
Missstände in der Schlachtindustrie beenden!
Tierschutzverstöße und Missstände in Schlachthöfen
Im Oktober 2018 deckte die SOKO Tierschutz durch die Veröffentlichung heimlicher Filmaufnahmen aus einem Rinderschlachthof in Bad Iburg einen der größten Schlachthofskandale Niedersachsen auf. Die Aufnahmen dokumentierten unzählige Tierschutzverstöße und belegten nicht nur Missstände innerhalb des Schlachthofes, sondern das Versagen amtlicher Kontrollen. Nur kurze Zeit später folgen weitere schockierende Bilder aus Schlachthöfen in Oldenburg und der Region Hannover. Auch hier kam es vielfach zu tierschutzwidrigen Handlungen, wie Fehlbetäubungen oder den massiven Einsatz von elektrischen Treibhilfen.
System "Billigfleisch"
Auch wenn es zu einer sofortigen Schließung des Schlachthofes in Bad Iburg kam, so war doch klar, dass es sich nicht um bedauerliche Einzelfälle handelte, sondern das System an sich nicht funktioniert. Es zeichnet sich immer mehr ab, dass es mit kleinen Umstellungen nicht getan ist, sondern es sehr viel mehr Kontrolle und ein generelles Umdenken bedarf.
Werksvertragsarbeitende menschenwürdig anstellen und unterbringen
Damit Arbeits- und Tierschutz auch umgesetzt werden können, muss sich die Unterbringung der Mitarbeiter weiter verbessern. Neben guten Arbeitsplatzbedingungen brauchen wir endlich Regelungen, die eine menschenwürdige Unterbringung gewährleisten. Eine Unterbringung in Wohnraum, dessen bauliche Beschaffenheit nicht einmal Grundstandards entsprechen darf es nicht mehr geben. Der massive Preisdruck in der Branche haben dazu geführt, dass Tier- und Arbeitsschutz gleichermaßen mit Füßen getreten werden. In vielen Betrieben wird nicht nur geschlachtet, es wird auch Armut ausgeschlachtet. Unwürdige Arbeits- und Wohnbedingungen der Werkvertragsarbeitnehmer führen auch zu massiven gesundheitlichen Problemen, wie die bekannt gewordenen Tuberkulose-Fälle bei Mitarbeitenden in niedersächischen Schlachthöfen gezeigt haben.
Mehr Videoüberwachung löst die Probleme nicht!
Als Antwort darauf will die Landesregierung die Einführung von Videoüberwachung in Schlachthöfen durchsetzen. Sie wählt damit einen Weg, der das Land möglichst nichts kosten soll, an den miserablen Grundbedingungen, wie Akkordarbeit, schlechter Qualifizierung und unzureichender personeller Ausstattung der Kontrollbehörden nichts ändert.
Unsere Forderungen
Arbeits- und Wohnbedingungen der Mitarbeitenden verbessern!
Keine Akkordarbeit und Werkverträge
Es braucht eine Verbesserung der Arbeitsplatzbedingungen in niedersächsischen Schlachthöfen, sodass im Umgang mit lebenden Tieren kein zusätzlicher Zeitdruck entsteht. Aus diesem Grund muss Akkordarbeit und die Beschäftigung mittels Werkverträgen verboten werden. Alle Angestellten müssen nach einem festen, tariflichen Lohn bezahlt werden, der unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der geschlachteten Tiere ist.
Menschenwürdige Wohnverhältnisse schaffen
Die grüne Landtagsfraktion hat bereits im vergangenen Sommer ein Wohnraumschutzgesetz eingebracht, um Ausbeutung von Mieter*innen in unwürdigen Wohnverhältnissen zu unterbinden. Fehlen beispielsweise Heizung, Toiletten, Wasserversorgung oder steht Mieter*innen weniger als 10 Quadratmeter Wohnraum zur Verfügung, hätten Kommunen durch das Wohnraumschutzgesetz die Möglichkeit, Vermieter*innen anzumahnen oder die Unbewohnbarkeit zu erklären.
Ausbildungstand in Schlachtbetrieben verbessern
Wir wollen, dass es über den aktuellen Sachkundenachweis hinaus, zu einer Erhöhung des Ausbildungsstandes in den Schlachthöfen kommt. Dabei sind auch Maßnahmen in den Blick zu nehmen, die einen Mindestanteil von Personal mit einer Berufsausbildung der Handwerkskammer vorschreiben.
Tiergerechten Umgang fördern!
Verpflichtende Schulungen für tiergerechten Umgang
Mitarbeitende müssen verstärkt für das Empfinden der Tiere sensibilisiert werden, um einer möglichen Verrohung und Betriebsblindheit bei der Arbeit an und mit den Tieren vorzubeugen. Dafür sind zusätzliche, verpflichtende Schulungen im Bereich des Tierschutzes und des Umgangs mit den Tieren einzuführen.
Kompetenzen der Tierhaltenden bei Nottötung verbessern
Gemeinsam mit der Tierärztekammer muss eine Strategie entwickelt werden, die die Kompetenzen beim Thema Nottötungen verbessert. Hier soll u.a. eine Fortbildung für Tierhalterinnen und Tierhalter verpflichtend werden, um eine sichere Feststellung der Notwendigkeit von Nottötungen und deren tierschutzgerechter Ausführung zu gewährleisten.
Elektrische Treiber verbieten
Die Anwendung elektrischer Treiber muss verboten werden. Stattdessen sollen durch Fortbildungsmaßnahmen praktikable, tiergerechte und für die Tiere stressfreie Alternativen aufgezeigt werden.
Schlachthofgebäude den Tieren anpassen
Bei Schlachthofneubauten muss auf eine den Tieren angepasste Gebäudeführung und Beleuchtungskonzeption geachtet werden. Erkenntnisse der Wissenschaft, bspw. der Forschung von Mary Temple Grandin, sind bei den Planungen zwingend zu berücksichtigen. Um diese Ziele auch bei Bestandsgebäuden umzusetzen muss ein Förderprogramm geschaffen werden, welches den tiergerechten Umbau unterstützt.
Betäubung der Tiere verbessern!
Alternativen zur CO²-Betäubung bei Schweinen entwickeln
Es müssen konkrete Schritte eingeleitet werden, die zu einem schrittweisen Umstieg auf Alternativen zu der CO2 Betäubung führen. Die Forschung in diesem Bereich ist verstärkt zu fördern.
Verpflichtenden Zulassungsverfahren für Betäubungsgeräte
Die Verwendung von nachweislich tierschutzkonformen Betäubungs- und Fixiergeräten ist vorzuschreiben. Es bedarf in diesem Zusammenhang einer standardisierten und verpflichtenden Zulassung für jeden Gerätetyp und dessen Anwendungsbereich, die in der Tierschutz-Schlachtverordnung zu verankern ist.
Kopffixierung bei Bolzenschuss
Bei der Verwendung eines Bolzenschussgeräts ist eine verpflichtende Kopffixierung der Schlachttiere vor der Betäubung, bspw. durch eine Betäubungsfalle, einzuführen.
Betäubungsvorgang vom Schlachtprozess entkoppeln
Um im Falle einer notwendigen Nachbetäubung jederzeit den Schlachtbetrieb unterbrechen zu können, muss der Betäubungsvorgang vom weiteren Schlachtprozess entkoppelt werden.
Weideschuss fördern
Mobile Einrichtungen, die eine Schlachtung auf dem Hof oder der Weide ermöglichen, sind zu fördern. Der Weideschuss gilt als das tierfreundlichste Schlachtverfahren überhaupt. Durch ihn kann auf Transporte lebendender Schlachttiere gänzlich verzichtet werden.
Mehr und bessere Kontrollen!
Bessere und flächendeckende Überwachung
Wir brauchen eine einheitliche Qualität und eine Erhöhung der Kontrolldichte im Rahmen von flächendeckenden, standardisierten Überprüfungen von Schlachtbetrieben. Dafür ist im Rahmen eines Runden Tisches zu überprüfen, wie die vermehrte (Rück-)Übertragung von Kompetenzen auf das LAVES erfolgen kann, um die Behörde in operativen Überwachungsaufgaben zu stärken. Dies betrifft die Prävention ebenso wie die Ahndung festgestellter Verstöße gegen den Tierschutz.
Rotierende Kontrollen
Damit die Neutralität der Überprüfungen sichergestellt ist, sollen die amtlichen, für die Überwachungen zuständigen Tierärztinnen und -ärzte zwischen den verschiedenen Betrieben, landkreisübergreifend, rotierend eingesetzt werden. Möglich wäre dies u.a. durch einen Pool an Tierärztinnen und -ärzten auf Landesebene.
Verpflichtende Videoüberwachung
Unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Aspekte kann die Einführung von verbindlicher, staatlicher Videoüberwachung in Bereichen mit lebenden Tieren ein zusätzliches Kontrollinstrument darstellen. Um eine nachträgliche, strafrechtliche Aufklärung etwaiger Tierschutzverstöße zu ermöglichen, ist eine Speicherung der Daten für mindestens 12 Monate erforderlich. Außerdem ist eine personelle Aufstockung der Kontrollbehörden notwendig, um die Aufnahmen effektiv auswerten zu können.
Rechtliches Vollzugsdefizit beenden
Festgestellten Tierschutzverstößen muss unverzüglich und konsequenter nachgegangen werden und die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten müssen Anwendung finden. Dafür ist das Personal bei den Ermittlungsbehörden deutlich aufzustocken und insbesondere die Schwerpunktstaatanwaltschaft in Oldenburg zu stärken.
Erhalt von kleinen und mittleren Schlachtbetrieben!
Unnötige Tiertransporte vermeiden
Wir sind für den Erhalt von kleinen und mittleren Schlachtbetriebe in der Fläche, weil dies die Anzahl von Schlachttiertransporten verringert und die Transportzeiten möglichst kurz hält. Es sind rechtliche Möglichkeiten, wie bspw. eine feste Höchstdauer für Tiertransporte, zu prüfen, die im Ergebnis dazu führen, dass Schlachttiere an einem der nächstgelegenen Schlachthöfe angeliefert werden.
Begünstigung großer Schlachtbetrieb beenden
Große Schlachtbetriebe dürfen nicht weiter durch unterschiedlich hohe Gebührensätze bevorteilt werden. Artikel 27 der EG Verordnung Nr. 882/2004 ist dahingehend anzuwenden, dass die Interessen der Unternehmen mit geringem Durchsatz sowie traditionelle Verarbeitungsmethoden bei der Gebührenerhebung besonders berücksichtigt werden.