Antrag: Artensterben aufhalten – Insekten schützen

 

 

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

 

Entschließung

Während das Bienensterben in Verbindung mit Neonicotinoiden die Varroa-Milbe öffentlich diskutiert wird, findet die Diskussion über das „stille Sterben“ zum Beispiel von Schmetterlingen und Wildbienen kaum Aufmerksamkeit. Untersuchungen haben ergeben, dass die Masse der Insekten in Deutschland zwischen 1995 und 2014 um ca. 80 % abgenommen hat. Dieser Trend ist dramatisch, da Insekten vielen Tieren als Nahrung dienen und viele ökologische Funktionen erfüllen, die auf den ersten Blick nicht wahrgenommen werden. Das führt auf Dauer nicht nur zu einer Bestäubungskrise bei unseren heimischen Pflanzen, es hat natürlich auch Auswirkungen auf die übrige Tierwelt und insbesondere auf die Vögel. Nicht nur Mauersegler, Schwalben und Fledermäuse verlieren ihre Nahrungsgrundlage. Viele Vogelarten benötigen z.B. zur Aufzucht ihrer Küken Insekten. Insekten sind daher nicht nur für eine optimale Bestäubung von Kultur- und Wildpflanzen erforderlich, sondern zudem eine wichtige Stufe der Nahrungskette.

Darüber hinaus übernehmen „Nützlinge“ wichtige Aufgaben im biologischen Pflanzenschutz, zersetzende Insektenarten sind unerlässlich für den Humusaufbau und damit die Bodenfruchtbarkeit und Nahrungsmittelproduktion.

Die Resolution zum Schutz der Insekten wurde am 25. Oktober 2016 bei der 12. Hymenopterologen-Tagung verabschiedet, einer Fachtagung zum Thema Hautflügler. Die Hymenopterologen-Tagung ist die wichtigste Plattform der mitteleuropäischen Experten für Hautflügler und findet alle zwei Jahre statt. Sie dient neben der Präsentation aktueller Forschungsergebnisse auch dem Informations- und Erfahrungsaustausch, der Öffentlichkeitsarbeit und der Netzwerkbildung zwischen den Wissenschaftlern.

Auf der Konferenz wurde festgestellt: Wenn der Trend beim Insektenschwund sich fortsetzt, sterben viele Arten in weniger als zehn Jahren aus. Die Folgen wären eine ökologische Katastrophe, die nicht zuletzt massive wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe für die Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion mit sich bringen würde.

Daher verabschiedeten 77 Forscher bei dieser Fachtagung eine Resolution. Sie fordern Sofortmaßnahmen, um den drastischen Rückgang von Wildbienen und anderen Insekten zu stoppen.

Der Landtag begrüßt:

  • die Förderung der Anlage von naturbetonten Grünflächen in Städten und Dörfern,
  • die erhöhte Förderung pro Hektar für die Anlage von Blühstreifen und die Unterstützung der Zusammenarbeit zwischen Landwirten und Imkern im Rahmen der Agrarumweltprogramme.
  • die verstärkte Förderung des Ökologischen Landbaus durch die erhöhten Förderprämien.
  • dass mit öffentlicher Förderung freiwillig angelegte Biotope nach § 30 Bundesnaturschutzgesetz nicht dem gesetzlichen Schutz unterliegen, um die Akzeptanz für die Biotopanlage zu bewahren.
  • die Förderung zum Erhalt seltener und gefährdeter Ackerwildkrautarten und -Gesellschaften auf extensiv bewirtschafteten Äckern bzw. Ackerrändern.
  • die Förderung eines Forschungsprojektes zum Einsatz von Blühpflanzen in Biogasanlagen.
  • die geplante Einrichtung einer Arbeitsgruppe zum Thema Insektensterben mit Experten unter der Federführung des Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz,
  • die Erarbeitung von Handlungszielen zur Entwicklung von Lebensräumen, Lebensgemeinschaften sowie Pflanzen- und Tierarten im Rahmen der niedersächsischen Naturschutzstrategie

Wir fordern die Landesregierung auf, zusätzlich

  1. sich auf Bundesebene für ein deutschlandweites Insekten-Monitoring einzusetzen und dieses schnellstmöglich in Niedersachsen zu etablieren,
  2. zusammen mit dem Bund und der Wissenschaft die Ursachenforschung und –analyse zu verstärken und weitere Maßnahmen gegen das Insektensterben zu entwickeln
  3. sich dafür einzusetzen, dass Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf Insekten umfassend geprüft werden und geeignete Konsequenzen daraus gezogen werden.
  4. Sich darüber hinaus für eine entsprechende, bundeseinheitliche und europarechtskonforme Anwendungsregelung für Pflanzenschutzmittel einzusetzen.
  5. ein Blütenmanagement zu etablieren und dabei alle Landbesitzer (z.B.  Landwirte, Industrie, Kommunen und privaten Haushalte) zu berücksichtigen und über Förderungen Maßnahmen zum Insektenschutz voranzubringen,
  6. die Öffentlichkeitsarbeit im Bereich insektenfreundliche Blühpflanzen in Gärten und über die Artenvielfalt der Insekten und den Schwund in diesem Bereich stärker zu forcieren,
  7. bei Maßnahmen und Programmen des Landes grundsätzlich darauf zu achten, dass im Jahresverlauf ein Nahrungsangebot zur Verfügung steht, dass an die Bedürfnisse der Insekten angepasst ist,
  8. weiterhin Forschungsprojekte zu unterstützen, die dazu dienen, Mais als Substrat für Biogas kurz- und mittelfristig durch unterschiedliche Wildpflanzen und andere Kulturen ergänzen bzw. ersetzen zu können, um zu einer vielfältigeren Fruchtfolge zu kommen,
  9. zu prüfen, wie die Landkreise in der Umsetzung von Biotopverbundsystemen unterstützt werden können,
  10. im Biotopverbund die Anforderungen der Insekten stärker zu berücksichtigen,
  11. den Blühpflanzen-Flächenverlust weiter einzudämmen,
  12. die Blühpflanzenvielfalt auf Grünland weiterhin und verstärkt zu fördern,
  13. das Pflanzen von insektenfreundlichen Hecken aus heimischen Gehölzen sowie die Anlage von Streuobstwiesen und Unterwuchs mit zeitlich differenzierten Blühzeitpunkten zu fördern,
  14. darauf hinzuwirken, dass Flächen der öffentlichen Hand wie Wegeseitenränder naturnah und unter Berücksichtigung des Insektenschutzes bewirtschaftet werden
  15. auf eine verstärkte naturschutzfachliche Umsetzung und Kontrolle von Vorgaben in Natura 2000 – Gebieten und bei Kompensationsmaßnahmen auch im Hinblick auf ihre Schutzwirkung für die Insektenfauna hinzuwirken,
  16. sich weiterhin für die Verbesserung der Gewässerqualität auch zum Schutz der Insektenvielfalt einzusetzen,
  17. auf den Einsatz von Leuchtmitteln im öffentlichen Bereich hinzuwirken, die auf Insekten weniger anziehend wirken und die Bevölkerung über den möglichen Einsatz im privaten Bereich zu informieren

Begründung

Im Vergleich zum Rückgang in den Honigbienenbeständen, der wegen des Lebens in Bienenstöcken leichter zu dokumentieren ist, hat der allgemeine Rückgang von Insekten in der Landschaft bisher erstaunlich wenig Aufmerksamkeit erfahren. Außerdem nehmen die Menschen eher die unangenehmen Seiten und nicht die nützlichen, lebenswichtigen Eigenschaften dieser Arten wahr. Eine weitere Erklärung ist, dass dieser Artenrückgang schleichend stattfindet. Die Dimension dieser Entwicklung in den vergangenen 20 Jahren ist jedoch erschreckend. Eine natürliche Bestäubung unserer Nutzpflanzen ist absehbar gefährdet. Die Preise für Lebensmittel werden steigen. Fische, Amphibien und Vögel verlieren ihre Nahrungs- und damit ihre Lebensgrundlagen. Die vorliegenden Daten sind alarmierend. Hinsichtlich der Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf Insekten sind ergänzende und vertiefte herstellerunabhängige Untersuchungen erforderlich.

Zum Erhalt der Insekten ist es wichtig, dass ausreichende Nahrungsquellen für sie zur Verfügung stehen. Um dies zu gewährleisten, sollte der Biotopverbund auch auf Insekten ausgerichtet sein. Für eine Erweiterung sollten entsprechend weitere Mittel für die Landwirtschaft bereitgestellt werden, um gemeinsam insektenfreundliche Inseln in der Agrarlandschaft zu schaffen und diese über sogenannte Trittsteine zu verbinden.

Es ist zusätzlich zu dem Verbund wichtig, dass ein Bewusstsein für diese Problematik in der Bevölkerung geschaffen wird. Viele Gärten können insektenfreundlicher gestaltet werden. Hier muss mehr Öffentlichkeitsarbeit betrieben werden. Auch bei Neuanpflanzungen sollte darauf geachtet werden, dass heimische Arten verwendet werden.

Für Insekten gibt es je nach Witterung im Frühjahr drei bis vier Wochen lang ein starkes Angebot an Blütentracht. Ab Juni verschlechtert sich die Trachtsituation jedoch stark und bis zum Ende der Aktivitätsphase von Insekten reicht das Nahrungsangebot daher nicht aus. Randstreifen an Äckern, aber auch Weg- und Straßenrändern können hier teilweise wichtige Rückzugsräume schaffen. Weitergehend ist auch lokal eine Vielfalt von zu unterschiedlichen Zeiten blühenden Pflanzen anzustreben, so dass ein ganzjähriges Lebensraum- und Nektarangebot gewährleistet wird.

Deshalb ist es wichtig, neben den für die Landwirtschaft bereits laufenden Programmen auch für andere, die über entsprechende Flächen verfügen, zusätzliche Anreize zu schaffen. Das gilt sowohl für Gewerbebetriebe als auch für Kommunen, sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts und private Haushalte. Dazu gehört allerdings auch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit um auf die bestehenden Probleme eindringlich hinzuweisen. Auch, um das Pflanzen von heimischen insektenfreundlichen Pflanzen im heimischen Garten weiter voranzutreiben.

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