Antrag: Konsequenzen aus Diesel-Betrugsskandal ziehen: Wirtschaftssanktionsrecht verschärfen, Zivilprozessrecht anpassen, Whistleblower schützen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Landtag stellt fest:

Der Betrugsskandal um die Manipulation und Fälschung von Abgaswerten mehrerer Autohersteller gehört zu den größten Wirtschafts- und Umweltverbrechen der deutschen Geschichte. Leidtragende waren und sind betroffene Autokäuferinnen und Autokäufer, Menschen, deren Gesundheit durch Autoabgase viel stärker als angegeben belastet wurde und wird sowie letztlich auch der überwiegende Teil der Belegschaft der in den Skandal verwickelten Konzerne, die die Konsequenzen in Form von drohendem Stellenabbau zu spüren bekommt. Niedersachsen ist mit seinen VW-Standorten besonders betroffen. Die juristische und politische Aufarbeitung und die Bewältigung der Folgen dieses Skandals ist noch lange nicht abgeschlossen und muss in Zukunft auch durch die Landesregierung konsequent vorangetrieben werden. Bei der juristischen Aufarbeitung ist ein Teil der strafrechtlichen Ermittlungen mit einem Bußgeldbescheid gegen den VW-Konzern in Höhe von einer Milliarde Euro abgeschlossen worden. Der Bescheid ist bis heute nicht öffentlich gemacht geworden. Da der weit größere Teil des Bußgeldes aus der Abschöpfung des erlangten wirtschaftlichen Vorteils besteht, wirkt dieser steuermindernd. Leidtragende sind damit die Kommunen mit VW-Standorten. Bundesweit laufen an mehreren Landgerichten Zivilprozesse von Käuferinnen und Käufern von Diesel-Pkw mit dem Ziel, Schadensersatz von den Konzernen zu erlangen. Eine einheitliche Rechtsprechung ist dabei noch nicht ersichtlich.     

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene für folgende Gesetzesänderungen einzusetzen:

  1.  Eine deutliche Anhebung der Obergrenze für Geldbußen für Unternehmen im Ordnungswidrigkeitsrecht.
  2. In Fällen von Wirtschaftsdelikten mit hoher Schadenssumme oder einer Vielzahl geschädigter Personen eine regelmäßige Veröffentlichung rechtskräftige Urteile und andere bestandskräftige verfahrensabschließende Entscheidungen im Bundesanzeiger.
  3. Die Einführung einer zivilrechtlichen Gruppenklage, mit der sich mehrere Geschädigte in einem Zivilprozess zusammenschließen und so ihre Kräfte bündeln können.
  4. Einen umfassenden arbeits- und beamtenrechtlichen Schutz für so genannte Whistleblower, also Personen, die nach erfolgloser interner Remonstration Dritte über Rechtsverstöße in Unternehmen und Behörden informieren.

Begründung

Die juristische Bearbeitung des Abgas-Betrugs-Skandals hat an mehreren Punkten den rechtspolitischen Reformbedarf unterstrichen. Das Bußgeld in Höhe von einer Milliarde war zwar hoch. Es hat aber gleichzeitig gezeigt, dass die im Ordnungswidrigkeitenrecht festgelegten Obergrenzen für Geldbußen im Regelfall nicht ausreichend sind, um eine angemessene Sanktionierung schwerwiegender Wirtschaftsdelikte zu erreichen. Auch gab es viel Kritik daran, dass der Bußgeldbescheid bislang nicht veröffentlicht worden ist. Von der juristischen Bearbeitung des größten Wirtschaftsverbrechens der Nachkriegsgeschichte erfuhr die Öffentlichkeit von offizieller Seite nur durch einige Pressemitteilungen. Hier ist ein größeres Maß an Transparenz geboten. Die Regelungen im Zivilprozessrecht sind bislang nicht ausreichend für Fälle, in denen es eine Vielzahl an Geschädigten gibt. Die beschlossene Musterfeststellungsklage ist hierbei nicht ausreichend. Zum einen ermöglicht sie nur bestimmten Verbänden überhaupt zu klagen. Zum anderen müssen Betroffene die tatsächliche Schadensersatzsumme doch jeweils einzeln einklagen. Deshalb ist die Einführung einer echten Gruppenklage anzustreben. Der Schutz von „Whistleblowern“, also Personen, die nach erfolgloser interner Remonstration Missstände aus Behörden oder Unternehmen aufdecken, ist zwar in den letzten Jahren verbessert worden. Diese Verbesserungen sind aber nicht ausreichend. Es muss klar sein, dass, wer Missstände aufdeckt, keine beruflichen oder sonstigen Nachteile zu befürchten hat.

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