Rede Anja Piel: Aktuelle Stunde (GRÜNE) zu Fahrverboten in niedersächsischen Städten

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Damen und Herren,

so, nun haben wir den Salat.

Seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes von gestern wissen wir: Es wird Fahrverbote geben.

Ganz ehrlich: ich finde das richtig ärgerlich.

Ich finde es ärgerlich, weil es die Politik versäumt hat, zu handeln.

Die EU hat die Grenzwerte für die Belastung durch Stickoxide und Feinstaub in den Städten ja nicht zum Spaß festgelegt.

Es ist die verdammte Pflicht der Bundesregierung und der Landesregierungen, Maßnahmen zu entwickeln, um die Grenzwerte möglichst schnell einzuhalten.

Es geht um die Gesundheit der Menschen! Der Menschen, die wir hier im Parlament vertreten! Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht auf saubere Luft!

Anrede,

was wir aber in den letzten Jahren erleben durften, war die organisierte Verantwortungslosigkeit.

Organisierte Verantwortungslosigkeit in kleinen, geheimen Zirkeln bei den Konzernen.

Dass jetzt die die Last tragen sollen, die im guten Glauben an niedrige Abgaswerte die scheinbar sauberen Diesel der neuen Generation gekauft haben, ist eine Schande!

Verantwortungslosigkeit auch in der Politik!

Wir Grüne haben über Jahre Vorschläge gemacht, wie die Schadstoffbelastung reduziert werden kann.

Wir haben seit 2013 den ÖPNV massiv gestärkt und den Radverkehr endlich in dem Maße gefördert, wie es die heutige Realität auf den Straßen erfordert.

Aber sowie wir einen Vorschlag machen, der direkt bei den Abgasen ansetzt, ist das Geschrei groß:

Tempo 30 in Innenstädten: „Wirtschaftsfeindlich und unnötig!“

Die Blaue Plakette:

„Behindert die Mobilität der Bürger!“

Nachrüstungen an den Dieselfahrzeugen, finanziert durch die Konzerne:

„Technisch nicht machbar. Und selbst wenn doch: das kann man doch den Autobauern nicht antun!“

Windelweich werden die betrogenen Verbraucherinnen und Verbraucher von der Kanzlerin und Verkehrsminister Dobrindt mit „Software-Updates“ abgespeist. Da muss erst der ADAC vorlegen, dass Nachrüsten funktioniert und wirksam ist!

Anrede,

die Grokos in Land und Bund verweigern die Arbeit. Aber in einem sind sie alle groß: Darin, lautstark gegen Fahrverbote zu sein

Auch Sie haben das im Koalitionsvertrag festgehalten. Als hätten Sie irgendwas getan, Fahrverbote zu verhindern!

Wenn das Dach undicht ist, kann ich mich dran machen, es zu reparieren. Ich kann mich aber auch hinstellen, und fordern, dass es nicht reinregnet. Genau so agieren Sie!

Das ist völlig inkonsequent. Dagegen ist ein Christian Lindner mit seiner Forderung, die Grenzwerte aufzuweichen, ja geradezu ein Ausbund an Geradlinigkeit! Finden wir zwar auch falsch, ist aber ehrlicher als dieser Schlingerkurs.

Ich sage Ihnen was: Die Fahrverbote, die jetzt kommen werden, sind die Folge Ihrer Weigerung, Verantwortung anzunehmen!

Anrede,

ist es Ignoranz oder doch eher Unvermögen?

Man bekommt den Eindruck, wenn man den niedersächsischen „Experten“ im VW-Aufsichtsrat, Wirtschaftsminister Althusmann, hört.

Seine beglückende Einsicht zum Thema „streckenbezogene Verkehrsverbote“: (Ich zitiere)

„Wenn einzelne Strecken gesperrt werden, ist zu erwarten, dass sich der Verkehr lediglich auf parallele Strecken verlagert“.

Chapeau, Herr Althusmann.

Verlagerung wäre genau das Ziel einer solchen Maßnahme. Beim Diesel geht es ja nicht um CO2. Beim CO2 ist es egal, wo es in die Luft geblasen wird, das ist immer schädlich. Bei Stickoxiden und Feinstaub geht es doch genau darum, dass in einigen Städten oder Straßen so viel davon ist, dass es gesundheitsschädlich ist. Da ist eine „Verlagerung“ to-tal sinnvoll.

Anrede,

die FDP ist ja gestern voran geprescht. Der Vorschlag: Grüne Welle, flüssiger Verkehr, alles in Butter.

Nichts für ungut, aber daraus spricht vor allem das Interesse einer Autofahrerpartei.

Nichts gegen Grüne Wellen, aber wenn wir es wirklich so machen würden, dann hätten Fußgänger und Radfahrer nichts mehr zu lachen auf den Straßen. Aber vielleicht setzt die FDP ja zukünftig auf eine neue Mitfahrkultur, weil: Wenn alle im Auto unterwegs sind, kriegt auch keiner Husten.

Anrede,

wir fordern die Landesregierung auf, dieses Urteil zum Anlass zu nehmen, um endlich in die Verantwortung zu gehen! Es kann doch nicht sein, dass Kommunen und Gerichte jetzt lösen müssen, was Sie nicht hinbekommen.

Und, Herr Althusmann, Sie haben ja gestern gesagt, dass das Problem eigentlich schon fast erledigt sei.

Die vier Städte, die noch betroffen sind, sind zwar unter den größten Städten Niedersachsens. Aber was soll‘s.

Herr Althusmann, von selbst ändert sich nichts. Lassen Sie sich was einfallen. Sie sind der Minister.

Und Sie, Olaf Lies, sind es auch.

Schlagkraft entwickelt eine Landesregierung nur, wenn sie mit einer Stimme spricht. Ich weiß, das fällt Ihnen schwer.

Die Forderung nach der technischen Nachrüstung hat der Umweltminister bereits geliefert. Wenn jetzt noch Ministerpräsident und Stellvertreter sich entschließen könnten, und sich die Angelegenheit zur Chefsache beider Spitzen zu machen, dann freuen sich die Kommunen sicher über die gebündelte Hilfe aus Hannover.

Und wir versprechen Ihnen: Wenn Sie Vorschläge machen, lassen wir Sie damit nicht allein. Aber bitte: Kommen Sie in die Puschen.

Vielen Dank.

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