional sichtbar wird, sich regional und überregional vernetzen und weiter entwickeln kann.

Konsens beim ersten Treffen war, dass die Voraussetzungen in Niedersachsen mit einem starken Mittelstand und attraktiver Lebensqualität für junge Leute mit Familie nicht zu verachten sind. Überhaupt, diese Initiative verbreitet eine ansteckende Aufbruchsstimmung, großer Zuspruch bei den Unternehmen, leider war niemand von der FDP dabei.

Die für Niedersachsen wichtigste Brache zum Schluss: Mobilität und Logistik.

Wenn wir es ernst meinen und wollen, dass der Verkehrssektor seinen Beitrag zur Erreichung der Klima- und Gesundheitsziele leistet – und das tun wir ausdrücklich, dann bedeutet das auch für die Mobilitätswirtschaft in Niedersachsen einen tiefgreifenden Strukturwandel.

Niedersachsen ist nicht nur ein starker Mobilitäts-, sondern auch ein starker Logistikstandort. Zukunftsfähig und im Einklang mit den Pariser Klimazielen kann es in dieser Branche nur weiter gehen, wenn der gesetzliche Rahmen die Nachteile der Schiene gegenüber dem LKW ausgleicht. Jetzt ist es so, dass jeder Zug auf jedem Kilometer Trassengebühren bezahlen muss, während ein LKW nur auf knapp ein Prozent des Straßennetzes mautpflichtig ist. Kein Wunder, dass bei diesem wirtschaftlichen Nachteil die Straßen verstopfen. Eine nachhaltige Antwort sind nicht neue Autobahnen, sondern ein gesetzlicher Rahmen, der tatsächlich umsteuert.

Die Mobilität der Zukunft sowohl für den Güter- als auch den Personenverkehr ist digital und vernetzt. Abgesehen vom enormen Gewinn für die NutzerInnen, entstehen dadurch ganz neue Geschäftsmodelle und Arbeitsplätze. Wir müssen dafür sorgen, dass diese in Niedersachsen sind.

Und auch die Zukunft der Automobilindustrie verändert sich einschneidend. Auf dem weltgrößten Automarkt in China werden aktuell die Tore der Metropolen für den Verbrennungsmotor als Hauptverursacher der Luftverschmutzung geschlossen. Das wird nicht ohne Auswirkungen auf den weltgrößten Automobilkonzern bleiben.

Und alleine das zeigt: der fossile Verbrenner ist ein Auslaufmodell. Die Herausforderung für die Beschäftigung der Zukunft liegt darin, dass die Wertschöpfungskette beim elektrischen Fahrzeug ganz anders aussieht: es sind viel weniger Komponenten und der größte Baustein ist das Batteriesystem. Daraus erwachsen große Umstrukturierungen für Produkte und Beschäftigung in der Zulieferindustrie und darüber hinaus.

Aber das wichtigste ist: Wenn wir verhindern wollen, dass Wolfsburg das Detroit von morgen wird, und die Wertschöpfung eines verkauften Autos zukünftig auch bei uns und nicht ausschließlich in China und Japan stattfindet, dann muss es gelingen, die VW-Batteriefertigung in Niedersachsen aufzubauen. Denn das Herz des Autos und der Wertschöpfung der Zukunft ist die Batterie.

Gerade in Kombination mit der Nutzung erneuerbarer Energie ist das ein zukunftsweisend. In Niedersachsen ist die Energiewende zuhause, Niedersachsen hat die Technologieführerschaft und ist dabei sie weiter ausbauen zum Beispiel in den Bereichen Energiespeicher oder Wasserstofftechnik. Diese Potentiale wollen wir heben.

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