GRÜNE fordern unverzügliche Nachbesserung im Strafvollzugsgesetz:Landesregierung hat Misshandlung in JVA vertuscht

Der rechtspolitische Sprecher der Landtagsfraktion Helge Limburg und der Fraktionsvorsitzende Stefan Wenzel erhoben auf einer Pressekonferenz schwere Vorwürfe gegen die Landesregierung. Vor der Landtagswahl sei die pflichtgemäße Information des Landtages unterlassen worden, um Unruhe zu vermeiden.

 

Die Landtagsgrünen legten einen Antragsentwurf vor, in dem umfangreiche Nachbesserungen des niedersächsischen Strafvollzuggesetzes gefordert werden.

 

 

 

Hier die DPA-Meldung zu unserer Pressekonferenz (copyright lni/dpa)

Misshandlung in JVA - Grüne werfen Regierung Vertuschung vor

Hannover (dpa/lni) - Nach der Misshandlung eines Gefangenen in der Haftanstalt Celle-Salinenmoor geht der Streit zwischen der Landesregierung und der Opposition im Landtag mit unverminderter Schärfe weiter. Die Grünen-Fraktion warf der Landesregierung und Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) Vertuschung vor. Der Vorfall im Januar sollte aus Sicht der Oppositionsfraktion nicht an die Öffentlichkeit kommen, um kurz vor der Landtagswahl Unruhe zu vermeiden, sagte Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel am Freitag in Hannover. Zwar sei das Büro von Ministerpräsident Wulff direkt informiert worden, aber nicht zeitgleich der Landtag.

Die Sprecherin der Staatskanzlei, Nina Hacker, sagte, in Wahlkampfzeiten müsse Wulff über alles informiert sein, "selbst über Belangloses". Nach wie vor konnte sie aber nicht sagen, ob Wulff selber den "kurzen Vermerk" über den Verdacht der Misshandlung kannte. Den Vorwurf der Vertuschung wies sie als "völlig absurd" zurück.

Am kommenden Mittwoch werden Justizminister Bernd Busemann, seine Amtsvorgängerin Elisabeth Heister-Neumann (beide CDU) und der Chef der Staatskanzlei in der Sitzung des zuständigen Landtags- Unterausschusses zu dem Fall Stellung nehmen. Die Opposition hat einen umfangreichen Fragenkatalog vorbereitet.

Die Sprecherin des Ministerpräsidenten, der noch in den Flitterwochen ist, wollte sich zu Einzelheiten des Vermerks per E- Mail an Wulffs Büro vom 23. Januar nicht konkret äußern. Aus Respekt vor dem Parlament und der Ausschuss-Sitzung am Mittwoch könne sie "nichts vorwegnehmen". Der Vorfall in der JVA Salinenmoor sei in der Mitteilung kurz beschrieben worden, sagte Hacker.

Grünen-Fraktionschef Wenzel sagte, er halte es "für völlig unglaubwürdig", dass Wulff von dem Vorgang nichts gewusst habe. "Ich halte es für erbärmlich, wenn er sich hinter Mitarbeitern versteckt, es wäre seine Aufgabe, hier Stellung zu nehmen."

Der Landtag ist erst am 6. Februar vom Justizministerium über den mutmaßlichen Übergriff im Gefängnis informiert worden. Ein Sprecher hatte dazu erklärt, man habe erst ein rechtsmedizinisches Gutachten abwarten wollen. Es sollte damit geklärt werden, ob es sich tatsächlich um einen schwerwiegenden Fall handle. Durch ein Versehen wurde die Nachricht an den Landtag vom 6. Februar aber nicht weitergeleitet. Sie erreichte die Mitglieder des Parlamentsausschusses schließlich erst im März. "Das ist im Landtag durchgerutscht, das kann einfach passieren, ist aber ärgerlich", sagte ein Sprecher des Landtags.

Der justizpolitische Sprecher der Grünen, Helge Limburg, sagte, im Schnitt würden im Monat zwei bis vier Vorfälle in Haftanstalten an den Unterausschuss für Strafvollzug des Landtages gemeldet. Nach Angaben des Justizministeriums war es unter Gefangenen in niedersächsischen Haftanstalten im Jahr 2007 zu 235 "dokumentierten Tätlichkeiten" gekommen, 2006 waren es 313.

Die Grünen fordern, die Mehrfachbelegung künftig allenfalls mit zwei Häftlingen zuzulassen, nicht aber mit drei Gefangenen und mehr. Das Justizvollzugsgesetz müsse entsprechend geändert werden, sagte Limburg. Aus Sicht der Grünen erscheint auch der Tausch der Ministerämter der früheren Justizministerin Heister-Neumann und Busemann, der vorher Kultusminister war, in einem anderen Licht. Heister-Neumann sei wegen ihres umstrittenen Justizvollzugsgesetzes unter Druck gewesen wie auch Minister Busemann in der Schulpolitik.

In der Nacht vom 19. auf den 20. Januar soll ein 28-Jähriger, der wegen Schwarzfahrens einsitzt, von zwei Zellengenossen mit Tritten und Schlägen schwer misshandelt worden sein. Es besteht auch der Vorwurf der Vergewaltigung. Die drei Gefangenen waren nach Darstellung der Behörden auf eigenen Wunsch zusammengelegt worden.

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