Stephan Christ: Rede zu Antrag CDU „Verlässlichkeit statt Unsicherheit - Infrastruktur darf nicht am Koalitionsstreit scheitern“

Rede Stephan Christ© Plenar TV

TOP 30 – Rede zum CDU-Antrag „Verlässlichkeit statt Unsicherheit - Infrastruktur darf nicht am Koalitionsstreit scheitern“

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

Wir reden heute über zentrale Fragen der Infrastruktur – über große Projekte wie die A 20, die A 39 oder die E 233. Und wir reden damit auch über die Richtung, in die sich unsere Mobilitätspolitik in Niedersachsen entwickeln soll.

Die CDU-Fraktion fordert in ihrem Antrag Verlässlichkeit und Planungssicherheit für diese Autobahnvorhaben. Ich möchte eingangs betonen: Auch wir nehmen das Bedürfnis nach verbindlichen Entscheidungen ernst – Kommunen, Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger brauchen klare Perspektiven.

Das gilt – ohne Zweifel – für alle politischen Ebenen. Aber: Verlässlichkeit darf nicht mit dem starren Festhalten an überholten Planungen verwechselt werden. Wenn sich die Realität ändert – ökologisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich –, dann müssen wir auch unsere Prioritäten neu bewerten.

Denn: Der Verkehrssektor steht vor einer tiefgreifenden Transformation. Wir sind – und das zeigt jede seriöse Klimabilanz – meilenweit davon entfernt, unsere Klimaziele im Verkehr zu erreichen. Neue Autobahnen sind unter diesen Bedingungen kein Zukunftsprojekt – sie sind eine Hypothek. Sie binden Ressourcen, sie versiegeln Böden, sie durchschneiden wertvolle Landschaften – und sie verfestigen Strukturen, die wir eigentlich überwinden müssen.

Nehmen wir die A 20 als Beispiel: Ein Projekt, das durch Moorgebiete führt – Gebiete, die erhebliche Mengen CO₂ binden – oder freisetzen, wenn sie zerstört werden. In einer Zeit, in der wir jeden Hektar Naturraum und jede Tonne CO₂ ernsthaft bilanzieren müssen, ist es nicht verantwortbar, so weiterzubauen, als würde es den Klimawandel nicht geben.

Natürlich verstehen wir die Bedeutung von Logistik, von Wirtschaftsverkehren, von regionaler Entwicklung. Und wir wollen auch gar nicht den Eindruck erwecken, dass wir uns als Grüne jeder Straße oder jedem Meter Asphalt grundsätzlich verweigern – auch wenn das vielleicht der "reinen Lehre" entsprechen würde.

Wir sind vielmehr überzeugt: Was wir brauchen, ist ein zielgerichteter, punktueller Ausbau – dort, wo es verkehrlich wirklich notwendig ist und wo ökologische, soziale und wirtschaftliche Kriterien das rechtfertigen.

Unser Straßennetz in Niedersachsen ist bereits sehr umfangreich. Deshalb sollten wir uns heute vor allem darauf konzentrieren, dieses Netz zu erhalten, intelligenter zu nutzen und gezielt zu ergänzen – nicht es immer weiter auszudehnen. Aber: Die Zukunftsfähigkeit unserer Infrastruktur entscheidet sich nicht mehr allein auf der Straße.

Sie entscheidet sich dort, wo wir endlich das tun, was seit Jahren gefordert wird:

  • Die Schiene ausbauen
  • Den Güterverkehr verlagern
  • Die Nahmobilität stärken
  • Die Digitalisierung des Verkehrs vorantreiben

Wir brauchen Investitionen, ja – aber in die richtige Richtung:

  • In Sanierung statt Neubau
  • In Verknüpfung statt Zerschneidung
  • In Klimaschutz statt Emissionsverfestigung

Und ja, in der Koalition gibt es unterschiedliche Blickwinkel. Das ist in einer pluralen Demokratie normal. Entscheidend ist doch: Wir führen diese Debatte respektvoll, auf Grundlage von Fakten – und mit dem gemeinsamen Ziel, Niedersachsen klimafest, wirtschaftlich zukunftsfähig und sozial ausgewogen weiterzuentwickeln.

Wir sagen deutlich: Was wir brauchen, ist ein echter Dialog über Mobilitätsstrategien – nicht das isolierte Festhalten an einzelnen Straßenbauprojekten. Denn: Infrastrukturpolitik ist kein Selbstzweck, sondern Teil einer umfassenden Zukunftsgestaltung.

Oder, um es auf den Punkt zu bringen: Wir müssen heute die Weichen für das 21. Jahrhundert stellen – nicht die Fehler des 20. Jahrhunderts verlängern. Und abschließend: Verlässlichkeit heißt nicht Stillstand. Verlässlichkeit bedeutet Verantwortung – für das, was wir heute bauen, und für das, was wir morgen hinterlassen.

Vielen Dank.

Zurück zum Pressearchiv