Belit Onay: Rede zum neuen Polizeigesetz (Aktuelle Stunde GRÜNE)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Damen und Herren,

seit vergangenem Samstag weiß nun ganz Niedersachsen: die Lage ist ernst.

Wer wissen will, wie ernst, braucht sich nur anzuschauen, dass Fans von Hannover 96 und Eintracht Braunschweig auf derselben Demo friedlich zusammen demonstriert haben. Zusammen mit weiteren knapp 15.000 Menschen hatten sie eine klare Ansage in Richtung der GroKo:

Nein zu diesem neuen Polizeigesetz!

Auch der Innenminister muss den Ernst der Lage erkannt haben, sodass er noch am Vortag der Demo zu einem Pressegespräch eingeladen hat. Was mich besonders wundert, dass das Gespräch nicht wie üblich in den Räumen des Innenministeriums abgehalten wurde, sondern in einem Café in der hannoverschen Altstadt.

Vermutlich hatte der Minister die berechtigte Sorge, dass ihm Uwe Schünemann da wieder reinplatzt. Im Schutz der Altstadt vor dem Koalitionspartner, hat der Minister die Demo ausdrücklich begrüßt und angekündigt, an einigen kleinen Stellen nachbessern zu wollen.

Der Minister hat zudem Vertrauen in Justiz und Polizei gefordert. Dazu diese Klarstellung: Misstrauen ist hier nicht das Thema!

Vielleicht an dieser Stelle noch etwas anderes: Herr Polizeipräsident, es ist mir ein persönliches Anliegen, Ihnen, stellvertretend für alle Unterzeichnenden, dafür zu danken, dass Sie in einem Brief die unsäglichen Einlassungen des Bundesinnenministers Seehofer zurückgewiesen haben.

Einmal mehr hat sich die niedersächsische Polizei hier bundesweit sehr positiv hervorgetan. Darauf können wir als Parlament sehr stolz sein.

Aber zurück zum Gesetz: Das Problem ist weder die Justiz noch die Polizei, sondern ein Gesetz, das viel zu unbestimmt und unverhältnismäßig ist und gerade deshalb für die AnwenderInnen höchst problematisch sein wird, wenn das die Arbeitsgrundlage sein soll.

So wurde uns von Juristen z.B. anhand der Präventivhaft aufgezeigt, wo die Probleme liegen. Unter anderem ist die Pflichtverteidigung und damit der Rechtsschutz für Betroffene gar nicht vorgesehen, das haben Sie im Eifer der Verschärfungen vollkommen vergessen.

Auch ist das Verhältnis einer derartigen Präventivhaft zum Strafrecht ungeklärt. Das sei ein Paradigmenwechsel.

Ich sage Ihnen, das ist ein rechtlicher Salto Mortale!

Ganz zu schweigen von der Versiebenfachung der Haftdauer auf 74 Tage. Nun hört man von SPD-Seite, dass man auch mit 30 Tagen leben könne, die CDU hingegen besteht auf 74 Tage. Um es mal ganz klar zu sagen: dieses Geschacher um die Zahl von Hafttagen ist einfach nur unwürdig und hat mit ernsthafter Innenpolitik nichts mehr zu tun!

Sehr geehrte Damen und Herren,

entgegen anderslautender Aussagen, man beschränke sich lediglich auf die Terrorismusbekämpfung, ist dies nachweislich nicht der Fall. So bei der Online-Durchsuchung (§ 33d NPOG), wo sie nicht nur entsprechend des BVerfGE zum BKA-Gesetz eine Beschränkung auf terroristische Straftaten vorsehen, wie es in der Gesetzbegründung behauptet wird, sondern es werden weitere Straftaten einbezogen.

Das ist unverhältnismäßig und im Ergebnis verfassungswidrig!

Jetzt wollen Sie hier und da noch einen Richtervorbehalt einführen, um nach eigenen Aussagen, der Kritik gerecht zu werden. Doch das werden Sie nicht, denn unsere Richterschaft in allen Ehren:

Richterinnen und Richter sind keine Wunderheiler. Die Unbestimmtheit, die Unverhältnismäßigkeit und an vielen Stellen die Verfassungswidrigkeit dieses Gesetzes lassen sich damit nicht heilen.

Die Landesdatenschutzbeauftragte hat es ja noch einmal deutlich gemacht, dass die rechtliche Begründung für die neuen Maßnahmen bzw. Verschärfungen im Gesetz fehlt. Vielmehr geht man auf eine diffuse Bedrohungslage ein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Sie unterstellen der Bevölkerung ein Unsicherheits- bzw. Angstgefühl - dies könnte man schon Ihrem Koalitionsvertrag entnehmen. Diese Annahme ist falsch!

Das haben am vergangenen Samstag 15.000 Menschen in Hannover eindrucksvoll gezeigt. Wenn die Bevölkerung in Sorge ist, dann um unsere Demokratie, unsere Freiheit und unsere offene Gesellschaft, die wir alle so schätzen und lieben.

Ich bin ganz bei Ihnen, wenn sie dazu aufrufen, unsere Demokratie zu stärken. Dies meint aber eben und gerade auch Freiheits- und Bürgerrechte.

Daher appelliere ich nochmals an Sie: Dieses Gesetz ist nicht mit Klein-Klein zu retten. Wir brauchen Freiheit, statt Angst! Ziehen Sie das Polizeigesetz zurück. Lassen Sie uns im Parlament einen neuen Anlauf starten.

Vielen Dank.

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