Christian Meyer: Rede zum Gesetzespaket zum Niedersächsischen Weg

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Bundesnaturschutzgesetz sowie weiterer Gesetze zum Naturschutzrecht (Gesetzentwurf Landesregierung)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede

Warum tun wir das alles? Die Hälfte von 11.000 Tier- und Pflanzenarten sind gefährdet. 62 Prozent aller Wildbienenarten sind vom Aussterben bedroht. 14 Millionen Vogelbrutpaare, insbesondere Wiesenvögel sind bundesweit verschwunden. Das Artensterben macht keine Pause. Auch nicht in Niedersachsen.

Umso wichtiger ist das heutige Gesetzespaket.

Heute ist ein großer Tag für den Natur- und Artenschutz in Niedersachsen. Ich danke den über 200 Verbänden und namentlich dem NABU und dem Berufsimkerbund, den Initator*innen Anne Kura, Hanso Janssen, Holger Buschmann, Nick Büscher und Klaus Ahrens für die Einleitung des Volksbegehrens und den 138.118 Niedersächs*innen, die es bislang unterzeichnet habe. Es ist das bislang erfolgreichste Volksbegehren in der Landesgeschichte. Und das in zweierlei Hinsicht. Nicht nur weil die Zahl von 25.000 Unterschriften trotz coronabedingter Sammeleinschränkungen um das Fünffache übertroffen wurde. Nein, auch weil es so schnell umgesetzt wurde, dass die neuen Gesetze bereits zum 1. Januar 2021 in Kraft treten werden. So schnell wäre es mit einem Volksentscheid nicht gegangen.

Ich danke daher auch der Landesregierung, das sie nicht wie Bayern-Söder abgewartet hat, sondern auf Druck des Volksbegehrens Umwelt- und Agrarverbände frühzeitig an einen Tisch geholt hat.

Und auch der Zeitplan wurde durch das Volksbegehren beschleunigt. Noch im Sommer teilte das Landvolk mit, das es dieses Jahr mit Gesetzen nichts mehr würde und auch das Umweltministerium hielt bis vor zwei Wochen den GBD im Glauben, es hätte noch Zeit mit der Gesetzesberatung.

Nur die klare Ansage der Initiatoren des Volksbegehrens, dass Absichtserklärungen nicht ausreichen, und dass wir in diesem November verbindliche Gesetze beschließen müssen, bewirken die heutige Verabschiedung nach zwei ausführlichen Anhörungen in den Ausschüssen.

 Liebe Zuhörer*innen im Livestream,

Machen Sie sich aber bitte nichts vor, dass CDU und SPD nun den Naturschutz entdeckt hätten.

Ohne das Volksbegehren wäre all das heute nicht passiert. Als wir 2017 hier im Landtag eine große Anfrage zum Insektensterben diskutierten, passierte nichts. Als wir 2018 hier im Landtag forderten das Bayrische Volksbegehren zu übernehmen, passierte nichts. Als Umweltverbände umfangreiche Forderungskataloge an die Landesregierung sandten, passierte nichts. Im Sommer 2018 erklärte die Agrarministerin das Bienensterben sogar per Pressemitteilung für beendet und hoffte, ich zitiere „dass der Kelch eines Volksbegehrens an ihr vorbei ginge“. Passiert ist nichts, im Gegenteil sorgte man bei den Agrarsubventionen für ein Weiter So und lehnte eine insektenfreundliche Weideprämie für Rinder und Schafe hier im Landtag mehrfach ab.

Als wir im Herbst 2019 alle Umweltverbände für die Ausarbeitung konkreter Gesetze für ein Volksbegehren an einen Tisch holte, die Überlegungen öffentlich machten und sich breite Zustimmung zeigte, erst da und nur deswegen reagierte panisch das Umwelt- und Agrarministerium.

Beim Haushalt erklärte Finanzminister Hilbers hier im Mai-Plenum es gäbe noch irgendwo im Haushalt 120 Millionen Euro zur „Verhinderung eines Volksbegehrens“. Umweltminister Lies bot den Umweltverbänden nach Meldungen der HAZ Geld für Förderungen an, wenn sie auf ein Volksbegehren und konkrete Gesetze verzichten. Bauern störten die Sammlungen und hier im Landtag droschen SPD und CDU auf uns Grüne ein, um ein Volksbegehren zu verhindern.  

Es sollte eine freiwillige Vereinbarung geben, aber keine Gesetze und kein Ordnungsrecht, erklärten unzählige Abgeordnete der CDU, wie Herr Dammann-Tamke wiederholt im Chor mit den Landwirtschaftsverbänden.

Doch wir bestanden auf konkrete Gesetze mit Ge- und Verboten und diese liegen heute sehr umfangreich vor. Und wenn die SPD ehrlich ist, weiß sie auch, dass sie diese Gesetze ohne den Druck des Volksbegehrens niemals gegen die CDU durchgesetzt hätte.

Beispiele:  Es wird endlich auch in Niedersachsen Gewässerrandstreifen geben. Noch in ihrem Koalitionsvertrag von SPD und CDU wollten sie maximal 1 Meter. Jetzt sind es an kleinen Gewässern das Dreifache, an größeren Gewässern das Fünffache und die Ausnahmen sind eng begrenzt. Und wenn dann muss der Gewässerrandstreifen auch aktiv begrünt werden und darf kein Acker mehr sein.

Zweitens gibt es endlich Verbote von Totalherbiziden wie Glyphosat in Naturschutzgebieten. Auch dies ein großer Erfolg des Volksbegehrens wenn man bedenkt wie große Teile der CDU dieses Ultragift immer noch verteidigen. Ich kann mich an Herrn Dammann-Tamkes Auftritt mit Jägermeister, Zigaretten und Unkraut-Ex hier im Plenum jedenfalls noch gut erinnern. Mich würde mal interessieren, was sie jetzt zur Einsicht gebracht hat?

Ich hoffe die SPD setzt sich auch im Bund bei der CDU durch und verbietet diese Gifte inder Natur. Aber auf Bundesebene gibt es ja leider keine Volksbegehren die Druck machen können.

Drittens wird das artenreiche Grünland, Alleen, Bäume, Streuobstwiesen und Hecken endlich über die Eingriffsregel unter Schutz gestellt. Die Straßenbaubehörden von Herrn Althusmann verstoßen dann gegen den Naturschutz, wenn sie ersatzlos Straßenbäume fällen.

Auch wurde eins zu eins aus dem Volksbegehren ein verbindlicher Biotopverbund, die Vernetzung von Lebensräumen, in das Gesetz übernommen.

Viertens wird der Ökolandbau verbindlich bis 2030 verdreifacht und fünftens der Flächenverbrauch erst auf 3 ha und dann auf Null reduziert. Der GBD wies in der Beratung daraufhin, dass dann keine neuen Autobahnen und Gewerbegebiete mehr gebaut werden können und der Städte- und Gemeindebund lehnte es ebenfalls ab. Doch wir beschließen gleich die schwarze Null beim Flächenverbrauch und werden Herrn Althusmann bei seinen Straßenbauplanungen immer wieder daran erinnern.

 Natürlich hätten wir Grüne uns an manchen Stellen mehr gewünscht. Breitere Gewässerrandstreifen, ein Komplettverbot auch von Insektiziden und noch besseren Schutz von Streuobstwiesen. Außerdem halten wir die 5 Millionen Euro jährlich im Kommunalen Finanzausgleich für die Umsetzung der ambitionierten Gesetze für zu wenig. Wir schließen uns der Forderung der Kommunalen Spitzenverbände nach 15 Millionen Euro für die neuen Aufgaben der Wasser-, Wald- und Naturschutzverwaltungen an.

Außerdem fehlt die Umsetzung der FFH-Richtlinie, der Wasserrahmenrichtlinie und der Nitratrichtlinie in ihren Plänen. Hier vernachlässigt Niedersachsen den Natur- und Gewässerschutz und riskiert hohe Strafzahlungen an die EU.

Das Artensterben wartet nicht. Wir müssen schnell handeln und daher sind die Beschlüsse in der EU zu den Agrarsubventionen so fatal für die Natur- und auch den Klimaschutz.

In den Ausschussberatungen konnten wir noch weitere Verbesserungen erzielen. So müssen Flächenbesitzer für die Ausnahmen Gewässer die weniger als 6 Monate Wasser führen in ein kommunales Kataster eintragen. In den Ausschussberatungen konnten wir noch weitere Verbesserungen erzielen. So müssen Flächenbesitzer die Bereiche bei Gewässern, die weniger als sechs Monate Wasser führen, in ein kommunales Kataster eintragen.

Das noch aus der Zeit von Hans-Heinrich Sander stammende Betretensgebot freier Fläche für Mitarbeiter*innen von Naturschutzverwaltungen entfällt ersatzlos. Die Genehmigungsfiktion bei der Grünlanderneuerung gibt es nur bei vollständigen Unterlagen und die Rechtslücken etwa bei den Ausnahmen zum Gewässerrandstreifen, wurden durch rechtssichere Formulierungen geschlossen. Danke auch an den GBD für die Vorschläge, nachdem das MU ursprünglich erst irgendwann nächstes Jahr zum Abschluss kommen wollte. Ähnlich wie beim Klimagesetz – vor anderthalb Jahren von den Regierungsfraktionen – damit es schneller geht – in den Landtag eingebracht und bis heute nicht verabschiedet. Ebenso das Wohnraumschutzgesetz für die Werksvertragsarbeiter*innen in Schlachthöfen. Überall wo es kein Volksbegehren gibt, spielt die CDU und die mit ihr verbundene Lobby auf Zeit. Von daher kann sich der Umweltminister bei der Terminsetzung des Volksbegehrens bedanken, das aus seinen vollmundigen Absichtserklärungen nicht wie bei anderen Themen keine Gesetze geworden sind.

Fazit: Wir Grüne können diesem umfangreichen Gesetzespaket heute zustimmen, da es deutliche Verbesserungen für den Natur- und Artenschutz enthält. Ich danke den Unterstützer*innen des Volksbegehrens, die sich trotz aller Anfeindungen dafür eingesetzt haben. Ohne sie, gäbe es diese neuen Gesetze nicht.

Ich danke der Landesregierung und den Regierungsfraktionen, dass sie zu diesem heutigen Beschluss bereit waren. Und ich danke den Landwirten und Umweltverbänden für diesen Kompromiss bei den Formulierungen. Das zeigt, dass die Verbände oft weiter sind als die Fraktionen der Groko.

Ich bitte um Zustimmung für einen besseren Schutz von Schmetterling, Kiebitz, Biene und Lurch.

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