Anja Piel: Rede zur Kultur in Niedersachsen (Aktuelle Stunde GRÜNE)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

direkt hinter mir, auf dem Platz der Göttinger Sieben, standen gestern 800 Leute, 800 Kulturschaffende der freien Theater, der Soziokultur, der Staatstheater. 800 kreative Köpfe. 19.000 Unterschriften für das Bündnis #rettedeintheater.

Sie haben hier direkt vor dem Landtag mit Transparenten gestanden. Vielleicht haben Sie ja einige gelesen. Wenn nicht, das hab‘ ich hier für Sie ein Best Of:

„Sechs Millionen Euro, Fata Morgana! Koalitionsvertrag, Fata Morgana!“

Oder

„Theater macht tolerant“

„Theater ist Integration“

„Theater bildet die Jugend“

„Theater sind Erfahrungsräume der Demokratie“

Und

„Theater verführt zum Denken“

Verführung zum Denken! Das habe ich als direkte Aufforderung an den Kulturminister Thümler verstanden, der ja heute leider nicht hier sein kann. Aber kein Problem, für dieses Kabinettstück, dass den Theatern 6 Millionen Euro mehr versprochen und genau dieses Versprechen mit den Worten „Es gab keine festen Zusagen“ wieder einkassiert wurde, dürfen Sie sich als komplette Landesregierung angesprochen fühlen.

Liebe Damen und Herren der GroKo: Man möchte Ihnen raten, sich öfter mal verführen zu lassen. In einem Schauspielhaus, bei einer Theateraufführung, einer Lesung, einem Konzert. Womöglich würde das zu Erkenntnis führen. Zur Erkenntnis, welchen Wert Kultur in einer Gesellschaft hat, und welchen Wert Kultur in einer Zeit wie dieser haben muss, in der unser Land von Spaltung bedroht ist.

Kultur muss anders gedacht werden sie ist keine SUBVENTION,

Kultur ist eine INVESTITION im allerbesten Sinne. Eine Investition in den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, in die Förderung von Integration, in Bildung, in Wertevermittlung, in demokratische Meinungsbildung und ja, sie ist auch ein Wirtschaftsfaktor. 

Zu Recht weisen die kommunalen Theater und soziokulturellen Einrichtungen darauf hin, dass sie nicht einfach nur Angebote zusammenstreichen, sondern auch Leute auf die Straße setzen müssen, wenn es beim rot-schwarzen Streichkonzert bleibt.

Das wird die kleinen Einrichtungen in der Fläche besonders hart treffen. Für manche ist das sogar existenzbedrohend.

Ist das die von der CDU versprochene Stärkung des ländlichen Raums? Kahlschlag bei der Kultur?

Anrede,

eine lebendige Kulturlandschaft in Niedersachsen braucht mehr als drei Staatstheater. Wir brauchen aber auch mehr als sechs kommunale Theater. Die Geschmäcker und auch die Geldbeutel unterscheiden sich - und deshalb brauchen wir die vielfältigen Kulturvereine und –werkstätten, die freien Theater und die verschiedenen Initiativen und Netzwerke in der Fläche Niedersachsens.

Denn dort wird der Blick für gesellschaftliche Herausforderungen geöffnet und der Diskurs angeregt- Kultur ist niemals unpolitisch, sie kann es nicht sein. Sie schärft unseren Blick und unseren Verstand!

Anrede,

Herr Thümler hat landauf landab 6 Millionen Euro mehr versprochen. Ein falsches Versprechen.

Falsche Versprechungen sind auch immer wieder großes Thema im Theater. Meistens in Komödien oder Verwirrspielen, manchmal auch in Dramen. Politik sollte sich allerdings tunlichst, nicht nur in Zeiten von Politikverdrossenheit, an gegebene Zusagen halten.

Daran haben die 800 Protestierenden gestern vor dem Landtag erinnert. Halten Sie Ihre Versprechungen ein, setzen Sie Ihre Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag um! Niemand verträgt eine Kulturwüste! Legen Sie nicht die Axt an die Strukturen, die unsere Gesellschaft braucht, um sich weiter zu entwickeln. Die Welt ist eine Bühne – zerstören wir sie nicht!

Vielen Dank.

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